Drehorte in der Wüste von Tunesien:Rasen wie in Star Wars

Star Wars: Episode II: Angriff der Klonkrieger

Wie auf einem anderen Planeten: Szene aus Star Wars, gedreht in Tunesien.

(Foto: REUTERS)

Die tunesische Wüste ist voller Film-Schauplätze: Nach der Revolution kann man jetzt wieder durch die Welten von Star Wars reisen. Wobei auch ein Indianerangriff nicht auszuschließen ist.

Von Michael Zirnstein

So muss sich Luke Skywalker im Cabrio-Gleiter bei den Ausflügen über seinen staubigen Heimatplaneten Tatooine gefühlt haben. Als würden die Räder den Sand nicht berühren, saust der Geländewagen durch die Wüste. Die Passagiere schließen in freudiger Furcht die Augen, wenn der Fahrer Kerim wie ein Rallye-Pilot auf eine Dünenkante zuschießt, ohne zu sehen, was dahinter kommt. Aber wer sollte einem schon entgegenkommen mitten in der Wüste Tunesiens?

Großes Jauchzen, als Kerim das Gefährt den Hang hinabstürzen lässt. Welch sinnloser Spaß. Ähnlich vertrieb sich der jugendlich unterforderte Skywalker die Langeweile auf dem öden Gestirn. Kurz stellt man sich vor, dass sein Erfinder George Lucas ebenfalls im Jeep durch die Gegend beim Felsen Ong el-Jemel, dem Hals des Kamels, düste, bevor er den ersten Star-Wars-Film drehte.

Immer wieder besuchte der Regisseur diese marsianische Landschaft unter dem Felsen, der an einen Kamelkopf erinnert. In "Episode 1", dem vierten Teil der Weltraum-Saga, ließ er an dieser Stelle den Schurken Darth Maul auf Tatooine (benannt nach der tunesischen Stadt Tataouine) landen. Fans stellten den Ort als "Sith Infiltrators Landing Site" unter den Koordinaten 34.015353,7.911444 in die Liste sehenswerter Star-Wars-Orte. Indiana Jones übrigens prügelte sich hier mit Nazis um den heiligen Gral.

Die Weite, die Leere, das Knirschen, die Hitze und die Gefahren der Wüste, all das inspirierte schon den sächsischen Wohnzimmer-Abenteurer Karl May - lang bevor er selbst einen Fuß in den heißen Sand setzte. Der Anfang seines Romans "Durch die Wüste" spielt im Djerid, dem Dünenland mit seinen vier Oasen Tozeur, Nefta, El Hamma und El Oudiane im Herzen Tunesiens.

Darin unternimmt Kara Ben Nemsi (Karl, Sohn aus Deutschland) zusammen mit seinem einheimischen Diener einen Todesritt: über den "berüchtigten Schott Dscherid", jenes mit 200 Kilometern Länge größte Binnensalzmeer Nordafrikas. Die Lauge ist wie ein gefrorener See von einer Kruste aus Salz und Flugsand bedeckt, "die den Reisenden Veranlassung gab, sie bald mit einem Kampferteppich, bald einer Silberplatte oder der Oberfläche geschmolzenen Metalls zu vergleichen", wie May schreibt. "Nur an einzelnen Stellen ist es möglich, sich ohne die eminenteste Lebensgefahr auf sie zu wagen. Wehe dem, der auch nur eine Handbreit vom schmalen Pfade abweicht!" Kamele und Menschen, einmal gar eine Karawane von tausend Tieren, brachen ein und versanken "rettungslos in der zähen seifigen Masse".

Die französischen Kolonialherren schütteten zwischen den Orten Tozeur und Kebili einen Damm auf, um nicht mehr wie Kara Ben Nemsi auf einheimische Führer vertrauen zu müssen. Fahrer Kerim vertraut lieber auf die seit 1979 asphaltierte Straße. Sie führt durch schier endlos flirrendes Beige; flankiert von Palmwedeln, die einst die Furt markierten; vorbei an Marabouts - vogelhäuschenartigen islamischen Heiligenschreinen - oder Skulpturen, die verdurstende Reiter darstellen und auf nahe Souvenirshops hinweisen.

Weit draußen steckt wie ein Walskelett ein verendeter Bus im Sand. Den Wunsch, sich diesem Fotomotiv zu nähern, schlägt Kerim aus: "Der Schott hat seine Dschinns", seine Teufel, sagt er. Vor denen habe er großen Respekt. Er kenne ein paar Stellen, die er befahren könne. Aber nicht hier.

