Dolomitenpass:Das große Röhren am Sellajoch

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Das Sellajoch, beliebt bei Radlern - aber auch Auto- und Motorradfahrern.

(Foto: Gerhard Wild/Mauritius)

An schlimmen Tagen knattern 4000 Autos und Motorräder über die Passstraße. Trotzdem jammern einige, wenn die Straße an wenigen Tagen für lärmende Motoren gesperrt ist.

Von Dominik Prantl

Zum Auftakt war Reinhold Messner zu Gast am Sellajoch, und er sah, dass es gut war. Es sei ein positives Umweltprojekt und auch wirtschaftlich von Vorteil, sprach der Extrembergsteiger a. D. in die Mikrofone, und meinte damit das Projekt, das Sellajoch im Juli und August jeweils mittwochs von neun bis 16 Uhr für den motorisierten Individualverkehr zu sperren. In einer Gegend, wo Auto und Motorrad so ziemlich die wichtigsten Reisepartner des Touristen sind, ist dies seitens der beiden sich auf dem Joch begegnenden Regionen Trentino und Südtirol ein ziemlich interessanter Beitrag zur Diskussion um Fahrverbote.

Bislang geben nämlich eindeutig die Motoren auf den Passstraßen der Dolomiten den Ton an. Wer einmal an einem sonnigen Sommersonntag selbst noch weit oben in der Bergwelt des Sellastocks dem Jaulen und Knattern der Motorräder lauschen durfte, kann Messners Bergsteigersatz durchaus nachvollziehen. "Die Lärmglocke ist so schlimm, dass man beim Klettern in den Wänden den Partner nicht mehr hört."

Einer Studie der Forschungsakademie Eurac in Bozen zufolge verkehrten zwischen November 2013 und Oktober 2014 auf den vier Dolomitenpässen der sogenannten Sella-Runde etwa 1,15 Millionen Pkw und Motorräder, 73 Prozent davon in den Sommermonaten und alleine 20 Prozent (230 000 Fahrzeuge) im August. Am Sellajoch auf 2218 Metern waren es zwischen Mai und Oktober durchschnittlich 1830 Fahrzeuge täglich, an den zehn Spitzentagen in Juli und August sogar rund 4000; Tendenz steigend.

"Wir wollen die Mobilität nachhaltig gestalten"

Genau in dieser Hochsaison ist der Pass nun an neun Tagen auf einer Strecke von etwa elf Kilometern zwischen der Kreuzung Miramonti und der Kreuzung Pordoijoch / Sellajoch gesperrt. Dort haben dann Wanderer, Radfahrer und Elektrofahrzeuge den Asphalt für sich, neben Bussen des öffentlichen Personennahverkehrs. Florian Zerzer, Ressortdirektor für Raumentwicklung, Umwelt und Energie in der Landesverwaltung Südtirol, geht es ja nicht darum, "Mobilität zu unterbinden. Wir wollen sie nachhaltig gestalten." Probeweise war der Pass im vergangenen Jahr schon einmal geschlossen worden. Die Dolomiten sind Unesco-Weltnaturerbe, Zerzer spricht von einer "Verpflichtung".

Ob die auch in Motorradforen kontrovers diskutierte Sperre ein wirtschaftlicher Geniestreich sein könnte, bezweifeln allerdings einige. Wie so häufig verläuft die Konfliktlinie zwischen den manchmal eher ortsfremden und dafür ganzheitlich denkenden Planern und den direkt betroffenen und eher aufs Lokale konzentrierten Touristikern. Anders als beispielsweise in den autofreien und gut funktionierenden Schweizer Ferienorten wie Mürren, Wengen oder Zermatt sind die Betriebe entlang des Sellapasses weniger Anlaufstellen für Ferienaufenthalte als Zwischenhalte auf Rundfahrten. Alan Stuffer, Direktor des auf dem gesperrten Abschnitt gelegenen Hotels Mountain Resorts, taxiert seine Umsatzeinbußen wegen ausbleibender Tagesgäste wie andere Wirte entlang der Strecke daher auf 20 bis 80 Prozent, je nach Wetter. Auch der seitens der Veranstalter erhoffte Ansturm der Radfahrer bleibe aus. "Und nach 15 Uhr ist überhaupt niemand mehr da", so Stuffer.

Dabei sieht er die Straßensperren per se nicht unbedingt negativ. "An sich ist das ja was Schönes. Aber nur dann, wenn man die Sperren auf verschiedene Pässe der Umgebung verteilt." Schließlich laufe das Hauptgeschäft von etwa 25. Juni bis 5. September, "und von dieser Zeit nehmen sie uns jetzt auch noch elf Tage weg." Neben den neun Mittwochterminen in Juli und August ist die Passstraße bereits für zwei größere Radveranstaltungen verplant.

Für Zerzer soll die mit Veranstaltungen wie Konzerten und Verkostungstouren garnierte Aktion jedenfalls nur ein erster Schritt hin zu weniger Lärm und Emissionen sein, ein Pilotprojekt mit Testcharakter. "Unser Ansinnen ist es, das räumlich und zeitlich auszudehnen." Allerdings müsse man dazu die Auswertung der Monitoring- und Evaluierungsmaßnahmen abwarten. Stuffer, der Hoteldirektor, meint wiederum auf die Frage, ob das Projekt 2018 eine Fortsetzung findet: "Ich hoffe nicht."

Das Programm unter: bit.ly/sz-sellajoch

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