Süddeutsche Zeitung

Eiszeit an Flughäfen:Winter ist nicht höhere Gewalt

Es schneit und schneit und die Flugreise dauert länger als gedacht. Wer sich nicht von Airlines vorschnell abspeisen lässt, kann kassieren.

Eis, Schnee und Wind machen den Flughäfen derzeit nicht nur in Deutschland zu schaffen. Die Flugzeuge müssen enteist werden - und dies dauerte etwa am Airport Frankfurt länger als zugesagt. Die Folge waren Hunderte Flugausfälle und stundenlange Verspätungen.

Das müssen Passagiere jedoch nicht klaglos hinnehmen, zumindest nicht ohne einen Ausgleich: Rechtsanwalt Paul Degott aus Hannover rät, sich nicht vorschnell von den Fluggesellschaften mit dem Hinweis auf höhere Gewalt abspeisen zu lassen. Den Beweis, dass ein Flug wegen höherer Gewalt verspätet oder annulliert ist, müsse die Fluggesellschaft erbringen. Zwar ist dies laut Degott zum Beispiel bei einem Schneesturm tatsächlich der Fall, die Fluggesellschaft ist dann von Entschädigungen befreit. "Aber es stellt sich die Frage, wie der Flughafen mit dem Wintereinbruch umgeht." Also ob genug Flugzeuge als Ersatz bereitstehen, die Maschinen enteist sind und die Landebahn geräumt ist.

An den beiden größten Flughäfen in Frankfurt und München fiel bis zum frühen Mittwoch Nachmittag je etwa ein Zehntel der geplanten Flüge aus. In Frankfurt wurden etwa 120 Flüge gestrichen. Grund dafür sei auch der Wintereinbruch in anderen Teilen Europas, durch den zahlreiche Flughäfen gesperrt seien, sagte eine Sprecherin. Die Maschinen könnten dort gar nicht erst starten. Zudem ist die Startbahn West seit den Morgenstunden wegen Winds gesperrt. Dadurch gebe es aber keine nennenswerten Einschränkungen. In München, wo es seit Mittag heftig schneit, fielen etwa hundert Starts und Landungen aus. Eine der beiden Start- und Landebahnen müsse immer wieder gesperrt werden, der Winterdienst sei im Einsatz, erklärte ein Sprecher.

Wegen heftiger Schneefälle und glatter Landebahnen sind in den vergangenen Tagen Hunderte Flüge auf deutschen Flughäfen gestrichen worden. Am Flughafen Frankfurt mussten Reisende am Dienstag in Feldbetten übernachten. Für solche Unannehmlichkeiten haben Kunden im Normalfall Anspruch auf pauschale Ausgleichszahlungen, die nach der Länge der Strecke gestaffelt sind.

Der Wert des Wartens

Für Flüge über weniger als 1500 Kilometer gibt es 250 Euro, bei 1500 bis 3500 Kilometern Flugstrecke werden 400 Euro und bei mehr als 3500 Kilometern 600 Euro fällig. Der Flugpreis spielt dabei keine Rolle.

Entscheidend ist, dass sich Abflug und Ankunft um mehr als drei Stunden verzögert haben - oder der Flug sogar annulliert wurde. Kann die Airline aber höhere Gewalt als Grund für Ausfälle nachweisen, haben Passagiere zunächst nur Anspruch auf Betreuungsleistungen, wie Petra von Rhein von der Verbraucherzentrale Bayern erklärt. Ab zwei Stunden Verspätung muss die Fluggesellschaft sie mit Mahlzeiten und Getränken versorgen.

Können Reisende erst am nächsten Tag fliegen, müssen sie kostenlos im Hotel untergebracht und dorthin gefahren werden. Außerdem müssen sich Airlines um eine Beförderung, etwa per Bus, kümmern. Ab einer Verspätung von fünf Stunden können Kunden vom Flug zurücktreten, dann erhalten sie den vollen Flugpreis zurück.

Schlechte Karten für Bahnfahrer

Schlechter dran sind Bahnkunden. Bei Fällen höherer Gewalt wie einem Schneesturm "bekommen Fahrgäste gar nichts", sagt Petra von Rhein. Ist die Bahn für die Verspätung verantwortlich, zum Beispiel weil die Züge ungenügend gewartet sind, können Kunden einen prozentualen Anteil des Fahrpreises zurückfordern. Kommt der Zug mindestens eine Stunde zu spät, erhalten sie 25 Prozent des Fahrpreises, ab zwei Stunden 50 Prozent.

Schadenersatz zu fordern - zum Beispiel wenn wegen einer Verspätung ein Termin platzt und so ein Auftrag entgeht, dürfte laut Degott schwierig werden. "Dann müssen Sie jede Schadensposition konkret beweisen können - und dass der Termin nicht zu wiederholen war", erklärt der Reiserechts-Experte. Flugpassagiere sollten sich bei Verspätungen an ihre Fluggesellschaft wenden.

Bahnreisende erhalten die Antragsformulare für die Erstattung oft bereits im Zug oder am Zielbahnhof. Erhältlich sind sie auch beim Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt (Tel.: 01805/20 21 78 für 14 Cent/Minute aus dem Festnetz, www.fahrgastrechte.info). Bei einer erfolglosen Beschwerde können sich Reisende an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr wenden.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1030794
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
dpa/tmn/Reuters/kaeb
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.