Deutschland:Zu Gast beim Gelben Richard

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Die Bäume werfen mehr ab als Äpfel. Sie stehen für biologische Vielfalt. (Foto: Imago)

Streuobstwiesen leuchten jetzt im Herbst in allen Farben. Sie sind aber nicht nur ein schönes Ziel für Wanderer, die Äpfel und Schnaps verkosten, sondern leisten auch Großes für die Artenvielfalt.

Von Stefan Fischer

Als wäre der Obstanbau eine militärische Angelegenheit, stehen die Bäume einer Plantage in Reih und Glied. Wer Städte mag, die im Schachbrettmuster angelegt sind, und überdies nordkoreanische Massenchoreografien schätzt, wird vielleicht auch an dieser Gestalt einer Kulturlandschaft Gefallen finden. Ökologisch weitaus nützlicher, obendrein ästhetisch attraktiver und auch touristisch ertragreicher sind Streuobstwiesen. Auf solchen stehen Bäume unregelmäßig in der Landschaft, und sie werfen mehr ab als nur Äpfel oder Zwetschgen. Streuobstwiesen spielen eine wichtige Rolle für die biologische Vielfalt: Mehr als 5000 Tier- und Pflanzenarten und 3000 verschiedene Obstsorten finden sich in den mitteleuropäischen Streuobstbeständen. Lange Zeit waren sie bedroht durch die Industrialisierung des Obstanbaus. Inzwischen besinnt man sich wieder mehr auf ihre Bedeutung - und erkennt auch ihren touristischen Wert. Nicht nur für das Landschaftsbild, sondern als konkrete Attraktion für Urlauber. Hier einige Beispiele.

Bodenseeregion

Allein im Landkreis Lindau, der sich von der östlichen Ecke des Bodensees ins Allgäu hinüber erstreckt, gibt es sieben Streuobstwanderwege. Auf der Website www.westallgaeu.de kann man einen 18-seitigen Wanderführer herunterladen, der diese Routen beschreibt. Auch auf der Reichenau gibt es einen Weg, der durch eine Streuobstlandschaft führt. Das baden-württembergische Kompetenzzentrum Obstbau-Bodensee bietet auf seiner Webseite (www.kob-bavendorf.de) eine Broschüre an über Lehrpfade und Lehrgärten sowie die Obstbaumuseen in Frickingen, Glems und Kürnbach. Der Hof Ganal in Weißensberg bei Lindau bietet Besichtigungen seiner Brennerei an - auf Wunsch auch der eigenen Streuobstwiesen. Mostereien, die Streuobstsäfte verkaufen sowie Mostfeste gibt es rund um den Bodensee eine ganze Menge. Auf der Website www.streuobst-bodensee.de findet man die Adressen und Termine.

Franken

Rund um Burgbernheim, eine Gemeinde knapp 50 Kilometer westlich von Nürnberg, stehen circa 30 000 Streuobstbäume - auf so einer kleine Fläche ist diese Ballung von Streuobstwiesen einzigartig in Europa. Etwa die Hälfte der Bäume trägt Zwetschgen, daneben gibt es vor allem Apfel-, Kirsch-, Birnen- und Walnussbäume. Im westlichsten Zipfel von Unterfranken, in Schöllkrippen, bietet Christof Lorenz Führungen, Baumschnittkurse und Apfelweinverkostung in seinen Streuobstwiesen an (www.kahlgrundapfel.de). In Hausen in der Rhön gibt es einen Streuobstlehrpfad (www.biosphaerenreservat-rhoen.de), in Markt Herrnsheim im Kreis Kitzingen einen Streuobst-Erlebnisweg. Die Fränkische Schweiz weist nach eigener Auskunft der dortigen Tourismusvereinigung die größte Brennereidichte der Welt auf.

Altes Land

Die Obstbauregion südlich von Hamburg vermarktet sich großspurig als "Big Apple", und zwar für Feinschmecker. Jedes Jahr wird vom bundesweit tätigen, in Hamburg ansässigen Pomologen-Verein ein Apfel des Jahres gekürt, heuer ist es der Rote Brasilienapfel. In früheren Jahren führten etwa der Gelbe Richard und der Horneburger Pfannkuchen die Auszeichnung. Das Boomgarden-Projekt hat sich dem Erhalt regionaltypischer Obstsorten verschrieben. Die Website www.boomgarden.de informiert über Führungen, Termine von Märkten und Festen sowie den Verkauf eigener Produkte und bietet überdies sogar Ratschläge an für Menschen, die allergisch auf Äpfel reagieren. Auf dem Herzapfelhof der Familie Lühs in Jork besteht während der Erntezeit die Möglichkeit zum Selberpflücken (www.herzapfelhof.de). Ebenfalls in Jork, im Obstparadies Schuback, kann ein Apfeldiplom abgelegt werden, auf dem Altländer Obsthof in Hollern-Twielenfleth immerhin das Obsthofabitur.

© SZ vom 18.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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