Dolomiten: Hütten-Stopps im Stundentakt:Tour de Mampf

Nach Free-Skiing kommt Fress-Skiing: In den Dolomiten ist der Genuss-Sportler unterwegs von Hütte zu Hütte und von Speckknödel zu Goldbrasse.

Titus Arnu

Was für ein Stress! Ausgerüstet mit Tourenskiern, Steigfellen und Stirnlampen rennen die Leute los, steil die Piste hinauf. Die Route geht rund um den Sellastock, über die vier Dolomitenpässe Sellajoch, Grödnerjoch, Campolongo und Pordoi. Die Athleten legen beim Sellaronda-Skimarathon 42 Kilometer zurück und überwinden einen Höhenunterschied von 2700 Metern. Der Rekord liegt bei drei Stunden und 23 Minuten.

Wer die Sellaronda als Extrem-Rennen absolviert, muss dünn und durchtrainiert sein. Unterwegs hat man absolut keine Chance, die Gastronomie dieser Region zu genießen. Sportgetränke und Powerriegel im Laufen müssen reichen. Wie schade!

Denn die Strecke ist gesäumt von kulinarisch äußerst anspruchsvollen Pausenstationen. Also geht man die Sache lieber gemütlich an. Das Programm sieht Hütten-Stopps im Stundentakt vor.

Die größte sportliche Herausforderung wird es sein, nach dem Mampf-Marathon noch die Skihose zuzukriegen. Und die Höhenmeter werden auch nicht allzu schweißtreibend wirken, denn zum Glück absolviert man die Gourmet-Tour mit Lift-Unterstützung.

In der Raschötzer Berghütte oberhalb von St.Ulrich geht es los mit einem Hüttenfrühstück in der Luis-Trenker-Stube: Speck, knuspriges Bauernbrot und Bergkäse. Den uralten, von Trenker gebauten Sessellift gibt es nicht mehr, nun fährt eine moderne Standseilbahn mit Panorama-Glasdach auf die Raschötzer Alm hinauf.

Nach einer Abfahrt durch den Wald quert man auf die Seceda und kehrt in die Daniel-Hütte ein, wo es Knödel in allen Variationen gibt, von der Vorspeise bis zum Dessert. Nur der Hausschnaps ist nicht aus Knödeln gebrannt, sondern aus Heidelbeeren.

Die Trojer Hütte, auf 2250 Metern Höhe unterhalb der Geislerspitzen gelegen, ist nur drei, vier Schwünge entfernt, deshalb ist der Hunger noch nicht allzu groß. Bruno Runggaldier bewirtschaftet die vor 150 Jahren gegründete und 2003 neu erbaute Einkehr. Er verwendet für seine Spezialität, Speckknödel mit Gulasch, nur Produkte aus der eigenen Landwirtschaft. Fleisch, Milch und Butter kommen von Viechern, die er persönlich kennt, meistens sogar mit Namen.

Auf der Abfahrt nach St.Christina und im Gebiet um die Saslong-Abfahrt lässt man besser ein paar Hütten aus. Es ist erst elf Uhr, und die Hose spannt jetzt schon. Für den kleinen Hunger zwischendurch liegt der nächste Stopp bei der Vallongia-Hütte am Fuß des Langkofels.

Schlachtfrisches vom Bürgermeister

Von der Terrasse aus hat man eine spektakuläre Aussicht auf die Zacken des Sella-Stocks - und auf die vielen Wurstkessel. Die "original bayerische Weißwurst" komme zwar aus Meran, verrät Hüttenwirt René Mussner, schmeckt aber so frisch und echt wie in einem Münchner Gasthaus.

Bei der Fahrt zur Baita del Sole besteht keine Gefahr, sich zu überanstrengen, denn es sind nur ein paar hundert Meter. Die kleine Hütte wird von Peter Mussner betrieben, dem Bürgermeister von Wolkenstein.

Ihm gehört auch die Wiese, über die der Sessellift führt, und der Sessellift sowieso. Mussner ist außerdem Landwirt, und deshalb kann er den Lammbraten, die Würste und das Kalbfleisch wärmstens empfehlen, denn er hat die Tiere selbst geschlachtet. "Hunger?", fragt er. Bevor man antworten kann, steht schon ein dampfender Teller mit Lammkarree, Gröstl und Salat auf dem Tisch.

Zum Glück ist die nahe gelegene Comici-Hütte so gerammelt voll, dass um 14 Uhr noch kein Platz frei ist. Also noch eine Runde Skifahren! Und Appetit holen für den kulinarischen Höhepunkt. Die 120 Plätze der Comici-Hütte sind meistens ausgebucht, die Wände des Restaurants tapeziert mit Fotos von Prominenten, die hier schon zu Besuch waren - Ski-Legenden wie Ingemar Stenmark und Franz Klammer, Formel-1-Piloten wie Fernando Alonso und Adelige wie Albert von Monaco.

Die Comici-Hütte ist bekannt für ihre Fischgerichte, jeden zweiten Tag werden Muscheln, Scampi, Goldbrassen und andere maritime Köstlichkeiten aus Grado an der Adria auf die Berghütte geliefert. Es ist ein Hochgenuss, aber auch ein wenig seltsam, auf 2154 Metern über dem Meer frische Meerestiere zu verzehren. Andererseits: Es ist auch ziemlich seltsam, die Sellaronda hoch- und runterzurennen und dabei nur isotonische Wässerchen zu schlürfen.

Fazit: 1. Es ist eindeutig angenehmer, die Tour mit Hilfe von Skiliften zu unternehmen als zu Fuß. 2.Unbedingt bequeme, nicht zu enge Skiklamotten anziehen! 3.Hütten-Hopping in den Dolomiten könnte einen neuen Trend im Wintersport auslösen, die Verschmelzung von Feinschmeckerei und Schönwetter-Skifahren - einen Namen für den neuen Funsport gäbe es auch schon: nach Free-Skiing kommt Fress-Skiing.

Auskünfte über Hütten und ihre kulinarischen Angebote: www.groednertal.com

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