Die Brücke am Kwai in Thailand:Gegen den Strom

Wer die Brücke am Kwai besuchen will, spricht besser nur von "The Bridge" - alles andere könnte je nach Betonung peinlich werden. Der frühere Schauplatz unsagbaren Leids ist heute ein Rummelplatz für Touristen. Doch auf einer Flussfahrt dorthin erleben Reisende auch stille Momente.

Monika Maier-Albang

Zwei Tage an Bord, und endlich sieht der Fluss aus, wie er auszusehen hat. Nicht mehr so breit und träge, dass sich Wasserhyazinthen am Ufer stauen, stattdessen schnell fließend. So steht es ja auch im Buch beschrieben, an der Stelle, wo das britische Sprengkommando sich abmühen muss, um die Ladung auf dem selbstgezimmerten Bambusfloß zur Brücke am Kwai zu bringen: "Von Anfang an hatte die starke Strömung sie in die Dunkelheit fortgerissen, mitten hinein zwischen unsichtbare Felsen."

Thailand Brücke am Kwai Kanchanaburi

Die Brücke über den Fluss bei Kanchanaburi wurde während des Zweiten Weltkriegs von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern errichtet.

(Foto: picture-alliance / dpa)

Am zweitenTag also endlich: keine Fischfarmen mehr, keine Discoboote. Nur noch Wildnis. Am Ufer erhebt sich eine sattgrüne Wand aus Bambus, der hin und wieder regenschwer in die Flut knickt und das Schiff zum Ausweichen zwingt. Am Bug der RV River Kwai steht Wendy Thomas. An dieses Ufer, sagt die Australierin, sei ihr Vater gegangen, wann immer es ihm möglich war. "Hier gab es Insekten, die er fangen und essen konnte." Dem Fluss verdankte Charles William Connelly wohl sein Leben.

Nachschub für die japanischen Truppen

Wendy Thomas' Vater war einer von 60.000 Kriegsgefangenen, die während des Zweiten Weltkriegs eine 415 Kilometer lange Eisenbahnlinie zwischen Birma, dem heutigen Myanmar, und Thailand bauen mussten. Die Trasse sollte den Nachschub für die japanischen Truppen sicherstellen, die nach dem Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 rasch große Teile des pazifischen Raums unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Im Juni 1942 begannen die australischen, britischen, niederländischen POWs, die Prisoners of War, gemeinsam mit schätzungsweise 270.000 asiatischen Zwangsarbeitern den Dschungel zu roden und Felsen zu sprengen. 90.000 Zwangsarbeiter und rund 12.000 POWs kamen während der Bauarbeiten ums Leben. Sie starben an Entkräftung, an Tropenkrankheiten, durch die Schikanen der japanischen und koreanischen Aufpasser, die etwa am Hellfire Pass schon mal Steine fallen ließen, während die Arbeiter unter ihnen Geröll abtransportierten. Death Railway, Eisenbahn des Todes, heißt die Strecke seitdem.

Geblieben ist im kollektiven Gedächtnis des Westens allerdings nur ein winziger Teil der Trasse: eine Brücke. Sie hatte der französische Schriftsteller Pierre Boulle, der selbst in japanische Kriegsgefangenschaft geraten war, 1952 in seinem Roman "Die Brücke am Kwai" verewigt. Spätestens seit dem gleichnamigen, 1957 gedrehten Spielfilm von David Lean wurde die Brücke zum Symbol für die Schrecken des Pazifik-Krieges.

Am Stadtrand von Kanchanaburi steht heute Bus an Bus, den Gast empfängt ein Dorf voller Schmuckvitrinen, Essensstände, Postkartenständer. Auf dem Fluss schwimmen Restaurants, in denen sich mittags Russen, am Abend Chinesen und Taiwanesen am Buffet stauen. Am Ufer warten die Discoboote, überbaute Flöße, die bei Nacht über den Fluss gezogen werden. Am Wochenende feiert hier die Jugend aus Bangkok. Die japanischen Touristen gehen lieber in die Clubs der Stadt zum Karaoke-Singen.

