Einreise in die USA:Der gläserne Passagier

Angeblich sollen es weniger Daten sein. Doch dank ein paar Tricks werden Passagiere durch das neue Fluggastdaten-Abkommen zwischen EU und den USA genauso ausgeforscht wie bisher. Nur noch ein bisschen länger.

Hans Gasser

Angenommen, man fliegt von Frankfurt nach New York, für zehn Tage, zur Stadtbesichtigung. Angenommen, man heißt nicht Müller oder Schmidt, sondern Vatankhah und ist zufällig in Teheran geboren. Weiter angenommen, man bezahlt den Flug mit Kreditkarte von seinem Konto, auf das vor kurzem ein größeres Honorar eingegangen ist für eine freiberufliche Tätigkeit.

Fingerabdruck, ddp
(Foto: Foto: ddp)

Wenn man dann noch im Flugzeug statt Schwein lieber Fisch nimmt, dann kann es gut sein, dass man auf dem JFK-Flughafen erst einmal in einer kleinen Kammer von Beamten ein paar Stunden befragt wird.

Und wenn man dann nicht besonders kooperativ ist, weil man nicht einsieht, warum dafür ein paar Stunden des Urlaubs geopfert werden sollten, können daraus auch schnell mal zwei, drei Tage werden. Und man könnte zum Rückflug gezwungen weden, ohne je die Freiheitsstatue zu Gesicht bekommen zu haben.

Ende Juni haben sich die EU in Gestalt des deutschen Innenministers Wolfgang Schäuble und der amerikanische Heimatschutzminister Michael Chertoff auf ein sogenanntes Fluggastdaten-Abkommen geeinigt. Sie haben sich herzlich die Hände geschüttelt, breit gelächelt und es als große und gute Einigung gepriesen.

Statt 34 Daten, wie bisher, würden nur noch 19 Daten bei der Buchung eines Fluges in die USA erhoben und an die US-Behörden weitergeleitet, hieß es. Dafür würden die Daten halt ein bisschen länger gespeichert. Statt 3,5 Jahre, wie bisher, nun sieben Jahre.

Beides ist falsch, wie sich bei genauerem Hinsehen zeigt.

Tatsächlich wurden die Datensätze nur zusammengefasst. So firmieren etwa Postadresse, Rechnungsadresse, E-Mailadresse und Telefonnummer nunmehr unter dem Punkt "Kontaktdaten". Auch andere Angaben werden zusammengefasst, sodass am Ende nur noch 19 Punkte übrigbleiben. "Der Datenumfang ist nicht geringer geworden", sagt Peter Schaar, Bundesbeauftragter für den Datenschutz.

Auch sogenannte sensible Daten, die auf Religionszugehörigkeit, Arbeitgeber oder politische Einstellung schließen lassen, müssen weiterhin an die US-Heimatschutzbehörde übermittelt werden. Die verpflichtet sich in dem nun geschlossenen Abkommen, sie "im Regelfall nicht zu verwenden".

Falls die Heimatschützer aber zum Schluss kommen, es liege eine ernste Bedrohung vor, kann davon Gebrauch gemacht werden, inklusive Weiterleitung an FBI oder Geheimdienste. Auch bei der Zeit der Datenspeicherung hat man getrickst. Sieben Jahre statt 3,5 Jahre dürften die Daten nun gespeichert werden, hieß es. Aber weitere acht Jahre "ruhen" sie, das heißt, sie werden nicht gelöscht und dürfen bei besonderem Verdacht verwendet werden.

Der gläserne Passagier

So entstünden große allgemeine Datenpools, kritisiert Peter Schaar, man lege Daten auf Vorrat an, und was damit geschehe, darüber habe der europäische Fluggast keine Kontrolle.

Die europäischen Datenschützer wurden auf amerikanischen Wunsch in die Kontrollteams nicht eingebunden, stattdessen sind da nur Leute von der Europäischen Kommission aus den Ressorts Justiz und Inneres - diejenigen also, die ohnehin auch in Europa immer mehr Daten sammeln wollen, um die Bürger stärker zu überwachen.

Von Seiten der Wirtschaft würden immer wieder Bedenken an ihn herangetragen, sagt der Datenschützer. Geschäftsleute hätten Angst, man könne mittels Flugdaten und Kreditkartennummer ihre Bewegungen und Einkäufe in den USA verfolgen und so Rückschlüsse auf ihre geschäftlichen Pläne ziehen.

Keine großen Änderungen für die Fluglinien

Für die Fluglinien ändert sich durch das neue Abkommen, das im August in Kraft tritt, vorerst nicht viel. Bis dato hatte die amerikanische Heimatschutzbehörde direkten Zugriff auf die Buchungscomputer der Fluglinien. Sie konnte sich also alle Daten selbst herausziehen.

Von Anfang 2008 an sollen die Daten mit einer speziellen Software von den Fluggesellschaften selbst übermittelt werden. Bis es aber so weit ist, haben die Amerikaner weiterhin vollen Zugriff, und falls eine Fluglinie die Umstellung bis Januar nicht hinbekommt, bleibt alles vorerst beim Alten.

Man wisse noch nicht, ob man bis dahin die Umstellung schafft, heißt es bei Lufthansa. Sobald es so weit ist, würden die relevanten Daten 72 Stunden vor dem Flug übermittelt, dann aber immer wieder aktualisiert. Dadurch, moniert Schaar, würden die Amerikaner selbst dann informiert, wenn jemand nicht abfliegt oder sein Ticket am Flughafen kauft. Die Lufthansa, die wöchentlich 238 Flüge in die USA anbietet, informiert ihre Kunden über diese erzwungene Abgabe der sogenannten PNR-Daten nur mit einem kurzen Hinweis in den allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Ob es nun an den verschärften Einreisebedingungen liegt, an Terrorangst oder Antiamerikanismus, die Zahl ausländischer Touristen in den USA ist von 26 Millionen im Jahr 2000 auf 21,7 Millionen im Jahr 2006 zurückgegangen. Aus Deutschland reisten im vergangenen Jahr etwa 1,4 Millionen Menschen in die Staaten, 1999 waren es noch zwei Millionen gewesen.

"Die Amerikaner tun sich und den Touristen damit keinen Gefallen", sagt Klaus Laepple, Präsident des deutschen Reiseverbandes (DRV). Und der Chef des amerikanischen Tourismusverbandes (TIA) Roger Dow führte das Ausbleiben vieler ausländischer Touristen direkt auf die verschärften Einreisebestimmungen zurück. Dennoch verzeichnete die amerikanische Tourismuswirtschaft 2006 ein Rekordjahr mit Einnahmen von umgerechnet 885Miliarden Euro. Der Grund: Die Amerikaner reisten am liebsten innerhalb der Grenzen des eigenen Landes.

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