Eastern & Oriental Express:Hinter der Dufttür

Eine Fahrt mit dem eleganten Zug führt in eine Welt des Luxus und der Bevorzugung - mit dem Eastern & Oriental Express durch Thailand und Malaysia.

Hilmar Klute

Am Bahnhof von Chiang Mai im Norden Thailands liegen zehn Hunde wie vergessene Gepäckstücke herum. Das heißt, Gepäckstücke stehen auch auf dem Bahnsteig, aber diese werden im Gegensatz zu den Hunden demnächst in den dunkelgrünen Eastern & Oriental Express eingeladen, der wie eine robuste schöne Schlange auf seinem Gleis steht.

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An Reisfeldern vorbei geht es auf der Fahrt mit dem dunkelgrün-goldenen Luxuszug.

(Foto: Foto: orient-expressimages.com)

Es gibt nicht viele Menschen, die in Thailand in einen solchen Zug einsteigen können; nur Europäer, Amerikaner, Kanadier und diejenigen unter den Thais, die einen der begehrten Jobs als Zugdiener bekommen haben. Sie tragen dann dunkelrote Uniformen mit einem kleinen Namensschildchen, klopfen mehrmals am Tag gegen die Kabinentür und sagen mit heller, gleichwohl gedämpfter Stimme "Compartment Service pliiis!"

Die Hitze hat alle den ganzen Tag über so fest umarmt wie ein dicker, aufdringlicher Freund. Jetzt wollen die Gäste ihre verbrauchten Baumwollsachen durch frischere Baumwollsachen ersetzen und schauen auf die grünen Tickets, auf denen die Abteilnummern stehen.

Werden alle Gäste gleich duften?

Ja, hier muss es sein, es ist sehr klein, man kann keine zwei Schritte machen, aber es ist eine kühle, elegante Welt, ein winziger Kosmos der Bevorzugung. Im Schrank hängt ein leichter Morgenmantel; auf dem Nachttischchen stehen Obst und Wasser und im Badezimmer findet man in einem kleinen Körbchen erfrischende Essenzen aus dem Hause Bulgari.

Wird von jetzt an wohl von allen Passagieren der gleiche Duft ausgehen? Wird es überhaupt ein großes Festival der Eleganz sein, das demnächst im Speisewagen zelebriert wird, wenn das Dinner kommt? Männer in leichten Sommeranzügen, Damen in bestrassten Abendkleidern, so wie es die kleine Broschüre empfiehlt? Mal sehen.

Lesen Sie weiter, wie der Zug einige Jahre durch Neuseeland fuhr, bevor ein amerikanischer Multimilliardär ihn aufmöbeln ließ.

Hinter der Dufttür

Man ist übrigens nur dann auf der sicheren Seite, wenn man beim Anfahren des Zuges nicht unter der Dusche steht, sondern auf dem kleinen, feinbestickten Bett sitzt, denn der Zug rumpelt wie ein alter Sackkarren, wenn er anfährt, um dann aber sehr bald in einen langmütigen, von leichtem Schaukeln getragenen Drive zu kommen - die Bahn fährt niemals schneller als 60 Stundenkilometer, mehr würde sie vielleicht auch gar nicht packen, ohne in ihre schönen grünen und goldenen Einzelteile auseinander zu fallen.

Die Geschichte des Zuges ist jung

Wobei die edlen Applikationen in Wahrheit nicht älter als fünfzehn Jahre sind, denn die Geschichte des Eastern & Oriental ist relativ jung, und der Zug weniger der Authentizität realer Luxuszüge des eleganten Zeitalters verpflichtet als der Phantasie eines amerikanischen Multimilliardärs.

James Sherwood hat sich vor mehr als dreißig Jahren den japanischen Silver Star zugelegt, ein nicht besonders hübscher Zug übrigens, der ein paar Jahre unspektakulär und glanzlos durch Neuseeland gebrettert war. Sherwood beauftragte einen französischen Dekorateur, das alte Ding aufzumöbeln und sich dabei ästhetisch sowohl am Orient Express und am Shanghai Express zu orientieren. Herausgekommen ist dabei jener dunkelgrün-goldene Zug, der nun regelmäßig die Strecke Bangkok-Singapur bereist und damit die Passagiere durch eine mal ebenfalls dunkelgrüne, mal vor Hitze feucht schimmernde Landschaft fährt.