Stattdessen hält er beim Häuschen von Hama. Der dicke, gemütliche Mann, der sich "Bürgermeister von Tozeur" nennt, verkauft in der Einöde das Übliche: bunte Tücher, Edelsteine aus der Wüste, Kamelhaartaschen, Datteln und Wüstensalz. Wer den Laden durch den Hinterausgang verlässt, kann sich auf die milchglasartige Salzdecke des Schotts wagen.

Sie knackt und bricht - doch gleich darunter ist fester Grund. Touristen machen hier gerne Fotos im gleißenden Gegenlicht: Es schaut so aus, als würde man schweben, die Gliedmaßen erscheinen spinnenartig. Natürlich drehte auch George Lucas am Salzsee.

Vom Wilden Westen bis zu Sternenkriegen

Das intensive Licht lockte bereits 1914 August Macke und Paul Klee nach Tunesien; in Sidi Bou Said, einem Nobelvorort von Tunis an der Nordküste, malten sie etwa das Café des Nattes, einer ehemaligen Moschee, in der man heute noch süßen Minztee mit Pinienkernen serviert bekommt. Mit ihren Bildern von bunten Märkten und Schachtelhäuschen halfen sie, das Land zum exotischen Sehnsuchtsort für Europäer zu machen.

Nach dem Attentat 2002 auf die Al-Ghriba-Synagoge in Djerba, bei dem 19 Menschen, vor allem deutsche Urlauber, starben, brachen die Gästezahlen ein. Auch die Proteste Ende 2010, bei denen das Volk gegen Arbeitslosigkeit und hohe Lebensmittelpreise aufbegehrte und Staatsoberhaupt Zine el-Abidine Ben Ali nach 23 Regierungsjahren verjagte, verschreckten viele Urlauber.

Das Auswärtige Amt hält heute zwar die Tourismuszentren wieder für sicher, empfiehlt aber noch immer, "Menschenansammlungen und Demonstrationen weiträumig zu meiden" und rät wegen "erheblicher Entführungsrisiken" von Reisen ins Grenzgebiet zu Algerien und Libyen abseits der befahrenen Pisten "eindringlich ab". Bis nach Tozeur und Douz könne man noch reisen.

Abenteuer darf sein, aber eben kein echtes. Wer im Lézard Rouge, dem nostalgischen Salonzug, durch die Schlucht Gorges de Selja zuckelt, fühlt sich wie im Film. Der Zug war 1911 ein Geschenk der Franzosen an den Bey von Tunis und pendelte zwischen La Marsa und Tunis. Seit 35 Jahren transportiert das Museumsstück im Südwesten von Métlaoui aus Touristen auf Holzbänken und Ledersofas.

An einigen Stellen dürfen die Reisenden aussteigen und 200 Meter hohe Felswände bestaunen. In dieser Umgebung rechnet man stets damit, dass wie in Karl Mays Büchern ein Indianerstamm die Besucher überfällt. Ein Gefühl von Wildwest in Nordafrika.

In einem anderen Canyon hofft der Wanderer - geführt von Mohamed, einem bauchigen Mann mit Skifahrermütze - weniger auf Cowboys als auf Raumschiffe. Durch die fast senkrechten Wände des Wadis schlängelte sich Star-Wars-Ritter Anakin Skywalker 1999 als Dreikäsehoch zum halsbrecherischen Rennen im "Podracer". Sein Sohn Luke wurde hier später von den Tusken-Räubern angegriffen und von seinem Mentor Obi Wan Kenobi gerettet. Die Stelle heißt deshalb "Star-Wars-Canyon", obwohl hier auch "Himmel über der Wüste" mit John Malkovich gedreht wurde.

Die Grotte mit den pseudo-prähistorischen Schwimmer-Zeichnungen aus "Der englische Patient" war gleich ums Eck. "Das haben die Engländer und ihre chinesischen Hilfsarbeiter alles alleine gemacht", schimpft Mohamed, für die Einheimischen gab es nichts zu holen. "Das Wichtigste ist doch, dass man den jungen Leuten Arbeit gibt." Er schaute aber oft bei den Dreharbeiten zu.

