Durch die Ostwand des Watzmann:Ein Berg von einer Wand

So faszinierend wie beängstigend: Schon der erste Blick auf die mächtige Watzmann-Ostwand sorgt für eine Flut an Eindrücken und Emotionen. Wer diese Wand bezwingen will, braucht Können, Mut und einen ortskundigen Führer. Sonst geht er im Fels verloren.

Stefan Herbke

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Bergsteigen Watzman Ostwand Berchtesgadener Land

Quelle: Stefan Herbke

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Faszinierend, beängstigend, beklemmend - schon der erste Blick auf die mächtige Watzmann-Ostwand sorgt für eine Flut an Eindrücken und Emotionen. Wer diese Wand bezwingen will, braucht Können, Mut und am besten einen ortskundigen Führer. Sonst geht er im Fels verloren.

Allein die Fakten beeindrucken: 1800 Meter hoch, nahezu 2000 Meter breit - und dazwischen ein ganzer Berg an Abbrüchen, Bändern, Rinnen, Schluchten, Eisfeldern, Wänden und Schuttkegeln. Die Watzmann-Ostwand ist eine Herausforderung für jeden Bergsteiger hinsichtlich Kletterei, Orientierung und Kondition. Zwischen Königssee und Gipfel liegen über 2100 Höhenmeter. Die Riesenwand ragt über St. Bartholomä am Königssee auf, dem Ziel Tausender Ausflügler im Sommer. Keine andere Felswand in den Ostalpen erreicht ihre Dimensionen, keine andere ist so legendär - was natürlich auch an den vielen tragischen Geschichten liegt. Seit der Erstdurchsteigung am 6. Juni 1881durch den Einheimischen Johann Grill-Kederbacher und Otto Schück aus Wien forderte die Wand bereits mehr als hundert Todesopfer.

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Der nach dem Erstbesteiger benannte Kederbacher-Weg ist heute noch ein Klassiker, berührt allerdings zwei große Eisfelder, bei denen der Übergang vom Eis zum Fels je nach Verhältnissen sehr schwer oder gar unmöglich ist. Buchstäblich ein "Versehen" war die erste Durchsteigung der Ostwand auf ihrer heutigen Normalroute - dem Berchtesgadener Weg. Die leichteste Kletterroute durch die Ostwand mit Kletterstellen im oberen III. Schwierigkeitsgrad ist ein guter Beleg für die Unübersichtlichkeit der Wand. Eigentlich wollten Josef Aschauer und Hellmuth Schuster die Ostwand am 28.9.1947 auf dem selten begangenen Münchner Weg ohne Routenbeschreibung durchsteigen. Allerdings zweigten sie im großen Schuttkar in der linken Wandhälfte falsch ab und entdeckten so eine von unten verdeckte Rampe, die überraschend einfach zur Gipfelschlucht führt - der Berchtesgadener Weg war gefunden und wird heute vom überwiegenden Teil der Ostwand-Durchsteiger gewählt.

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Die Annäherung an die Riesenwand beginnt Schritt für Schritt. Von St. Bartholomä, wo Watzmann-Aspiranten im Ostwand-Lager nächtigen, führt ein leichter Wanderweg hinauf zur Eiskapelle am Fuß der Felswand. Das riesige Schneefeld schmilzt selbst in den heißesten Sommern nicht ab und wird im Winter durch Lawinen wieder aufgefüllt. Dort führen Trittspuren durch steiles, mit Felsvorsprüngen durchsetztes Gelände ins markante Schuttkar und damit in die eigentliche Wand.

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Gerade im unteren Abschnitt ist das Gelände eher leicht - zumindest für gute Bergsteiger, die absolut trittsicher und schwindelfrei sind. Aus Zeitgründen kann man nicht die komplette Wand Seillänge für Seillänge absichern, sondern muss immer wieder seilfrei gehen - eine Herausforderung für die Nerven. Jeder Tritt muss sitzen und der Tiefblick ist beeindruckend. Die mit einem Seil gesicherten Kletterstellen sind dagegen direkt erholsam. Über Rampen und Rinnen führt die Route aufwärts, dazwischen eingelagert sind immer wieder kurze Kletterpassagen bis zum III. Schwierigkeitsgrad.

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Der Blick nach oben ist ernüchternd. Da ragt ein ganzes Gebirge aus Felsabbrüchen auf - unübersichtlich, unüberschaubar. Die Orientierung ist neben der Kondition und den klettertechnischen Schwierigkeiten das größte Problem bei einer Durchsteigung der Watzmann-Ostwand. Dazu kommt das Wetter, denn die Tour darf man nur bei sicheren Verhältnissen wagen. Bei Regen verwandelt sich die Ostwand in einen riesigen Wasserfall, ein Weiterkommen beziehungsweise ein Rückzug ist aufgrund der Sturzbäche in den Rinnen und Schluchten und dem dadurch ausgelösten Steinschlag lebensgefährlich.