Weiße Shorts statt eleganter Abendtoilette

Irgendwann macht die Servicestimme eine Durchsage, dass man zum Essen in einen der Speisewagen kommen soll. Die Tür zum Kleiderschrank ist eh gerade aufgesprungen, weil der Zug über einen Buckel gefahren ist, sodass man noch einmal den Sitz der Krawatte überprüfen und dabei die Hoffnung nähren kann, dass man äußerlich nicht allzu sehr abfällt gegenüber den anderen Fahrgästen, deren Vorbereitung zur Abendtoilette ja ähnlichen Schwankungen ausgesetzt sein dürfte.

Dann drückt man die Zierklinke der Duftholztür und steht zunächst im Korridor wie einer, der nicht weiß, wo vorne und hinten ist, aber in seiner Orientierungslosigkeit zu seinem Glück sofort vom Compartment Service erkannt wird.

Mit ausgestreckten Armen tastet man sich durch die Waggons und sieht, wie die Angestellten vorsorglich beiseite huschen, denn der Gast hat immer Vorrang. Und wenn man im Speisewagen angekommen ist, kommen einem die ersten älteren Damen in weißen, allzu engen Shorts entgegen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, was man auf dem Aussichtswaggon trinkt und warum so mancher Elefant möglicherweise keine Bananen mehr mag.

Hinter der Dufttür

Also keine alte Orient-Express-Eleganz heute mehr? Männer sitzen in sehr hässlichen Hemden am Tisch, darf das sein? Andererseits ist das Herummäkeln am schlechten Kleidungsgeschmack der anderen auch nervtötend, also nimmt man es besser als verdientes Laisser-faire der Best-Ager hin. Man muss ja nicht hinsehen, man sollte sich ohnehin auf das Essen konzentrieren, auf die raffinierten kleinen, gelegentlich scharfen thailändischen Gerichte und den Wein, dessen Ausschank den Kellnern Geschicklichkeit abverlangt, weil alles wackelt und bebt.

Lässige Sünder trinken Gin-Tonic und genießen die Aussicht

Es gibt einen Ort in diesem Zug, der einen seltsamen, fast Joseph-Conrad'schen Sog besitzt, weil man hier das Gefühl hat, nur unter dem sehr dürftigen Schutz eines Daches durch die grüne Hölle Thailands zu rauschen: Auf dem Aussichtswaggon mit seinen schönen Holzbänken befindet man sich in Gesellschaft von herrlich lässigen Sündern, die dicke Zigarren rauchen und die Eiswürfel im Gin-Tonic klicken lassen.

Dann schließt man lange die Augen und fragt, ob das Traum war oder Realität in jenem Mandarin Oriental Hotel gestern Nachmittag in Chiang Mai. Haben die dort tatsächlich ehemalige Reisbauern engagiert, die nur noch zum Schein ihre Felder bestellen, einzig zur Schau für die Hotelgäste? Und die Elefanten im seltsam verwunschenen Geschichtspark von Si Satchanalai, stehen die wirklich nur da, um von Touristen mit vorher gekauften Bananen gefüttert zu werden?

Nachts reißt der Zug den Schläfer kurz aus dem Traum - vielleicht weil ein Elefant sich gegen einen Waggon geworfen hat, einer, der einmal etwas Besseres essen möchte als die ewigen Bananen. Als der Reisende morgens behutsam den Vorhang zu Seite schiebt, blickt er zehn Motorradfahrern ins Gesicht, die an einer Schranke stehen und winken.

Bevor die Reisenden von Bord gehen, pappt der Compartment Service jedem einen grünen Orient-Express-Button aufs Revers, damit sich alle wie in einem exklusiven Club fühlen. An einem Morgen kommt der Zug an der River Kwai Brücke an, die britische und neuseeländische Gefangene unter japanischer Herrschaft bauen mussten. Das Boot steht bereit, hier wartet auch schon Hugh Cope, der auf einer Karte den Kriegsverlauf erklärt, aber so, als fände er demnächst statt und wir wären dabei.

Später sind alle auf dem Aussichtsdeck und schauen auf die mittlerweile malayische Landschaft, in der plötzlich kleine Felsformationen auftauchen. Unten stehen die Menschen in ihren Hütten, sie essen, lachen und winken. Auf dem Aussichtswaggon bläst der Raucher seine Wolke in die Welt. Zwei Hunde tauchen aus dem Dunkel auf, laufen noch eine Weile hinter dem Zug her und verschwinden endlich in der Nacht.

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