Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Der neue Fehltritt: Urlaub in Italien

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Wer hätte gedacht, dass ein Aufenthalt in Italien zum Verlust des Jobs führen kann? So geschehen in Irland.

Von Hans Gasser

Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen. Das macht ihn ja auch irgendwie sympathisch. Mal hier was sagen und dort was anderes tun, mal gegen den Klimawandel demonstrieren und dann halt auch mal ein bisschen nach Australien fliegen - man kann das verstehen. Das Leben ist kurz und entbehrungsreich, da ist es nicht leicht, immer päpstlicher als der Papst zu sein. Wobei der aktuelle Papst ja auch hie und da allein ein Eis schlecken geht in der Ewigen Stadt, er ist halt auch nur ein Mensch, und wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein...

Das dachte sich wohl auch ein Mann namens Michael Cawley. Er musste jetzt seinen gut bezahlten Job aufgeben, weil, ja, weil er: Urlaub in Italien gemacht hat. Cawley ist - beziehungsweise war - der Chef von Fáilte Ireland und somit der oberste Werber für Urlaub auf der grünen Insel. Steile Klippen, grasende Schafe, der Atlantik - es ist ja auch ein schönes Land. Dennoch kann man verstehen, wenn einer, der ständig auf der regenreichen Insel sitzt, sich auch gerne mal ein paar Tage zuverlässig 30 Grad Hitze und ein warmes Meer gönnen möchte.

Aber nein! Der darf das nicht. Zwar ist Italien eines von zehn Ländern, die die grüne Insel auf eine grüne Liste gesetzt hat: Reisende von dort müssen nicht in Quarantäne. Dennoch gilt seit Februar die offizielle Empfehlung, dass Iren nicht notwendige Reisen ins Ausland unterlassen und stattdessen die gebeutelte, heimische Tourismusindustrie unterstützen sollen. Fáilte Ireland hat sogar ein Extrabudget aus Steuergeld bekommen, um Einheimische zum Urlaub at home zu animieren.

Zum Glück sind die Deutschen, sonst für ihre widerspruchslose Geradlinigkeit bekannt, aber nicht unbedingt geliebt (zumindest in Italien), diesmal nicht so streng. Die Kanzlerin, ja, sie fährt dieses Jahr nicht zum Wandern nach Sulden. Aber Präsident Frank-Walter Steinmeier und Heiko "globale Reisewarnung" Maas ließen es sich dann doch im schönen Südtirol (= Italien) ein bisschen gut gehen in den letzten Wochen. Es sei ihnen nach all dem Corona-Stress ja auch herzlichst gegönnt. Und wo kämen wir hin, wenn plötzlich alle nur noch Urlaub im eigenen Land machten? Übervoll ist es ja an Ost- und Chiemsee ohnehin schon, da ist ein Ausflug nach Italien (mit nur halb so viel Neuinfektionen wie Deutschland) eine fast schon patriotische Maßnahme.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2020
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