Ecuador:Ein Land unter dem Panamahut

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Ein US-Präsident und ein historischer Irrtum: Wo die feine weiße Kopfbedeckung wirklich herkommt.

Mit der Machete in der Rechten stapft Cesar Alonza durch die grün wuchernde Dorfplantage oberhalb von Las Pampas. Vor einer eher unscheinbaren Fächerpalme macht er Halt, säbelt mit raschen Hieben mehrere junge Triebe ab und kürzt sie auf einen Meter Länge. "Für einen Hut benötigt man zwölf dieser Sprösslinge", sagt Cesar und klemmt sich die Stängel unter den Arm.

Die Toquilla-Palme wächst nur an der Westküste Ecuadors, und ihr Anbau hat in den Dörfern rund um das Städtchen Montechristi Tradition. Aus den Fasern dieser Palme werden seit mehr als 300 Jahren Panamahüte geflochten.

Trotz ihres Namens: Panamahüte kommen aus Ecuador. Allerdings trugen Arbeiter, denen einst auf den Baustellen des Panamakanals die Tropensonne auf den Schädel brannte, die luftig leichten Strohhüte.

Zudem diente Panama früher als Drehscheibe für den Handel zwischen Südamerika und den USA, so dass man glaubte, die Kopfbedeckung stamme aus Panama.

Als US-Präsident Theodore Roosevelt im Jahr 1906 bei einer Baustellenbesichtigung am Panamakanal einen dieser leichten Hüte trug, wurde das Foto rund um den Globus gedruckt - und Roosevelts "Panamahut" eroberte die Köpfe der Welt.

Flechten in Heimarbeit

Die besten Panamahüte kommen aus Montechristi, einer Stadt rund 200 Kilometer nördlich von Guayaquil. Bauern wie Cesar schaffen die Triebe aus den Bergen ins Dorf. Dort werden die Triebe zunächst mit einem spitzen Metallstift geteilt und aufgefächert. Dann werden die Fasern wie Spaghetti gekocht und auf Leinen zum Trocknen aufgehängt.

Dabei rollen sich die hauchdünnen Fasern zu Strohfäden zusammen. Das eigentliche Flechten geschieht meist in Heimarbeit. Je feiner Fasern und Flechtung, desto teurer wird der Hut später sein. An einem Exemplar mittlerer Qualität arbeitet eine Indiofrau etwa zwei Tage. Einen "Superfino", einen Hut der allerfeinsten Güte, herzustellen, dauert dagegen Hunderte von Stunden.

Cesars Frau Jolanda schafft etwa zwölf Hüte im Jahr. Pro "Superfino" kassiert die Familie 50 US-Dollar (etwa 39 Euro). "Das Hutflechten ist nur ein Nebenerwerb", sagt Cesar.

Heute könne niemand im Dorf allein vom Flechten leben. Professionelle Aufkäufer grasen die Dörfer im Südwesten Ecuadors ab und liefern die halbfertigen Hüte mit hohem Profit an Manufakturen in Montechristi und Cuenca. Dort werden die halbfertigen Hüte gebleicht, gedämpft, in Form gepresst und mit Hutbändern versehen.

Vorher wird aus den lang überstehenden Strohfäden die Hutkrempe zu Ende geflochten. Der Preis für einen "Superfino" beträgt jetzt etwa 500 Dollar (393 Euro). In Cuenca können mehrere Manufakturen besichtigt werden, etwa "La Casa del Sombrero" im Stadtteil El Vedo und die Fabrik von Homero Ortega in der Nähe des Busterminals.

Cuenca liegt in einem Anden-Hochtal auf 2600 Meter Höhe. Die Altstadt mit ihren Kirchen, Klöstern und Kolonialbauten zählt zum Unesco-Weltkulturerbe. Cuenca ist zugleich das Tor, das den von Touristen noch wenig entdeckten Süden Ecuadors erschließt. In etwa vier Stunden gelangt man per Bus oder Auto nach Loja. Von dort sind es noch 40 Kilometer bis Vilcabamba im "Tal der Hundertjährigen".

Mildes Klima, gute Ernährung, kein Stress

Viele Forscher und Mediziner aus Europa und den USA waren schon in Vilcabamba, um herauszukriegen, warum hier auffällig viele Menschen überdurchschnittlich alt werden. Auch soll bis heute in dem Ort mit 5000 Einwohnern auf 1600 Meter Höhe kein einziger Bewohner an einem Herzinfarkt gestorben sein.

Esoteriker führen gerne besondere Energieströme ins Feld der Erklärungen, seriöse Studien nennen als Gründe das ganzjährig exzellente Klima mit Temperaturen um 20 Grad, eine ausgewogene und fleischarme Ernährung, saubere Luft, gutes Trinkwasser mit optimaler Zusammensetzung sowie wenig Stress.

Und was glauben die Alten in Vilcabamba selbst, woran es liegen könnte, dass es hier so viele 90-Jährige oder Ältere gibt? "Es ist die Freude. Ich hatte viel Freude mit der Familie", antwortet die 101-jährige Lucila Guerrera. Auch eine gesunde Ernährung mit "viel Mais, Yucca, Erbsen und Bohnen" spiele eine Rolle. Lucila Guerrera muss es wissen, denn einen Mediziner hat die betagte Señora in ihrem langen Leben noch nie konsultiert - vom Augenarzt einmal abgesehen.

Urlaub vom Urlaub

Vilcabama ist ideal, um Urlaub vom Urlaub zu machen. Der Ort lockt bisher vor allem Rucksacktouristen und Low-Budget-Reisende, die auf dem Weg von oder nach Peru sind. In Vilcabamba können sie ein paar Tage in schöner Umgebung abhängen, entspannen und Tipps austauschen.

Wenn Cuenca als Hauptstadt des Panamahutes gilt, dann ist Machala die Bananen-Metropole. Die Stadt ist umgeben von einem grünen Meer aus Plantagen, jeden September wird eine Bananenkönigin gewählt. Wen wundert es da noch, dass die Küstenstadt sich sogar offiziell als "Welthauptstadt der Banane" bezeichnet? Über den Hafen Puerto Bolivar werden pro Jahr etwa zwei Millionen Tonnen Bananen in die ganze Welt verfrachtet, fast die ganze Gegend lebt von den krummen Früchten.

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