Süddeutsche Zeitung

Deutschland:Schwitzen und schauen

Weimar feiert 100 Jahre Bauhaus mit einem ungewöhnlichen Marathon: Die Läufer können anhalten, Architektur besichtigen und sogar malen.

Interview von Jochen Temsch

100 Jahre Bauhaus - dazu finden in den kommenden Monaten zahlreiche Veranstaltungen wie Ausstellungen, Führungen und Workshops in ganz Deutschland statt. Und es gibt ein Ereignis, das sich von allen anderen abhebt: einen Marathon in Weimar, bei dem die Teilnehmer den Lauf unterbrechen und Sightseeing an Bauhaus-Orten betreiben, sogenannte Kulturauszeiten nehmen können. Der "100-Jahre-Bauhaus-Marathon" findet einmalig am 28. April statt. Anmeldeschluss ist der 4. April (Teilnahmegebühr 90 Euro, Nachmeldungen bis 10. April 100 Euro, www.100-jahre-bauhaus-marathon.de, www.thueringen-entdecken.de). Erfunden hat diesen Wettkampf ohne Wettkampfcharakter der passionierte Weimarer Läufer Helmut Krauß.

SZ: Sport und Sightseeing, wie passt das zusammen?

Helmut Krauß: Die Kombination der Bauhaus-Höhepunkte mit einer körperlichen Herausforderung passt sehr gut. Natürlich nur für diejenigen, die keine persönliche Bestzeit anstreben, aber das ist ja auch nicht Sinn der Sache. Der Lauf hat eher einen entschleunigenden Charakter und ist eine Einladung zur inneren Einkehr. Wir rechnen mit ungefähr 1500 bis 2000 Startern. Los geht es vor dem neuen Bauhaus-Museum - über die klassische Marathondistanz von 42,195 Kilometern oder wahlweise auf einem Halbmarathon oder zu viert in der Staffel durch Weimar und das Umland. Dabei wird nur die reine Laufzeit bestimmt.

Wie funktioniert das?

Vor den einzelnen Kulturauszeiten stehen Matten, und wer mit seinem Zeitnahme-Chip am Schuh darüber läuft, stoppt die Uhr. Nach der Auszeit müssen die Teilnehmer wieder über eine Matte laufen, und die Zeitnahme geht weiter. Bei den meisten Marathons ist nach etwa fünf Stunden Zielschluss. Bei uns hat man sieben Stunden Zeit, um ins Ziel zu kommen. So kann sich jeder vorher ausrechnen, wie viel Zeit er unterwegs zum Sightseeing einplanen kann.

Was gibt es zu sehen?

Wir bieten neun verschiedene Kulturauszeiten an. Zum Beispiel Führungen in der Bauhaus-Universität, Livemusik oder Abstecher in fünf kleine Dorfkirchen, die Lyonel Feininger gemalt hat, einer der bedeutendsten Protagonisten der klassischen Moderne. Darunter ist die Kirche in Gelmeroda, in der ein Orgelkonzert mit einer Fuge Feiningers zu hören sein wird, der ja auch komponiert hat. Außerdem gibt es Stücke von Bach und Mendelssohn. Das Konzert dauert nicht sehr lange, und der Organist spielt das Programm während der Dauer des Marathons immer wieder von vorne. Vor der Kirche von Niedergrunstedt stellen wir Staffeleien auf und laden die Läufer selbst zum Malen ein. Sie schreiben ihre Startnummer auf ihr Gemälde und erhalten das Werk im Ziel. Natürlich kann nicht jeder Marathonläufer alles mitmachen, das ist zeitlich nicht möglich. Man muss auswählen.

Besteht da nicht die Gefahr, dass man an allem nur mal eben kurz vorbeirennt?

Ich denke nicht. Die Kulturauszeiten sollen Lust machen und die Neugierde wecken. Zwei, drei Orte erlebt man während des Laufs, den Rest schaut man sich eben später oder beim nächsten Besuch Weimars an. Vieles wird auch spontan geschehen, je nach Tagesform. Vielleicht bin ich so sportlich drauf, dass ich beim Marathon gar keine Pause machen, sondern durchrennen möchte. Ideal ist die Teilnahme an der Staffel. Während sie auf ihre Teamkollegen warten, können die Läufer sich aufs Bauhaus einstimmen. Etwa am Haus am Horn, dem 1923 erbauten Versuchshaus, wo wir Pilates anbieten. Oder am Haus Hohe Pappeln, dem Domizil des belgischen Architekten und Designers Henry van de Velde mit seinem wunderbaren Garten.

Hatten die Bauhäusler auch etwas mit Ausdauersport zu tun?

Mit Laufen nicht unbedingt, aber mit Gymnastik. Sie turnten auf den Ilmwiesen und ertüchtigten sich, wie man damals sagte. Als ich das vom Direktor der Klassik-Stiftung Weimar erfuhr, war ich motiviert, mit meiner Idee des Marathons fortzufahren.

Wie sind Sie darauf gekommen?

Beim Laufen. Da habe ich immer den Kopf frei und bin entspannt. Ich war auf dem Feininger-Radweg durch das Weimarer Land unterwegs. Feininger war ein passionierter Radfahrer. Da dachte ich: 100 Jahre Bauhaus spielerisch mit Sport zu verbinden - das wär's. Das ist jetzt vier, fünf Jahre her.

Die Umsetzung zog sich.

Die Detailarbeit hat viel Kraft gekostet, bis schließlich das Unternehmen SCC Events, das auch den Berlin-Marathon veranstaltet, als Organisator gewonnen war. Aber als Läufer mit 68 Marathons in den Beinen habe ich ja zum Glück genügend Ausdauer.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2019
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