Ende der Reise:Frische Brise aus China

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Was tun, wenn die Touristen fernbleiben? Da hilft ein Blick über die Grenze, in die geschäftstüchtige Schweiz, die originell um Gäste aus Asien wirbt.

Von Hans Gasser

Der Tourist ist volatil. Mal fährt er hierhin, dann wieder dorthin. Stammkunden, die seit 40 Jahren immer in denselben Ort, sagen wir: St. Moritz reisen, sterben aus. Und die Deutschen, an sich ein urlaubsverliebtes Völkchen, sind besonders wankelmütig. Bei ihnen liegt das jedoch nicht daran, dass sie so viele verschiedene Orte wie möglich auf der Welt sehen möchten, nein. Es liegt am Preis.

Beunruhigende Nachrichten erreichen uns zurzeit aus Mallorca, seit der frühen Steinzeit beliebtestes Urlaubsziel der Deutschen. Während die Insel unter der Last der deutschen Urlauber in den vergangenen Sommern fast zerborsten wäre, schreibt die Mallorca -Zeitung nun von einem Buchungsrückgang von zehn Prozent! Der Grund: Die in den Vorjahren gemiedene Türkei ist wieder so schön, also preislich gesprochen, dass man mal wieder dorthin fährt, Erdoğan hin oder her. Hoteliers von Fünfsternehotels auf der Insel haben schon starke Preisnachlässe angekündigt.

Dabei gäbe es viel lukrativere Strategien. Die Mallorquiner bräuchten nur einmal über das Mittelmeer und die Pyrenäen hinweg in ein gebirgiges Land namens Schweiz zu schauen, um zu sehen, was man der schwindenden Liebe der deutschen Urlauber entgegensetzen könnte. Die Lösung heißt: Asien. Die schlauen Schweizer beackern schon seit Jahren die Märkte in Indien und China, sie servieren den Indern indisches Essen auf den Berghütten und bilden Chinesen zu Skilehrern aus, damit die ihre Landsleute auf Schweizer Pisten unterrichten können. Derlei unvoreingenommener gastgeberischer Geschäftssinn wirkt: Die Chinesen kommen. Und für die Schweizer ist das kein Grund zur Sorge.

Den ganzen Mai über reiste die größte chinesische Reisegruppe, die das Land je gesehen hatte, durch die Schweiz. 12 000 chinesische Mitarbeiter eines US-Konzerns, der mit "Verjüngungsprodukten" Unsummen verdient, durften zur Belohnung für ihre guten Verkaufsleistungen Vierwaldstättersee, Titlis und Rheinfall besuchen. Das sind 72 000 zusätzliche Übernachtungen in einer sonst touristisch flauen Zeit. Chapeau!

Und in St. Moritz hat man Ende Februar eine Pre-Wedding-Party ausgerichtet für eines der reichsten indischen Paare. Dafür wurde eigens eine beheizbare Eventhalle errichtet, in der 850 Gäste Platz fanden, denn die Fünfsternehotels im Ort waren dafür zu klein. Alle indischen Fernsehsender berichteten. Werbewert: unschätzbar. Da kann man nur neidvoll sagen: glückliche Schweizer, denn sie wissen, woher der frische Wind weht: aus dem Osten.

© SZ vom 29.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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