Eintrittsgeld für Touristen:Geld her oder Augen zu!

Touristen auf Manda Island in Lamu, Kenia

Touristen stehen Schlange. Was, wenn sie das künftig auch auf dem Berliner Alexanderplatz oder in der Münchner Maximilianstraße tun? Weil sie dort Eintritt zahlen müssen?

(Foto: Reuters)

Mit vier Euro Eintrittsgeld sollen Urlauber einen Küstenort in Vietnam vor dem Verfall retten. Eigentlich gar keine schlechte Idee. Vielleicht sollten auch deutsche Städte über eine Art Sightseeing-Taxe nachdenken.

Von Friederike Ostermeyer

Man stelle sich vor, jemand bummelt nichts ahnend über den Berliner Alexanderplatz, überlegt, sich vielleicht eine Currywurst zu gönnen. Plötzlich wird er von einem Einheimischen unwirsch von der Seite angesprochen: "Ick hätt jetzt ma janz jerne die sechs Euro Eintritt füa Bärlin." Wie, bitte? Übersetzt bedeutet das ungefähr: "Guten Tag, zur Erhaltung der historischen Gebäude erhebt die Stadt Berlin für Touristen ein Eintrittsgeld von sechs Euro. Das Ticket können Sie bei mir käuflich erwerben."

Derartiges geschieht momentan in Hoi An, einem reizvollen Küstenstädtchen in Zentralvietnam. Der 500 Jahre alte Stadtkern, der zum Unesco-Welterbe gehört, droht nämlich zu verfallen. Und so musste sich das Volkskomitee von Hoi An etwas einfallen lassen: umgerechnet rund vier Euro Eintrittsgeld. Da Ticketschalter erst im Aufbau sind, wird bedingt qualifiziertes Personal durch die Innenstadt geschickt, um schwarzbummelnde Besucher zu stellen und abzukassieren. Ausländische Gäste zeigten sich empört, weil sie das Vietnamesisch der Kartenverkäufer nur schwer verstehen, vielleicht auch nicht verstehen wollen. "Ich wollte über die Brücke in die Stadt gehen, da rannte mir ein Mann hinterher und schrie: Ticket kaufen!" klagt ein ehemaliger Vietnam-Fan auf Twitter.

Warum nicht eine Stempelkarte? Jeder zehnte Besuch ist gratis

Dabei hat das neue Bezahlmodell unschätzbaren interkulturellen Wert. Die Gäste kommen mit Einheimischen ins Gespräch, lernen, wenn sie aufmerksam zuhören, was "Das kostet vier Euro" auf Vietnamesisch heißt (wer weiß, wozu man das noch mal gebrauchen kann) und dürfen sich bei ihrem nächsten Besuch über herausgeputzte Fassaden freuen. Für Stammgäste könnte auch eine hübsch gestaltete Stempelkarte eingeführt werden: Der zehnte Stadtbummel ist gratis. Das ist marketingtechnisch auf dem neusten Stand und so eine vollgestempelte Karte kann man auch stolz zu Hause vorzeigen.

Andere Städte sollten sich ein Beispiel an Hoi An nehmen. Warum nicht Eintritt für den Berliner Alexanderplatz bezahlen - selbstverständlich für den Erhalt seiner Hässlichkeit. Warum nicht eine Bummel-Taxe für die Münchner Maximiliansstraße oder eine Fleetengebühr für Hamburgs Speicherstadt einführen? Das schüfe Arbeitsplätze, sorgte für glänzende Fassaden und Touristen-Hot-Spots würden zu Orten der Begegnung und des Austauschs mit Einheimischen. Zusätzlich könnte man etwa in der finanziell klammen deutschen Hauptstadt gegen einen kleinen Aufpreis auf das Eintrittsgeld noch T-Shirts abgeben mit der Aufschrift: "Berlin ist reich. Ich bin schuld."

Diese Glosse stammt aus der Rubrik "Ende der Reise", die jeden Donnerstag in der SZ Reise erscheint.

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