Radfernwege:Wie die Donau zum Fahrrad-Fluss wurde

Wald dominiert die Uferlandschaft an der Donau in Ungarn.

Wald, Wolken, Wasser: Die Donau in Ungarn. Der Kreuzfahrtpassagier kann die Landschaft sowohl vom Schiff als auch vom Fahrrad aus erleben.

(Foto: Monika Maier-Albang)

Der Donau-Radweg ist einer der beliebtesten Radfernwege. Und wer nicht mehr treten mag, kommt auf dem Fluss trotzdem voran.

Von Monika Maier-Albang

Natürlich muss es gerade jetzt zu regnen anfangen. Das Schiff ist die ganze Nacht hindurch gefahren, hat Budapest hinter sich gelassen, der Blick ist seit Stunden der gleiche: breiter wolkengrauer Strom, am Ufer eine Wand aus Grün. Nun hat die MS Primadonna in Mohács angelegt, die Crew hat die Räder von Bord getragen, was man selbst nicht tun darf, weil die Pedale den Eingangsbereich verkratzen könnten, und was vermutlich auch deshalb nicht so geschickt wäre, weil es ein rechtes Kuddelmuddel gäbe, würde jeder der 160 Gäste sein Rad erst suchen und dann treppauf, treppab damit durch die Gänge hasten. Deshalb steht es nun bereit an Land, auch gut. Radtasche drauf und: raus in den Regen!

In Mohács gibt es so weit zu sehen: einige Denkmäler, darunter die unglaublich glänzende Statue des unglaublich traurig blickenden Herrschers des Königreiches Ungarn, Ludwig II., der die Schlacht gegen die Osmanische Armee 1526 verlor - und dabei auch sein Leben. Käme man zur Faschingszeit, würden hier jetzt gehörnte Fellwesen herumlaufen. So aber ist die Stadt an einem nieseligen Werktag eher unspektakulär nett, mit vielen Cafés und Eisdielen in einem Zentrum, durch das markierte Radwege führen. Was man in einer ungarischen Kleinstadt nicht unbedingt erwartet. Aber Mohács liegt nun mal am Donauradweg. Und das hat vielem hier einen Entwicklungsschub gegeben, man wird das später auch sehen auf der mit EU-Fördermitteln asphaltierten Dammkrone, die hineinführt in den Duna-Dráva-Nationalpark. Ohne dieses Geld aus Europa sähen die Radwege wohl so aus wie die Straßenränder außerhalb von Mohács: brüchig und von Wurzeln gewellt, mit ungesicherten Löchern. Wege also, die keinen Spaß machen.

Radfernwege: Der Radweg Richtung Duna-Dráva-Nationalpark.

Der Radweg Richtung Duna-Dráva-Nationalpark.

(Foto: Monika Maier-Albang)

Manfred Traunmüller ist extra die Wege aus der Stadt heraus- und dann wieder zurückgefahren, um zu zeigen, was ein gut ausgebauter Radweg wert ist. Und es ist ja fast schon sein Radweg. Traunmüller lebt in Linz, er ist Reeder und Radtour-Anbieter. Die MS Primadonna ist eines seiner Schiffe. In den 80er-Jahren war er Geschäftsführer des Tourismusverbandes Mühlviertel, und ihn und einige Mitstreiter, so erzählt der 62-Jährige heute, habe es geärgert, dass die Werbung des Landes nur auf Wanderer abzielte; "Wanderbares Österreich" hieß der Slogan. "Dabei hatten wir doch auch den Fluss", sagt Traunmüller, damals schon ein passionierter Radler. Die Ufer der Donau waren gesäumt von den alten Treppelwegen. Auf diese Wegen, auch Treidelpfade genannt, zogen früher Männer und Zugtiere die Schiffe stromaufwärts. Bis zu 60 Pferde konnte ein solcher "Schiffszug" haben. Der Mann, der voranging und das Kommando hatte, war der "Waghals". Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt verloren Wege und Waghälse ihre Bedeutung.

Radfernwege: Der Reeder Manfred Traunmüller hat den Donau-Radweg mit initiiert.

Der Reeder Manfred Traunmüller hat den Donau-Radweg mit initiiert.

(Foto: Monika Maier-Albang)

Bis zu Traunmüllers Idee. Mit dem Vorschlag, die Treppelwege fahrradfreundlich auszubauen, wurde er damals beim Bundesstrombauamt vorstellig. Und prallte, um im Bild zu bleiben, gegen eine Staumauer. Die Behörde, die heute Wasserstraßendirektion heißt, lehnte rundweg ab, unter anderem wegen strittiger Haftungsfragen. "Die wollten partout nicht", erinnert sich Traunmüller. Aber nicht nur in Österreich kennt man Umwege, die zuerst nach oben und dann zum Ziel führen. Man habe sich also an den "Bautenminister" Karl Sekanina gewandt, erzählt Traunmüller. "A richtiger Betonierer war der." Die Antwort des Ministers: "Vollkommen recht habt's!"

Es gab eine ministerielle Weisung, 1982 wurde das erste Teilstück des Donauradwegs eröffnet, stromaufwärts bei Linz, zwischen Ottensheim und Aschach. Die ersten Wegweiser glichen Autobahnschildern. "Riesig und rückstrahlend", sagt Traunmüller, "man hatte den Erfahrungswert noch nicht."

