Ende der Reise:Knüppel aus dem Sack

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Die Hochsteiermark hat eine Idee, die in Richtung Zukunft der Seuchenprävention weist: den vielfach verwendbaren Wanderstock.

Von Jochen Temsch

In Zeiten von Corona gibt es gute und weniger gute Möglichkeiten, Urlaub zu machen. Zu den besten gehören Aufenthalte auf eigenen Yachten, Privatinseln oder abgelegene Ferienimmobilien. Je kostspieliger diese sind, sprich je weniger Mitmenschen sich den Spaß leisten können, desto besser fürs Social Distancing. In luxuriöser Isolation lassen sich die Hygieneauflagen ideal umsetzen und die Abschottung gegen die Aerosole der Anderen verläuft um einiges angenehmer als in einer Plexiglasbox am Strand von Rimini oder unter der angeblichen Operationssaal-Atmosphäre eines Mallorcafliegers mit voll gequetschten Mittelsitzen. Doch auch wer weniger Budget für seine Sommerfrische einplant, findet passende Angebote.

Gut und billig sind sportliche Aktivitäten an der frischen Luft. Pandemie-Experten raten zu Fahrrad- oder Wanderferien, weil die Urlauber damit etwas für ihre Fitness tun und sich meistens halbwegs vernünftig auf Radlwegen und Trampelpfaden verteilen. Die vergangenen Wochen haben allerdings gezeigt, dass das Abstandsgebot im Freien nicht immer eingehalten wird. Mancherorts ballen sich die Wanderer gewaltig. Am sichersten stehen sie noch in den Stunden der Anfahrt im Stau. Richtig heikel wird es beim Gedrängel an der Gondel, beim Gänsemarsch zum Gipfel oder im Pulk vor der Brotzeithütte.

Doch nun erreicht uns eine Nachricht aus der Hochsteiermark, die selbst führende Virologen aufhorchen lassen sollte. Die Region präsentiert eine klassische Erfindung, die plötzlich weit in die Zukunft der Seuchenprävention weist: den Wanderstock. Alle Übernachtungsgäste, die zwischen Semmering und Eisenerzer Alpen ein Wanderarrangement buchen, erhalten ab sofort einen "Bleib-gesund-Beutel" mit Mund-Nasen-Schutz und Desinfektionsspray von den Gastgebern überreicht sowie einen Stock aus Haselnussholz. Der ist 1,5 Meter lang und damit laut Werbung "perfekt als natürlicher Abstandshalter" geeignet. Damit können die Touristen exakt Maß nehmen, sollte es einmal etwas enger werden. Ein Problem mit zu viel Nähe? Auf einen Schlag gelöst!

Die Methode ist so simpel wie genial. Wie der Einkaufswagen Pflicht ist in vielen Supermärkten, sollte der Knüppel in den Bergen vorgeschrieben werden: als Instrument, mit dem man sich vorantasten kann und persönliche Sicherheitszonen einrichten auf heiklem sozialen Terrain. Der Stecken signalisiert ein hohes Maß an Eigenverantwortung, der Wanderer nimmt damit seine Sicherheit selbst in die Hand.

Der Wanderstock muss jetzt nur noch die Macher in anderen Urlaubsregionen inspirieren. Überall gibt es wichtige touristische Werkzeuge im 1,5-Meter-Mindestmaß, die sich zum Einsatz gegen Corona eignen. Die Strohhalme, mit denen am Ballermann traditionell Rotwein mit Fruchtsaft aus Eimern getrunken wird beispielsweise. Hotel-Regenschirme. Oder die Schwimmnudeln, die in keinem Hotelpool fehlen. Lauter natürliche Abstandshalter, nur nicht ganz so hart.

© SZ vom 10.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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