Hin und wegDaheim ist es am schönsten

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Im Sommer wie im Herbst beliebt: Strand in Westerland auf der Insel Sylt an der Nordsee.
Im Sommer wie im Herbst beliebt: Strand in Westerland auf der Insel Sylt an der Nordsee. (Foto: Chris Emil Janssen/imago images)

Kaum zu glauben: Die Deutschen lieben ihr Land – zumindest machen sie hier gern Urlaub. Und es gibt sogar noch Luft nach oben.

Von Dominik Prantl

An dieser Stelle soll es ja immer einigermaßen lustig oder wenigstens erheiternd zugehen, doch heute ist Zeit für nackte Zahlen. Denn: Deutschland boomt – zumindest so rein touristisch betrachtet. Das Land steuert heuer sogar auf ein Rekordergebnis zu. Branchenkenner und das Statistische Bundesamt wissen davon schon seit Längerem. Letzteres meldete bereits Anfang August, dass die ersten sechs Monate den bisherigen Übernachtungsrekord aus dem ersten Halbjahr 2019 um 0,4 Prozent übertroffen haben. Das klingt mickrig, zählt aber in Zeiten einer schrumpfenden Wirtschaft und sinkender Konjunkturbarometer doppelt und dreifach. Erst vor wenigen Tagen folgte dann seitens der Statistiker sogar die Bestätigung dieses Trends für den Zeitraum Januar bis August. Der August 2024 war mit 59 Millionen Übernachtungen sogar der stärkste Monat der deutschen Tourismusgeschichte überhaupt.

Gut möglich also, dass mit diesem Jahr das Rekordjahr 2019 aus der Vor-Corona-Zeit getoppt werden und vielleicht die halbe Milliarde Übernachtungen überschritten werden könnte. Dem nicht genug: Laut einer Umfrage des Deutschen Instituts für Tourismusforschung steht Deutschland als Traumreiseziel unter den Deutschen auf Rang zwei, gefolgt von Sehnsuchtsländern wie Italien, Spanien und Australien. Nur in die USA wollen demnach mehr Deutsche reisen. Dabei hatte die Frage bei der Erhebung gelautet, für welches Land oder welche Region man sich entscheiden würde, sofern man bei einem Preisausschreiben eine mehrwöchige Urlaubsreise mit voller Kostenübernahme gewonnen hätte, Zeit und Geld also eher keine Rolle spielen. Ein solches Votum für Urlaub vor der Haustür ist sogar für Klimaaktivisten mal eine gute Nachricht.

Im Land der erprobten Misanthropen kommt natürlich keine Nachricht ohne gewisse Bitterstoffe aus: Urlaub „Made in Germany“ lockt traditionell vor allem die Deutschen selbst. Der Anteil der Übernachtungen von ausländischen Gästen betrug im ersten Halbjahr – wie schon im Jahr 2023 – nicht einmal 17 Prozent, also ein Sechstel. Das ist für einen mehrfachen Exportweltmeister (ja, die touristische Wertschöpfung durch ausländische Gäste zählt zum Export) angesichts des italienischen Wiesn-Eifers und der asiatischen Neuschwanstein-Verzückung doch etwas wenig. Nach Spanien etwa kamen laut der dortigen Statistikbehörde INE in den ersten acht Monaten dieses Jahres 11,2 Prozent mehr ausländische Besucher als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der alte Rekord wurde damit nicht überboten, sondern schlicht pulverisiert.

Andererseits kann man es in Zeiten des manischen Rekordtriebs auch einfach mal so sehen: Was Gäste aus anderen Ländern betrifft, ist – so rein wachstumstheoretisch betrachtet – in Deutschland noch jede Menge Luft nach oben. Zuwachsraten wie in Spanien, wo vielerorts vom Overtourism genervte Einheimische auf die Straße gehen, braucht eh kein Mensch. Das wunderbare Italien wiederum rechnet sogar mit einem Rückgang im Tourismus. Bei den Übernachtungen soll das Minus laut Prognosen genau jene 0,4 Prozent betragen, die Deutschland hinzugewonnen hat.

Vor allem aber mögen die Deutschen ihr Land offenbar doch viel lieber, als es häufig den Anschein erweckt.

Der Autor macht auch gerne im eigenen Land Urlaub. Er wohnt allerdings in Österreich.
Der Autor macht auch gerne im eigenen Land Urlaub. Er wohnt allerdings in Österreich. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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