Ende der Reise:Die größte Tugend des Urlaubers

Das Internet nimmt einem heute alles Unvorhersehbare auf Reisen ab. Das letzte Abenteuer ist das Warten.

Von Hans Gasser

Reisen ist eine Kunst, heißt es. Aber worin besteht sie eigentlich? Möglichst alles schon vorher so durchzuplanen, dass man nicht nur die Matratzenqualität im Hostel, sondern auch den Blick aus den Restaurants der Umgebung sowie die Vita des Chefkochs kennt, bevor man überhaupt seinen Koffer gepackt hat? Dank Google Earth, Facebook und Trip Advisor ist das alles möglich. Bloß nichts dem Zufall überlassen! Am Ende wird man noch positiv überrascht. Nein, die wahre Kunst des Reisens liegt im Warten.

Denn manche Dinge lassen sich nicht planen, auch wenn sie vorhersehbar sind. Der Wintereinbruch zum Beispiel. Regelmäßig überrascht er die städtischen Verkehrsbetriebe zwischen Paris und Berlin, auch wenn der Winter mitten im Winter einbricht. England erlebt gerade einen der nassesten Winter seit Langem. Umso erstaunlicher ist es, dass nun Zugreisende in London ausgerechnet von der Sonne ihrer Zeit beraubt werden. Die Züge nach Lewisham seien stark verspätet, twitterte der Bahnbetreiber, "weil die tief stehende Sonne in einem solchen Winkel auf die Monitore traf, dass die Fahrer nichts mehr sehen konnten". Sonne ist zurzeit in London tatsächlich ein überraschender Wettereinbruch, weshalb man der Bahn da keine Vorwürfe machen darf.

Anders sieht es bei Eurowings aus, der Günstig-Flugtochter von Lufthansa. Urlauber, die aus Kuba heimfliegen wollten, mussten 68 Stunden auf ihren Rückflug warten, was als Verspätung sicherlich einen Guinness-Eintrag verdient. Der Grund war zunächst ein "ungewöhnlicher Geruch" im Flugzeug, weshalb dieses nicht starten durfte. Die Ersatzmaschine kam nach einigen Stunden aus Madrid. Allerdings ging es dann auch nicht weiter. Denn die Crew musste vorschriftsmäßig in Havanna ihre zwölf Stunden Pause einlegen. Die Passagiere kamen in Hotels, die manche als "Zumutung" bezeichneten. Knappe drei Tage später war man dann aber auch schon in Köln/Bonn, wo ein Vertreter von Eurowings wartete und sich entschuldigte. Laut EU-Fluggastverordnung steht jedem Passagier eine Entschädigung von 600 Euro zu. Was wieder zeigt: Wer wartet, kann auch gewinnen.

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