14 Filme von hier hat er auf DVD, in seinem Haus oben am Bergkamm im brüchigen Mides, das in einem Jesus-Film als Kulisse das alte Jerusalem mimte. "Manchmal wird Sex gezeigt", das erschrecke ihn, sagt er, aber er mag die Filme "wegen der Landschaftsaufnahmen".

Noch beeindruckender als im Film ist die zwölf Kilometer lange Schlucht in echt - mit glattem roten und weißen Marmor unten an den Steilwänden. Mohamed kennt sich aus mit Steinen. Er hat Geologie studiert, ein paar Kilometer weiter gräbt er Amethyste, fossile Meeresschnecken, 7000 Jahre alte Feuersteinpfeilspitzen und andere Kostbarkeiten aus dem Sand und verkauft sie in seinem höhlenartigen Laden an Urlauber: "Keine gefärbten Fälschungen, alles echt", schwört er.

Zudem weiß er von den Berbern alles über Pflanzen: Er zerreibt aromatischen Bergthymian und entblähenden tunesischen Grünkohl zwischen den Fingern oder er pflückt die giftige Koloquinte-Frucht, die wie eine Mini-Melone aussieht und im Feuer gegrillt zu Augenmedizin wird. Bei einem kleinen Stein-Iglu zeigt er, wie darin die Hirten neugeborene Lämmer vor Schakalen schützen: Zwei Mal umrundet er das Mäuerchen und führt pantomimisch vor, wie man darum herumpinkelt, um Raubtiere zu vergrätzen. George Lucas wäre dazu sicher etwas eingefallen.

Die wenigsten Tunesier haben die Star-Wars-Filme gesehen; sie freuen sich aber, dass manche Touristen extra ihretwegen kommen. In Matmata wurde aus dem Innenhof von Lukes Heim das kleine Hotel Sidi Driss, man diniert dort in der fast originalen Küche seiner Tante Beru. Am Rand von Nefta wirkt auch das schicke Hotel Dar Hi mit seinen Panoramascheiben wie eine Weltraumsiedlung, obwohl dessen Designerin eher die örtlichen Sandsteinhäuser und Höhlenwohnungen überstilisiert hat. Jedenfalls ist es der ideale Startpunkt für einen Ausflug zur wichtigsten Pilgerstätte der Science-Fiction-Fans: Mos Espa.

Die Hollywood-Crew hat die Kulissenstadt in der Wüste zurückgelassen; doch Einheimische pflegen sie, weil sie Urlauber anlockt, die dann für Fotos mit Wüstenfüchsen oder Falken ein paar Dinar zahlen. Der Eintritt zu diesen Kulissen ist frei. Besucher stapfen hier unbehelligt zwischen den Kuppelhäuschen aus Drahtgitter und Gips von Sendemast-Attrappen zu Wattos Schrottladen und Sebulbas Café, und wundern sich, warum diese Phantasiestadt so zauberhaft ist.

George Lucas hat sein Dorf zum Filmen mit weiten Fluchten und Lichtschneisen geplant - ideal für Fotosessions in Jediritter-Pose und mitgebrachtem Kostüm. Die beste Anreise ist bei untergehender Sonne: Wenn man im Geländewagen fahrend die Augen etwas zukneift, fliegen die Lichtblitze der Glimmersteine im Sand an einem vorbei wie Sterne im Hyperraumflug.

Karte Tunesien
(Foto: SZ Grafik)

Informationen

Anreise: Tunisair fliegt von Frankfurt nach Tozeur, hin und zurück ab ca. 400 Euro, tunisair.com. Von dort bietet sich eventuell eine Weiterfahrt mit dem Hotelshuttle oder mit einem Mietwagen bis nach Tamerza oder Nefta an.

Unterkunft: Hotel Dar Hi, Quartier Ezzaouia in Nefta, Preis pro Nacht im Doppelzimmer inklusive Vollpension ab ca. 300 Euro, Tel. 00216/21 67 42 98, www.dar-hi.net; Hotel Tamerza Palace, im Ort Tamerza bei Tozeur, pro Nacht kostet das Doppelzimmer oder eine Suite inklusive Frühstück zwischen 125 und 830 Euro, Tel. 00216/71 95 16 25, www.tamerza-palace.com

Weitere Auskünfte: die regionale touristische Vertretung in Tozeur hat ihr Büro an der Avenue Aboulkacem Chebbi, Tel. 00216/76 45 40 88

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