Diesel-Fahrverbot in Hamburg:"Subjektiv ist nichts zu spüren"

Fahrverbote in Hamburg

Ein Arbeiter montiert eines der Hinweisschilder in der Stadt Hamburg.

(Foto: Daniel Bockwo/dpa)
  • Auf zwei Hamburger Straßenabschnitten dürfen ältere Dieselautos schon seit dem 31. Mai nicht mehr fahren.
  • Es sind die ersten solcher Tabuzonen in Deutschland - doch die erste Bilanz fällt für viele nicht wirklich positiv aus.

Von Peter Burghardt, Hamburg

Vor wenigen Monaten wurde Hamburg zur Avantgarde, als der rot-grüne Senat an zwei Hauptstraßen mehr als 100 Verbotsschilder für Lkw, Pkw oder beide entblößen ließ. Darauf zu lesen ist seither "Diesel bis Euro V" und "Anlieger frei". Es geht um 580 Meter der Max-Brauer-Allee und 1,6 Kilometer der Stresemannstraße im Viertel Altona. Wer an diesen knapp 2,2 Kilometern nicht zu Hause ist, keinen neueren Diesel der Schadstoffklasse Euro 6 fährt, keinen Benziner oder kein Elektroauto, der darf da seit Fronleichnam Ende Mai 2018 also nicht mehr hinein. Im Prinzip.

Es sind die ersten Tabuzonen für Fahrzeuge mit älteren Dieselmotoren im Autoland Deutschland, der betrogenen Dieselhochburg. Amtlicher Titel der Maßnahme: Durchfahrtsbeschränkungen. Dahinter standen ein Luftreinhalteplan der Hansestadt, überhöhte EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2₂) sowie ein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, der solche Eingriffe erlaubt, wenn dies nötig sei. Richtig, loben die einen. Quatsch, spotten andere. Ein Symbol ist es in jedem Fall, andere Städte könnten nachziehen. Aber was hat diese viel beachtete Premiere sonst noch erreicht?

"Subjektiv ist nichts zu spüren", sagt Charlotte Lill. Wobei: "Wir hatten ja keine großen Erwartungen." Die Werte wurden an den zwei Routen etwas besser, an den Ausweichstrecken dafür gefühlt oder real schlechter. Kontrollen? Nur Stichproben, die Polizei hat genug zu tun. Wer erwischt wird, der muss Strafe zahlen, 25 Euro (Pkw) bis 75 Euro (Lkw).

Lastwagen würden Gas geben und seien in drei Minuten durch, sagt Charlotte Lill. Sie wohnt in einer Seniorenwohnanlage an der Max-Brauer-Allee, mit Frauen wie ihr ging es los. Bereits 2013 hatten sie geklagt, weil ihnen Lärm und Dreck vor ihrer Haustür auf die Nerven gingen, auf die Lunge, aufs Herz. Fünf Jahre später griff Hamburgs Umweltminister Jens Kerstan von den Grünen auf seine Weise durch. "Saubere Luft!" stand am Tag, als es losging, auf Plakaten von Demonstranten wie Charlotte Lill oder von Greenpeace, "Verkehrswende jetzt!" oder "Symbolpolitik pur!"

Initiativen wie "Reine! Luft! Altona!" und professionelle Ökologen stellen sich die Verkehrspolitik anders vor als die Stadtregierung, obwohl sie zuletzt gewisse Hoffnungen hatten. Denn der neue SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher ist anders als sein Vorgänger Olaf Scholz kein Jurist, sondern habilitierter Mediziner.

Kritiker verlangen mehr Messstationen

Silvia Singmann von "Reine! Luft! Altona!" lebt an einer der Umleitungen für die Diesel bis Euro 5 und spürt, wie die Luft dort noch mieser geworden ist. "Ziemlich mau", findet sie, dazu kommen all die Baustellen. Sie erinnert außerdem an den Hafen mit seinen Riesenschiffen auf der bald wohl vertieften Elbe, den Ultra-Feinstaub. Kritiker verlangen mehr Zonen mit Tempo 30 und mehr Messstationen, auch solle nicht nur auf 1,50 Metern Höhe gemessen werden, sondern auch auf Kinderhöhe, wo die Werte höher lägen. Der Umweltschutzverband Bund hat im Juli eine weitere Klage gegen die Stadt beim Hamburger Verwaltungsgericht eingereicht, für weiträumigere Durchfahrtsbeschränkungen.

Und besonders empfehlen die Kämpfer für die Gesundheit, das Auto so weit wie möglich stehen zu lassen. Mehr als 780 000 Pkws sind in Hamburg gemeldet, dazu kommt ein Teil der täglich gut 300 000 Pendler. Hamburg will wie Kopenhagen oder Amsterdam zur Fahrradstadt werden, baut die Radwege aus und die U-Bahnen und S-Bahnen, doch die Staus nehmen zu. 2019 kriegt auch die dieselbeschränkte Max-Brauer-Allee, benannt nach einem Bürgermeister, eine Spur für die Busbeschleunigung. Bei den Bauarbeiten will Charlotte Lill achtgeben, dass die Bäume geschont werden. "Das", sagt sie, "bewachen wir."

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