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Im Hochsommer können die Sonnenstrahlen die Wand schon früh am Morgen in einen Backofen verwandeln. Gnadenlos strahlt sie in die Felswand, entsprechend schweißtreibend ist der stundenlange Anstieg - allein der Durchstieg der Wand dauert mindestens sieben Stunden. Voraussetzung: Die Bergsteiger sind gut trainiert und finden auf Anhieb die richtige Route, was nur mit einem ortskundigen Begleiter oder Bergführer klappt. Wer zum ersten Mal die Ostwand durchsteigt, verliert in der Riesenwand schnell den Überblick.

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An den markanten Felszacken der Watzmannkinder zeigt sich gut, wie man an Höhe gewinnt - und wie viel Weg noch vor einem liegt. Anfangs ragen sie schier unerreichbar hoch über den Bergsteigern in den Himmel. Mit der Zeit rücken die Gipfel der Watzmannkinder näher und schließlich liegen sie unter den Bergsteigern. Doch dann wird klar, dass die Watzmann-Ostwand noch lange nicht zu Ende ist. Bis zu ihrer oberen Kante bleiben mehr als 400 Klettermeter zu überwinden.

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Bräuchte man noch einen Beweis für die Dimensionen der Watzmann-Ostwand, hier ist er. Mitten in der Wand überrascht ein nahezu ebener Aussichtsbalkon. Die sogenannte Dabelsteinplatte bietet Platz für pausenbedürftige Kletterer: ein Logenplatz hoch über dem Königssee mit faszinierendem Ausblick auf die Berchtesgadener Alpen.

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Beim Auftauchen der leuchtend orangen Biwakschachtel (2380 m), die geschützt unter einem Felspfeiler steht, ist ein Ende der Tour durch die Watzmann-Ostwand abzusehen. Fast, denn davor liegen noch brüchige Rinnen sowie die Ausstiegskamine mit der schwersten Stelle der ganzen Route: Ganz am Schluss stellt sich eine senkrechte Wandstufe mit einer III+ Kletterstelle in den Weg.

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Geschafft! Kurz unter dem Gipfel der Watzmann-Südspitze (2712 m) führt die Route von der Ostwand hinaus auf den Grat und folgt diesem problemlos auf den wenige Meter entfernten Gipfel.

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Die Südspitze ist allerdings nur ein Etappenziel. Der Blick hinunter ins fast 1400 Meter tiefer liegende Wimbachgries ist ernüchternd und zeigt, dass der anstrengendste Teil der Tour jetzt erst bevorsteht. Die drahtseilgesicherten Passagen sowie schmalen Steige über jäh abbrechende Rinnen und Schluchten erfordern noch einmal volle Aufmerksamkeit. Der Blick in die Tiefe ist nach dem vorangegangenen Erlebnis kein Problem - mehr Tiefblick als in der Watzmann-Ostwand ist nicht möglich.

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Wie eine Fata Morgana taucht im Wimbachgries die lang ersehnte Wimbachgrieshütte (1333 m) auf. Endlich kühle Getränke und ein Plätzchen zum Sitzen, damit die arg strapazierten Beine ausruhen können. Doch auch die Hütte ist nur ein Etappenziel. Danach folgt die Wanderung über einen kilometerlangen Schuttstrom hinaus zur Wimbachbrücke, für die allein rund zweieinhalb Stunden eingeplant werden sollten. Erst dann ist die Tour endgültig geschafft.

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Quelle: dpa-tmn

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Informationen:

Anfahrt Auto: Auf der Salzburger Autobahn bis zur Ausfahrt Bad Reichenhall, über Reichenhall, Bischofswiesen und Berchtesgaden nach Königssee. Großer, gebührenpflichtiger Parkplatz. Öffentlich: Mit der Bahn nach Berchtesgaden und mit dem Bus nach Königssee.

Anforderung: Konditionell sehr anspruchsvolle Klettertour (Kletterei bis zum Schwierigkeitsgrad III+). Teils schwere Orientierung, daher am besten nur mit Bergführer.

Gasthäuser/Hütten: St. Bartholomä (608 m, keine Übernachtungsmöglichkeit, www.sankt-bartholomae.de); Ostwand-Lager (608 m, Selbstversorgerhütte, nur Schlafmöglichkeit, www.dav-berchtesgaden.de); Wimbachgrieshütte (1327 m, www.wimbachgrieshuette.de).

Zeit: Zustieg 1-1.30 Std., Ostwand 7-9 Std., Abstieg 5-6 Std.

Beste Jahreszeit: Mitte Juli bis in den Herbst, solange die Wand schneefrei ist.

Bergführer: zum Beispiel Mammut AlpineSchool, www.mammut.ch/de/alpineschool_about.html; Berchtesgadener Bergführer, www.berchtesgadener-bergfuehrer.de

Weitere Informationen: Mammut Peak Project

© Süddeutsche.de/dd
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