Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Eingeschneit mit Hasselhoff

In den Alpen gab es dieser Tage ganz unverhofft kleine Inseln, umgeben von einem Meer aus Schnee. Was da so alles passiert sein mag.

Von Dominik Prantl

Das Bild von der einsamen Insel ist auch deshalb so reizvoll, weil es eine metaphorische Bedeutung als Rückzugsort besitzt. Im Grunde möchte inzwischen beinahe jeder Ort, der was von sich selbst und Touristen hält, ein möglichst abgeschlossener Raum sein, auf dem man nur sich, seine Liebsten und ein paar kulturelle Errungenschaften von der Herr-der-Ringe-Sonderedition bis zum 15-jährigen und eichenfassgereiften schottischen Single Malt zulässt. Exklusive Lodges inmitten der afrikanischen Savanne funktionieren nach diesem Prinzip; ebenso Chalets, die einen ganz individuellen Alpenurlaub abseits des übrigens Pöbels garantieren. Das hinreichend kritisierte Phänomen, dass sich der Tourist gerne von Einheimischen abschottet, wird damit immer mehr von einer anderen Entwicklung überholt: Der Tourist grenzt sich noch lieber von seinesgleichen ab.

Unter diesem Aspekt ist es ungeheuer interessant, was zuletzt in einigen Orten in den österreichischen, aber auch deutschen Alpen passierte. Völlig unverhofft entwickelten sich diese zu kleinen Inseln, zwar ohne Palmen, Hula-Hula und den ganzen Quatsch, aber umgeben von einem Meer aus Schnee, in dem die Lawinen wie Monsterwellen tobten. Unweigerlich stellt sich die Frage, was schlimmer ist: Wenn man als Gast mit Hotelbuchung, Skipass und 15-jährigem Single Malt im Gepäck nicht auf diese Insel kommt oder wenn man dort festsitzt. Es gab weder ein Rein noch ein Raus; draußen warteten die Sehnsüchtigen, drinnen saßen die Überdrüssigen. Einige saßen sogar mit David Hasselhoff in Saalbach-Hinterglemm fest, was für viele Menschen die Antwort auf die Frage vereinfacht, auf welcher Seite der Straßensperre man sich gerne befunden hätte.

Wer sich aber den sanft alternden Schauspieler mit einer roten Rettungsboje und "Looking for Freedom" trällernd durch den Wellnessbereich tanzend vorstellte, wurde von der Bild-Zeitung jäh eingebremst. Sie porträtierte den Altmeister des eingezogenen Unterleibs nicht nur als Liebhaber von Tiroler Gröstl, sondern im Bademantel auf dem Weg zum Outdoor-Jacuzzi schleichend, dazu überlieferte das Blatt seine Worte: "Der kleine Hoff hat sehr gefroren." Da wünscht man sich doch ganz schnell auf eine kleine, warme Insel und hofft, dass man vom kleinen Hoff, der Bild und einigen Metaphern dieser kalten Welt verschont bleibe.

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Quelle:
SZ vom 17.01.2019
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