Ende der Reise:Die längste Rutsche

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Die Welt ist voller Superlative. Besonders im Tourismus scheint man sich ständig mit neuen Rekorden übertrumpfen zu wollen. Ras al Khaimah, das kleinste Emirat, setzt nun dem großen Bruder Dubai was entgegen: eine Seilrutsche für adrenalinsüchtige Touristen.

Von Hans Gasser

Es irrt der Mensch, solang er strebt - und er strebt immer länger. Und größer. Und höher. Besonders im Tourismus, von dem es übrigens heute so viel gibt wie noch nie in der Geschichte, wartet er stets mit neuen Superlativen auf. Da werben Skigebiete mit den meisten Pistenkilometern, sagen wir 320, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wer denn die abfahren soll an den ein, zwei, drei Tagen, die so ein Kurzurlaub dauert. Schließlich muss man ja auch noch in den höchstgelegenen Weinkeller auf 3000 Meter in der Bergstation und dann in die Bar mit den 500 Ginsorten. Die kann man auch nicht alle kosten, aber gut, dass es sie gibt.

Das Gebirge fördert ja das Denken in Rekorden schon qua Relief, gibt es doch hier hohe, höhere und höchste Berge. Da die alle schon erstbestiegen sind, mal mit, mal ohne Sauerstoff im Hirn, muss man sich was Neues einfallen lassen. Also baut man etwa an der Zugspitze die Pendelbahn mit der weltweit höchsten Stütze (127 Meter) und dem längsten frei hängenden Kabel (3123 Meter), das natürlich auf Deutschlands höchsten Punkt führt ("Top of Germany").

Aber wer bei Bergen und langen Kabeln immer nur an die Alpen oder die Rocky Mountains denkt, der hat die Rechnung ohne die Vereinigten Arabischen Emirate gemacht. Deren kleinstes, Ras al Khaimah, hat nun sich und vor allem seinen Touristen die längste Zipline der Welt geschenkt. Das ist eine Drahtseilrutsche von 2,8 Kilometern Länge, an der man jeweils zwei Menschen so befestigen kann, dass sie wie etwas unförmige Jagdfalken über eine steinige Schlucht zischen, mit bis zu 150 Kilometern pro Stunde. Das Drahtseil ist - natürlich - am höchsten Berg der Emirate verankert, dem Dschebel Dschais, dessen Gipfel 1934 Meter über dem Persischen Golf aufragt.

Der große Bruder Dubai mag das höchste Gebäude der Welt und eine Skihalle haben, aber auf dem Dschebel fällt auch mal echter Schnee. Man wolle mit der Zipline das Image des Emirats als Badedestination anreichern, sagen die staatlichen Tourismusmacher, wolle die Gäste aus ihren Strandhotels ins Gebirge holen. Ob Adrenalin dafür das richtige Lockmittel ist, wird sich zeigen.

Im allgemeinen Wettrüsten fallen jene natürlich besonders auf, die sich dem entziehen. So gab der französische Koch Sébastien Bras jüngst freiwillig seine drei Michelinsterne zurück, das sei ihm alles zu stressig. Und das Villgratental im gebirgigen Osttirol warb vor einigen Jahren mit dem Slogan: "Kommen Sie zu uns. Wir haben nichts."

© SZ vom 08.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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