Deutschland:Völlig losgelöst

Das Luxushotel am Obersalzberg hat den Betreiber gewechselt. Zum neuen Konzept gehört nun bayerische Gemütlichkeit - und Abstand zur Geschichte.

Von Heiner Effern und Monika Maier-Albang

Die Sache mit der Tracht hat ihre Tücken hier oben. Der Berchtesgadener sieht die ins graue Lodendirndl gepackten Frauen an der Rezeption und sagt nur "o mei", weil ein Dirndl, ein maßgeschneidertes zumal, nicht um die Besitzerin schlackern sollte. Nur die roten der "Front Office Manager" sitzen perfekt. Die Lederhosen der Empfangs-Männer wiederum sind an den Wadeln zu weit, zu lang, zu kurz. Dazu blaue Strümpfe - wie bei den Salzburgern! Der Historiker wiederum muss die Details nicht sehen, um von einer "Gratwanderung" zu sprechen. Denn die "gemütliche Welt in Tracht", wie Axel Drecoll sie nennt, war genau jene, die Hitler den Menschen vom Obersalzberg aus vorgaukelte, während er am selben Ort den Massenmord befehligte. Und dann gibt es noch die Frauen, die die Dirndl anziehen und glücklich darin wirken. Solange das Hotel, das jetzt ein Kempinski ist, noch ein Interconti war, mussten sie Nadelstreifen und Krawatte tragen. Jetzt, sagt eine, "fühlen wir uns weiblicher". So kann man die Sache mit der Tracht auch sehen.

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