Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Verzwickte Angelegenheit

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Oft wählen wir die Urlaubsorte nach ihrem Aussehen auf Instagram aus. Endlich aber haben Online-Plattformen erkannt: Noch wichtiger ist die Zahl der stillen Örtchen.

Von Stefan Fischer

Coole Sehenswürdigkeiten, praktische Apps, hippe Restaurants, lässige Meet-the-Locals-Angebote, billige Flug- oder Zugtickets, günstige Airbnb-Zimmer und natürlich verrückte Instagramspots: alles wichtig, alles begehrenswert bei einer Städtereise. Die Entscheidung, ob man lieber über den Montmartre streifen möchte oder über die Ramblas, ist eine komplexe. Die Frage, ob man eher Sacré Cœur sehen möchte oder den Mercat de la Boqueria, ist dabei nur die erste und auch nicht die entscheidende. Nicht was man sieht auf Reisen, ist der zentrale Punkt, sondern wie man selbst gesehen wird von anderen. Was man erlebt, um davon erzählen zu können. Die Entscheidung für eine Reise ist also eine strategische.

Und dann: Macht man ein recht verkniffenes Gesicht auf dem Selfie, weil man eine Sache nicht bedacht hat: wohin, wenn es pressiert? Oder verpasst den Süßesten aller Eisbachsurfer, weil man mal muss. Kommt man zurück, nach langer Suche und unter Vermeidung eines Malheurs in letzter Sekunde, hat der urbane Wellenreiter zusammengepackt und ist weg. Und all die anderen Wow-Momente: das Servieren extravaganter Drinks, der Sonnenuntergang, das Feuerwerk, der Straßenclown ...

Alles nichts wert mit übervoller Blase. Dem wahren Reiseprofi ist die Toilettendichte der Touristenstädte insofern so wichtig wie ihre Instagramability. Zumal Kurzreisen immer kürzer werden und die Suche nach einem öffentlichen WC schnell mal ein Viertel der Aufenthaltsdauer verschlingt.

Ausnahmsweise seien Online-Reiseportale deshalb einmal gelobt: Gewöhnlich erheben sie ja viele unnütze Daten. Doch wo man am besten austreten kann, weil es genügend WCs gibt in einem hygienisch akzeptablen Zustand und obendrein barrierefrei, weiß man eben doch gern. Topdestination in Deutschland ist demnach Heidelberg, Dresden ist unbedingt Leipzig vorzuziehen. München schneidet ebenfalls gut ab. Aber wahrscheinlich nur in diesem wiesnfreien Jahr.

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Quelle:
SZ vom 01.10.2020
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