Sehr schnell, zu schnell wurde der Weg beliebt. Die Passauer erkannten rasch den Wert eines solches Radweges. Schon bald waren Tausende an schönen Sommerwochenenden entlang der Donau unterwegs. Anfangs habe es viel zu wenig Quartiere gegeben, erinnert sich Traunmüller. Aber "in den 90er-Jahren hat sich das eingependelt". Wobei es bis heute in der Ferienzeit ratsam ist, zumindest auf dem viel befahrenen Abschnitt zwischen Passau und Wien Zimmer zu buchen. In Bayern war der Ausbau nicht überall einfach, viele Ziehwege gab es nicht mehr, "sie waren schon zu Straßen ausgebaut". Also mussten für den Radweg neue Flächen gefunden werden.

Heute ist die Donau radtechnisch weithin erschlossen. Traunmüller kennt die Wege gut. Von der Quelle bis nach Budapest ist er sie komplett abgefahren, danach in Teilstücken. Alles geht nicht, der Fluss ist an die 2860 Kilometer lang. Und auch nicht alles, was südlich von Budapest kommt, macht wirklich Freude beim Fahren. Die Stadt selbst ist eine fahrradfreundliche. Radwege überall, die Margareteninsel autofrei. Man könnte hier Lángos essen, einen mit Schmand und Käse belegten Hefefladen, aber dann käme man wohl nicht mehr zurück aufs Schiff. Probiert haben muss man aber Kürtöskalács, den Baumstriezel, aufgerollter, gebackener Teig, sehr gut mit Zimt und Zucker.

Das Schiff liegt in der Zeit vor Anker. Und diese Kombination aus Schiff und Rad ist generell eine praktische. Manchmal mag ja selbst ein begeisterter Radurlauber einen Tag Pause machen. Auf dem Schiff ist das unkompliziert. Da kann der eine fahren, die andere legt sich in den Whirlpool unter Deck oder den Sonnenpool auf Deck. Die Logistik für die Organisatoren ist komplex, weshalb Traunmüller bei seinen kombinierten Rad-Schiffsreisen wenig Konkurrenz hat. Die Fahrräder stehen in einem großen Raum, dem Teatro, in dem auf anderen Fahrten schon mal Opernsänger die Gäste unterhalten. Sind die Radler an Bord, wird eine Folie auf dem Boden verlegt, um ihn zu schützen. Die Hälfte der Räder sind mittlerweile E-Bikes, und die müssen geladen werden. Wer sein eigenes dabeihat, nimmt den Akku über Nacht mit in die Kabine, in der - das sei wichtig, sagt Traunmüller - ein Föhn nicht fehlen darf. Damit die feuchte Kleidung schnell trocken wird. Um die Leih-E-Bikes kümmert sich die Crew die Nacht über im Schichtdienst. Am Morgen werden die Räder rausgetragen, während sich die Gäste am Büffet noch ihren Karotte-Apfel-Saft pressen. Aufgereiht warten sie vor dem Fluss-Katamaran. Damit jeder möglichst schnell zu seinem Rad findet, gibt es Sattelaufleger und Bändchen in unterschiedlichen Farben.

Tulln

Am Morgen werden die Räder vor dem Schiff aufgereiht, dann geht die Tour los.

(Foto: Herwig Bremberger)

Traunmüllers Firma Donau-Touristik war ursprünglich ein Radanbieter. Erst in den 90er-Jahren kamen die Schiffe hinzu, nachdem die Erste Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DDSG) aufgeteilt und privatisiert worden war. Früher war die DDSG mit drei Schiffen zwischen Wien und Passau unterwegs gewesen, Urlauber konnten mit dem Rad zusteigen und sich einen Teil der Strecke fahren lassen. Mit dem Verkauf der Gesellschaft wurde das Angebot eingestellt, Traunmüller sprang ein, kaufte eigene Schiffe, eignete sich Fachwissen über Boote und Begriffe wie "Doppelverheftung" und "erhöhtes Mittelwasser" an. Seine Schiffe, darauf ist er stolz, fahren unter österreichischer Flagge. Somit wird auch das Personal nach österreichischem Tarif bezahlt, was auf der Donau unüblich ist. Sogar einen eigenen Radbeauftragten leistet sich das Unternehmen; Herwig Bremberger erkundet die Wege und sorgt dafür, dass keiner der Gäste mit einem Platten irgendwo liegen bleibt.

So radelt man in Ungarn über den Deich. Stundenlang Wald, Vögel, Bäume. Dahinter liegt flaches Land, durch das im Sommer Hirten ziehen werden mit ihren Pferden, Rindern, Schweinen. Im August allerdings sollte man hier besser nicht mit dem Rad unterwegs sein, rät Traunmüller, zu heiß, zu viele Mücken. Die Tour bieten sie deshalb erst wieder im Herbst an. Ob er stolz ist auf den Radweg, der so klein begann und dann so viele Freunde fand? "Ein bisschen", sagt Manfred Traunmüller. "Aber er wäre ohnehin gekommen. Die Zeit war reif."

Die Radkreuzfahrt Passau-Belgrad-Wien wird in diesem Jahr von Donau-Touristik noch einmal vom 3. bis 10. Oktober angeboten und 2020 voraussichtlich an drei Terminen. Ab 598 Euro inkl. Rad in der günstigsten Kabine, www.donautouristik.at.

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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