Statisten spielen Kriegsgefangene

Die Brücke ist aus Eisen. Im Film ist sie aus Holz. Eine hölzerne Brücke hat es tatsächlich neben der eisernen gegeben. Beide wurden zerstört, nur die eiserne hat man wieder aufgebaut. Am Film allerdings sollte man sich ohnehin besser nicht orientieren: Er wurde in Sri Lanka gedreht, das damals noch Ceylon hieß. Und auch der Name Kwai hat sich nur eingebürgert, weil die Europäer ihn sich leichter merken konnten als Kwae Yai. So heißt der Fluss eigentlich, der sich bei Kanchanaburi mit dem Kwae Noi zum Mae Klong vereinigt. Aber Vorsicht! Kwai heißt Wasserbüffel, anders betont auch Penis. Am besten, man sagt the brigde, das versteht hier jeder.

Thailand Brücke am Kwai Kanchanaburi

Nur noch sechsmal am Tag fährt ein Zug über die Brücke.

(Foto: Josef Muellek/Digitalpress - Fotolia)

Im Schritttempo für die Touristen

Über die Gleise balancieren heute tagaus tagein Besucher. Sie setzen sich darauf, legen sich darüber. Es fährt ja nur sechsmal am Tag ein Zug. Er überquert eineinhalb Fahrtstunden nach der Kwai-Brücke das Wang-Pho-Viadukt, eine gewagte Holzkonstruktion, die sich mit dem Flusslauf an der steil aufragenden Felswand entlangzieht. Der Zug fährt im Schritttempo über das Viadukt, nicht nur, weil jeder zehnte Holzpfeiler noch aus Weltkriegszeiten stammt. Die Touristen sollen in Ruhe fotografieren können. So reckt sich aus jedem offenstehenden Fenster eine Kamera, und weil es mehr Passagiere als Fenster gibt, werden auch die offenen Türen benutzt - mit Blick in den Abgrund.

Am Bahnhof von Thakilen, drei Stationen von der Kwai-Brücke entfernt, lässt sich erahnen, wie hart das Leben der Gefangenen gewesen sein muss. In Thakilen werden gerade die hölzernen Schwellen durch welche aus Beton ersetzt. Noch heute wird das von Hand gemacht. Mit Eisenstange und Schaufel stehen Rerm Non Tha Pa und ihr Mann Wat Non Tha Pa am Gleis; der Schweiß bildet Rinnsale an ihren Schläfen. 80 Bath, knapp zwei Euro, bekommt das Paar pro ausgewechselter Schwelle, 16 Stück schaffen sie an einem Tag, manchmal. "Gutes Geld", sagt Non Tha Pa, es kommt auf die Bank, für die Tochter, das einzige Kind.

Angehörige erkunden die Familiengeschichte

Die Bahnlinie, die in Bangkok beginnt, endet in Nam Tok. Nach dem Krieg wurde die Zugverbindung nach Myanmar gekappt, das Metall verkauft - aus Angst vor einer neuerlichen Invasion. Weil aber der Tourist gerne Zug fährt und der echte Zug so selten verkehrt, tingelt nun über die Brücke am Kwai eine knallbunte Bimmelbahn. In den Farben des Regenbogens erstrahlt auch die Brücke jeden November beim Kwai Bridge Festival und einer "Light&Sound-Show". Statisten spielen Soldaten und Kriegsgefangene, aus Lautsprechern ertönt Fliegerlärm. Nur die Wahl der "Miss Peace" haben die Organisatoren wieder abgeschafft, auf Bitten der Hinterbliebenen-Verbände hin.

Von den ehemaligen POWs leben nicht mehr viele. Dafür kommen heute deren Kinder nach Thailand, um die Familiengeschichte zu erkunden. Für sie bietet das Thailand-Burma Railway Centre in Kanchanaburi eine Art Pilgerreise an - zu Orten, wo die Väter leiden mussten und starben. Wendy Thomas hat sich gegen eine solche Tour entschieden, "zu heftig", sagt sie. Stattdessen hat sie eine Flusskreuzfahrt mit der RV River Kwai gebucht. Nun hat sie beides: Geschichte und Elefanten-Reiten.

