Ende der Reise:Verloren in Düsseldorf

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Ist das Kunst oder kann das weg? Dieses Gemälde des Surrealisten Yves Tanguy landete im Müll. Immerhin beim Altpapier. (Foto: Polizei Düsseldorf/dpa)

Wer das Haus verlässt, kann den Koffer im Zug, den Boardingpass auf der Flughafentoilette oder die Kinder an der Autobahnraststätte lassen. Aber es geht noch verrückter.

Von Stefan Fischer

Ein Haus verliert nichts. Mit diesem Spruch trösten sich die Menschen, wenn sie etwas verlegt haben. Es wird schon wieder auftauchen. Auch wenn man sich im Nachhinein nicht immer erklären kann, wie die Ohrringe ins Gemüsefach des Kühlschranks gelangen konnten und einem - jedenfalls in anderen Jahren - die Karten fürs Neujahrskonzert nichts mehr nützen, wenn sie an Dreikönig wieder aus der Dreckwäsche auftauchen.

Aber wehe, der Mensch verlässt sein Zuhause: Dann geht alles verloren, oft unwiederbringlich. Gäbe es die Möglichkeit, würde manch einer Regenschirme abonnieren, so oft, wie er einen stehenlässt in der Bahn oder beim Arzt oder im Gasthaus. Hüte und Handschuhe bleiben allenthalben liegen, und auf den Trottoirs finden sich inzwischen mehr Mund-Nasen-Masken als ausgetretene Zigarettenkippen und Hundstrümmerl zusammen.

Noch ärger wird es, wenn der Mensch nicht bloß vor die Türe tritt, sondern tatsächlich auf Reisen geht. Dann ist er nicht selten so vorfreudig, dass er an nichts anderes mehr denken kann als ans Meer und den ersten Sundowner in der Strandbar oder aber die erste Abfahrt durch den Tiefschnee. Darüber vergisst er dann wahlweise den Koffer im Zug, den Boardingpass auf der Flughafentoilette oder die mitreisenden Kinder an der Autobahnraststätte.

Verluste dieser Art fallen in der Regel schnell auf, weil man entweder nicht an Bord eines Flugzeuges gelassen wird oder es verdächtig still ist im Auto. Nicht exakt überliefert ist hingegen, wann ein Geschäftsmann, der dieser Tage von Düsseldorf nach Tel Aviv unterwegs war, bemerkt hat, dass er mit mehr Gepäck abgereist denn angekommen ist. Vielleicht, als ihn eine Wand im Wohnzimmer merkwürdig kahl angestiert hat.

Der Mann hatte am Flughafen ein Gemälde stehen gelassen. Von Yves Tanguy, einem bekannteren Surrealisten. Wert: mehr als eine Viertelmillion Euro. Ist das Kunst oder kann das weg? Diese gerne als Kulturbanausentum ausgelegte Frage hat sich dem Reinigungspersonal nicht gestellt, das Gemälde war in einen Pappkarton verpackt. Dass es im Papiermüll gelandet ist, war insofern nur folgerichtig.

Was man nun im Nachhinein mit Fug und Recht behaupten kann: Auch ein Flughafen verliert nichts. Das Bild konnte nach einer Suchaktion noch rechtzeitig aus einem Container gefischt werden, ehe es zu Recycling-Papierhandtüchern verarbeitet worden wäre. Zu sehen sind auf dem Gemälde übrigens: ein paar seltsam verlorene Gestalten.

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