Ende der Reise:Willkommen im Stall

Bruck: Aussendung der STERNSINGER / Klosterkirche Fürstenfeld

Ob die Heiligen Drei Könige heute wohl ans Ziel kämen, bei all den Einreisebestimmungen?

(Foto: Johannes Simon)

Von Jochen Temsch

Die Heiligen Drei Könige hätten es heutzutage auch nicht leicht. Auf ihrem weiten Weg aus dem Osten würden sie immer wieder aufgehalten von ständig geänderten Einreisebestimmungen, Quarantänevorschriften, Testprozeduren - und endlosen Diskussionen mit Grenzbeamten, ob Epiphanie während der Pandemie als triftiger Grund zum Unterwegssein gilt und so womöglich eine 48-Stunden-Regelung begründet.

Das Ziel ihrer Reise immerhin wäre hygienegerecht: naturnah abgelegen, gut durchlüftet, halb im Freien - ein Stall. Wo Ochs und Esel friedlich mit den Hufen scharren und das Neugeborene in der Krippe mit ehrfürchtigem Abstand von höchstens fünf Personen aus zwei Hausständen betrachtet wird, gibt es kein gefährliches Gedränge. Gloriole statt Aerosole. Insofern sind bereits in der 2000 Jahre alten Weihnachtsgeschichte die Grundmotive zeitgenössischen Tourismusmarketings angelegt, denn Ställe und Scheunen sind die neuen Ferienvillen.

So hat soeben der ästhetisch anspruchsvolle Ferienwohnungs-Vermittler Urlaubsarchitektur eine Werbemail mit Beispielen für Übernachtungsmöglichkeiten in ehemaligen Verschlägen für Vieh und Heu versandt.

In den von außen primitiv wirkenden Holzherbergen vereinen sich gleich mehrere Projektionen: Die Sehnsucht nach dem angeblich einfachen Landleben, die Lust auf unverstellte Landschaften und der Wunsch, im Urlaub bloß nichts mit anderen Menschen zu tun haben zu müssen. Im Angebot sind unter anderem drei ineinander gebaute Stadl-Fassaden in weidenähnlicher Umgebung im Pinzgau, hinter deren groben Balken sich ein verglaster Neubau verbirgt, mit freistehender Badewanne zwischen Bett und Panoramafenster. Oder eine denkmalgeschützte Heulagerstätte aus dem 19. Jahrhundert im Breisgau - außen Bruchstein, innen Sichtbeton. Oder das Loft in einem Schweizer Bergdorf, ein traditioneller Strickbau mit steinernem Untergeschoss, das einst Mäuse von den Nahrungsmitteln für Mensch und Tier fernhalten sollte und heute einen interessanten optischen Akzent setzt.

Wie gut, dass sich die Zeiten geändert haben - und das Landleben vor allem aufgrund der zahlenden Urlaubsgäste tatsächlich einfacher ist als früher. Die kärglichen Viehunterstände symbolisierten einst Armut, Hunger und Not. Heute repräsentieren sie Wohlstand. Wer ein paar Hundert Euro pro Nacht investieren kann, ist herzlich willkommen. Für Könige sicherlich immer noch eine Option. Maria und Josef allerdings hätten nicht einmal mehr in einem Stall eine Chance.

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