Süddeutsche Zeitung

Ende der Reise:Bordessen mit Bodenhaftung

Erfinderisch muss man sein: Weil Fluggesellschaften ihre Flugzeuge kaum noch auslasten können, werden sie nun zum Spazierenfliegen oder als Restaurant genutzt. Die Frage ist: Chicken or Beef?

Von Stefan Fischer

Wer nicht zum exklusiven Kreis der First-Class-Passagiere zählt, denkt bei aeronautischen Höhenflügen nicht zwangsläufig auch an kulinarische. Als es an Bord von Flugzeugen noch etwas zu essen gab, war die Auswahl in der Regel beschränkt auf: "Chicken or beef?", wobei das eine so fad schmeckte wie das andere. Auch die Wahlmöglichkeit "Red wine? White wine?" hatte keine nennenswerten Auswirkungen auf die Geschmacksknospen. Später reduzierte sich das Angebot ohnehin auf "Kaffee oder Tee?" sowie "Salzig oder süß?", auf Chips oder Schokoladenkekse also. Was nicht einmal Vegetarier getröstet haben dürfte.

Die Konzentration aufs Kerngeschäft, das Fliegen, ist nun jedoch hinfällig, da kaum noch ein Passagier in eine Maschine einsteigen mag. Denn: Wo in aller Welt sollte er aussteigen? Singapore Airlines hat daraufhin versucht, das Fliegen zum Selbstzweck zu erklären, und Rundflüge über dem Stadtstaat angeboten. Dafür haben sich allerdings nur Umweltschützer interessiert, sodass die Fluggesellschaft sich rasch wieder um Bodenhaftung bemühte.

Stattdessen lassen die - anzunehmen ist: sehr verzweifelten - Verantwortlichen nun das alte Kochgeschirr wieder hervorkramen. Eine der ohnehin unglückseligen A 380-Maschinen dient bis auf Weiteres als Restaurant. Ob die alte Ständeordnung zwischen Economy-, Business- und First Class nach wie vor gilt und hier Plastikbesteck und dort Tafelsilber aufgedeckt wird, ob hier Fast Food und dort Austern serviert werden, ob es einen Unterschied gibt zwischen der oberen und unteren Etage, ist nicht gesichert. Aber doch sehr wahrscheinlich. Gelernt ist gelernt.

Was alle künftigen Gäste eint: Sie sehen einander nicht gerne in die Augen. Schulter an Schulter speisen sie nebeneinander, die graue Rückenlehne des Vordersitzes im Blick. Der eine Beef, der andere Chicken. Fast wie früher.

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Quelle:
SZ vom 08.10.2020
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