Originale Film- und Fotoaufnahmen

Die RV River Kwai ist ein Nachbau jener Kolonialstil-Schiffe, mit denen eine britische Handelsgesellschaft bis ins 20. Jahrhundert hinein Gäste und Güter durch Burma transportierte. 600 Schiffe, die größte Fluss-Flotte der Welt, besaßen die Eigentümer beim Einmarsch der Japaner. Um die Boote nicht in deren Hände fallen zu lassen, fackelten sie jedes einzelne ab. Heute tuckert der Nachbau gemächlich den Fluss hinauf. Ein paar Wochen lang musste das Schiff im Herbst wegen des Hochwassers vor Anker liegen. Die Region um Kanchanaburi war von der Flut allerdings weit weniger betroffen als der Norden, weshalb viele Touristen, die eigentlich nach Ayutthaya wollten, hierhin umgebucht hatten.

Thailand Brücke am Kwai Kanchanaburi

Bootstouren zur Brück am Kwai werden von Bangkok aus organisiert.

(Foto: SZ Grafik)

Seit November ist die RV River Kwai wieder unterwegs - zu Tempeln, Wasserfällen und der Kaeng-Lavahöhle, in der Fledermäuse dem Licht der Taschenlampen entfliehen. Zu den weniger entspannenden Zielen auf der Route gehört das Kriegsmuseum, das in Kanchanaburi auf dem Gelände eines Tempels vor sich hinmodert. In einer Vitrine liegt Taubendreck, über eine der Original-Zeichnungen, die ehemalige POWs dem Museum vermacht haben, krabbeln Ameisen.

Lohnender ist da ein Besuch im Hellfire Pass Memorial Museum. Weil an dem Pass besonders viele australische Kriegsgefangene ums Leben kamen, unterhält die australische Regierung das Museum, in dem originale Film- und Fotoaufnahmen zu sehen und gut erklärt sind. Am Wochenende fahren auch Thailänder auf den Pass. Nur leider, sagt Ruchikarn Steer, Managerin des Museums, interessierten sich ihre Landsleute kaum für die Geschichte des Ortes. Für sie ist der hochgelegene Wald ein nettes Ausflugsziel. Seit einiger Zeit kommen allerdings auch junge Japaner. Und die, sagt Steer, "wollen mehr wissen als ihre Eltern".

Wendy und Jeff Thomas gehen Hand in Hand über den Schotterweg zum Memorial. Ihr Vater, erinnert sich Wendy Thomas, habe nie erzählen wollen über die Zeit, die er in den Arbeitslagern verbrachte. Die Kinder verstanden aber auch ohne viele Worte, warum sie kein japanisches Spielzeug bekamen, warum die Familie nie ein japanisches Auto anschaffte und schließlich nach Australien auswanderte - dem Vater wurde es zu eng im kriegszerstörten England.

Zurück an Bord setzt die Dämmerung ein. Fledermäuse schwirren ums Schiff. Aus dem Lautsprecher schnurrt Elvis. Da zieht Jeff Thomas seine Frau fort von der Reling. "Ich habe doch meine Schuhe nicht an", protestiert Wendy kurz, aber dann tanzt sie schon barfuß über Deck. Wie hatte Jeff gerade noch gesagt beim Blick über den Fluss: "So peaceful."

Informationen:

Anreise: mit Thai Airways von Frankfurt nach Bangkok hin und zurück ab 633 Euro.

Reisearrangement: Eine Kreuzfahrt mit der "RV River Kwai" kostet pro Person für vier Tage mit Transfer von und nach Bangkok, Ausflügen und VP ab 710 Euro. Preis für sieben Tage ab 1200 Euro. Buchung über: www.asian-adventure.de

Weitere Auskünfte: Thailändisches Fremdenverkehrsamt, Frankfurt, Telefon: 069/138 13 90, info@thailandtourismus.de

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