Süddeutsche Zeitung

Deutschland ganz oben:Gründlich durchgelüftet am Sylter Ellenbogen

Windumtost und wild ist die eine Seite der Halbinsel an der Nordspitze von Sylt. Einen ganz anderen Eindruck gewinnen Spaziergänger dort, wo der Weg in die Wattlandschaft abzweigt.

Sylt hat einen Haken - und was für einen. Für viele ist er das Schönste an der gesamten Insel. Ganz oben im Norden geht Sylt von West nach Ost in eine Nehrung über, die wie ein angewinkelter Arm aussieht, wie ein Ellenbogen. Die 330 bis 1200 Meter schmale und langgestreckte Halbinsel befindet sich nördlich von List, der nördlichsten Ortschaft Deutschlands.

Wer das Gebiet zu Fuß erkunden will, kann im Lister Hafen zu der etwa 20 Kilometer langen Rundwanderung aufbrechen. Gleich hinter der Wattenmeerstation Sylt, einer Dependance des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung, beginnt ein Weg durch die Dünenlandschaft.

Immer wieder eröffnen sich großartige Ausblicke auf den Königshafen und den Ellenbogen. Auf der Mövenberg-Deichkrone verläuft die Route bis zur Jugendherberge und der Mautstelle. Wer mit dem Auto über eine schmale Straße anreist, wird hier zur Kasse gebeten. Radfahrer und Fußgänger müssen aber nichts bezahlen. "Fünf Euro sind für einen PKW fällig", erklärt die resolute Dame im Kassenhäuschen. "Dafür bekommen Sie die schönste Landschaft, die es gibt."

In der Tat ist wohl nirgendwo eine Landschaft elementarer, die Wirkung von Sonne, Wind und Salz direkter als hier am nördlichsten Punkt Deutschlands. Und wer den Ellenbogen kennt, zahlt gern und freut sich, dass die Landbesitzer von List dieses Fleckchen Erde für die Allgemeinheit öffnen.

Über Schafsweiden geht es am Nordufer des Könighafens bis zur Spitze des Ellenbogens. Unterwegs ist auf Tafeln Wissenswertes zum Ursprung der Landschaft zu lesen. Dazu gehört, dass der Ellenbogen nach der Großen Mandränke von 1362 entstand, als sich der von der Westküste Sylts fortgespülte Sand während dieser schweren Sturmflut hier ablagerte. Heute sind große Teile der kargen Landschaft Brutgebiet für seltene Vögel und dürfen nicht betreten werden.

Und man erfährt auch, dass der Königshafen nie ein Hafen im heutigen Sinne war, sondern seinen Namen nach einer Seeschlacht im Dreißigjährigen Krieg erhielt, aus dem ein dänischer König siegreich hervorging.

Wenn der Wind gut steht, zieht es Kite-Surfer genau an diese Stelle. Hier finden sie ideale Bedingungen, müssen sich aber sehr genau an ihr abgegrenztes Revier halten, um einige Dutzend Seelöwen nicht zu stören, die hier ihre Heimat haben.

Still und einsam auf der Wattseite

Zumeist aber ist es still und einsam auf der Wattseite - und das ist es, was viele Urlauber hier so schätzen. Und weil es weit und breit keine Möglichkeit zur Einkehr gibt, verpflegt man sich zünftig aus dem Rucksack.

Nun ist der Weg auch nicht mehr weit bis zur Stelle, an der das ruhige Watt auf die Westwinde und die starken Strömungen der Nordsee trifft. Baden ist hier verboten. Also weiter gewandert am Sandstrand des Westufers, den Blick auf die eilig vorüberziehenden Wolkenformationen, die wogende See mit ihrer Brandung und den weiten Strand gerichtet.

Schon bald taucht in der urwüchsigen Dünenlandschaft der Leuchtturm List-Ost auf, etwas später wird sein Zwillingsbruder List-West, erreicht. Die beiden nördlichsten Leuchtfeuer Deutschlands sind nicht nur beliebte Fotomotive - beide Türme waren bereits mehrfach maritime Kulisse für Filmaufnahmen. Und wer vom Wandern am Strand nun eine Abkühlung braucht, kann sich an Ort und Stelle für ein erfrischendes Bad in die Nordseewellen stürzen.

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Detlef Berg, dpa/dd
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