Ende der Reise:Die Stars des Tourismus

Typisch Tourismusbranche! Die prahlt zwar gerne damit, wie sehr bei ihr die Zukunft mittels neuer Konzepte und teurer Investitionen im Fokus stehe, lebt aber vor allem von der Vergangenheit. Dafür muss man nicht einmal bis nach Ägypten reisen.

Von Dominik Prantl

Weil die Zeit nicht nur viele Wunden heilt, sondern - Wein- und Whiskykenner wissen das - eine wahrhaft alchemistische Wirkung entfalten kann, braucht es bei gewissen Dingen einfach nur Geduld und ein wenig Glück. Als Blaue Mauritius zum Beispiel gilt es abzuwarten, bis die vielen gleichen Schwestern in großer Zahl verlustig gehen; schon legen Sammler einen fünfstelligen EuroBetrag für den Papierschnipsel auf den Tisch. Der Wert eines unscheinbaren Fließbandautos in ehemals bayerischbischöflichem Besitz schnellt nach einer Papstkrönung wiederum gerne mal auf knapp 190 000 Euro, und als Grenzgänger der Jungsteinzeit kann es passieren, dass man 5300 Jahre nach einer unachtsamen Passüberquerung als Ötzi zur überregionalen Attraktion in einem Südtiroler Museum reift.

Der Ötzi ist übrigens auch so ein typisches Beispiel der Tourismusbranche. Die prahlt zwar gerne damit, wie sehr bei ihr die Zukunft mittels teurer Konzepte und Investitionen im Fokus stünde, lebt aber vor allem von der Vergangenheit. Dafür muss man gar nicht einmal nach Rom oder Ägypten blicken, wo die sklavische Arbeit an pyramidengroßen Steinhaufen und kolossalen Arenen erst Jahrtausende später dank der Touristenscharen Rendite abwirft. Es reicht zum Beispiel schon ein Ausflug in die Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal. Deren wunderbare Weinterrassen sind über die Jahrhunderte gewachsen, wurden garniert mit Schlössern, die wohl in weiser Antizipation des omnipräsenten Fußballwahns Kaiser Franz und Burg Klopp heißen oder auch einfach nur Katz und Maus. Die Burg Katz hat vor fast 30 Jahren sogar der japanische Unternehmer Satoshi Kosugi gekauft; sie war groß in den Medien, weil der neue Besitzer ein Luxushotel daraus machen wollte, wahrscheinlich die übliche Melange aus Mittelalter und Technik. Samurai-Schwert und Sony gewissermaßen. Der Spiegel grub damals sogar einen Handwerksmeister aus, der heute wahrscheinlich AfD wählen würde, und zitierte ihn mit den Worten: "Wartet ab, der baut da oben noch Pagoden hin."

Nichts ist draus geworden. Kein Hotel, keine Pagoden, weshalb sich unter anderem die Frage stellt, was eigentlich vom Tourismus der Gegenwart bleibt, wenn die Zeit ihre Wirkung entfaltet. Werden sich die Kreuzfahrtschiffe in Nostalgiegondeln verwandeln, der Berliner Flughafen in den Circus Maximus der großen Versagens-Ära und die gläsernen Hotelbauten in die pyramidenhaften Stars einer Epoche der ungehemmten Reiselust? Oder sind sie doch nur Sternschnuppen am Firmament einer Branche, die es sich derzeit viel zu gut zwischen Tradition und Moderne eingerichtet hat?

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