Camping am Hopfensee:Fango in der Wagenburg

Camping am Hopfensee: Seit mehr als 60 Jahren gibt es den Campingplatz am Hopfensee im Allgäu.

Seit mehr als 60 Jahren gibt es den Campingplatz am Hopfensee im Allgäu.

(Foto: Camping Hopfensee)

Der Campingplatz, der Deutschlands beliebtester sein soll, liegt im Allgäu am Hopfensee. Dort zeigt sich, wie Urlauber heute verreisen - und was sie dafür in Kauf nehmen.

Von Monika Maier-Albang

Die Hundedusche, na so etwas. Da liegen Haare am Boden, und in der Wanne auch noch welche. Es kann natürlich sein, dass gerade eben einem kleinen Schwarzen, der im See gebadet hatte, das Moorwasser aus dem Fell gespült worden ist. Doch für die Chefin ist das kein Argument. Haare sollten nirgends lange sein, nicht im Schwimmbad, das es am "Camping Hopfensee" selbstredend gibt, nicht in den Umkleiden, nicht im Spa. Die Putztruppe weiß also rasch um die Hundehaare, und vermutlich sind sie ebenso rasch weg. Denn die Chefin bringt derartige Wünsche freundlich, aber auch deutlich zum Ausdruck. Im Vorübergehen hebt sie noch einen Papierschnipsel auf und wirft ihn in den Mülleimer. Sauberkeit am Platz, sagt Herta Mayr-Marx, sei "das Allerwichtigste".

Der Platz: neun Hektar, 377 Stellplätze, bevölkert jetzt in der Hochsaison von rund 1300 Menschen, von denen 90 Prozent Urlaub im eigenen Land machen. Von manchen der Wagen könnte man mit etwas Sich-Recken über die Hecke zum Nachbar-Wohnwagen hinübergreifen. "Ist schon eng geworden hier", sagt Anita Holzer. Die Frau aus Solingen kennt den Platz bei Füssen im Allgäu noch so, wie er vor 30 Jahren aussah: gesprenkelt mit Zelten und kleinen Autos, die diese Zelte hergebracht hatten. Diejenigen, die da schon mit dem Wohnwagen unterwegs waren, mischten sich abends mit dem Zeltvolk. Das findet heute keinen Platz mehr am Hopfensee. Die Anlage habe sich anders entwickelt, sagt Eduard Mayr, Hertas Mann. Alles "Komfortplätze", seit Anfang der 90er-Jahre schon - mit Elektroanschluss und einem campertauglichen, somit zeltunfreundlich verdichteten Boden. Diese Plätze bringen gutes Geld, fordern aber auch Wartung ein. Und so geht man durch lauter ordentlich geschachtelte Wohnmobile und Wohnwägen, die sich zur Reihenwagensiedlung zusammenfügen.

Natürlich ist es nicht überall in Deutschland so wie hier auf dem Platz, der schon in den Achtzigerjahren vom ADAC als "Superplatz" geadelt wurde, seitdem immer wieder beste Bewertungen erhielt und in diesem Jahr vom Portal Camping.info zum "beliebtesten Campingplatz Deutschlands" gekürt wurde. Aber die Entwicklung am Hopfensee spiegelt doch einen Trend: Wer heute campt - und das mehr als eine Nacht mit seinem Kind an einem See, um ihm mal zu zeigen, wie abenteuerlich ein heimatnaher Zeltausflug zwischen Mücken und Lagerfeuer sein kann -, mag es in der Regel bequem. Mag seine Sachen nicht verstreut über den Platz liegen haben, sondern an Ort und Stelle im Wagen deponiert. Und er möchte auf dem Platz zumindest das vorfinden, was Standard ist: Restaurant, Shop, Mitmachangebote wie Yoga, Qigong, Tai-Chi.

Camping wie ein Wellness-Urlaub

Die Mayrs haben mehr. Meditationskurse, ein Kino, Fango, Heusack-Sauna, Phönixbad mit Bachblüten gegen "totale Erschöpfung". Solarium. Einen Raum für den Kneipp'schen Blitzguss, ein Red-Hot-Haus, in dem man bei 65 Grad und extrem geringer Luftfeuchtigkeit trainieren kann, was gut für die Lunge und überhaupt für eine "schnelle Regeneration" sein soll, wie die "Wellness-Managerin" des Campingplatzes sagt, Anja Mayr, die Tochter der Betreiber. Dass die erweiterte Familie mitarbeitet, ist erwünscht. Denn was für die Gäste offenbar das Allerwichtigste ist neben der Sauberkeit, das ist die persönliche Betreuung. Herta Mayr-Marx findet man dann auch am Vormittag in ihrem Zimmer neben der Rezeption, sie begrüßt, verabschiedet, hört sich Sorgen und Lob an - wie sich das gehört für einen Familienbetrieb mit gefühltem Familienanschluss.

Anita Holzer, die Frau aus Solingen, ist nach Jahren der Allgäu-Abstinenz mal wieder in Füssen. Der Sohn hat sie und ihren Mann Dieter hergebracht, der alten Zeiten wegen. Sie sagt: "Ach, die Frau Mayr ist noch da. Wie schön!"

Wie der Campingplatz am Hopfensee entstand

Die Mayrs haben ihre eigene Vorstellung davon, wie man einen Campingplatz betreibt. Seit mehr als 60 Jahren schon. Am Stammtisch des Gasthofs Seeblick in Hopfen am See saß man damals zusammen. Der Leiter des hiesigen Reisebüros, Hans Röck, hatte einen Brief bekommen: Die Ortsgruppe München des Deutschen Camping-Clubs bat um eine gemähte Wiese am Ufer des Hopfensees, um an Pfingsten zelten zu können. Eduard Mayr, der Schwiegervater, der denselben Vornamen trägt wie ihr Mann, sei etwas zögerlich gewesen, sagt Herta Mayr-Marx. War ja nicht klar, was da für Leute kommen würden. Jakob-Karl Marx, ihr Vater, meinte dagegen, man solle möglichst viele kommen lassen. Dann könnten alle sehen, wie schön es am Hopfensee ist.

Und so kamen sie: mit dem Rad, mit dem VW. Sie bauten am Pfingstsamstag auf Mayrs feuchter Streuwiese, wo sich sonst Schilf und Pfeifengras wohlfühlten, ihre Zelte auf, sprangen in den See, sonnten sich und grillten - was bis heute ein unverzichtbares Element auch für Wohnwagen-Camper geblieben ist, wie Mayr-Marx sagt. Frühstück draußen beim Wagen, mit Laugenbrezeln, schwäbischen Seelen und Aprikosenblätterteigtaschen. Zum Mittagessen Salat und Gegrilltes beim Wagen. Am Abend gern ins Restaurant, wahlweise auf dem Platz oder in den umliegenden Orten. Ist ja längst keine Arme-Leute-Bewegung mehr, das Campen.

Ihre Dauercamper haben die Mayrs über die Jahre übrigens wegkomplimentiert. Dauercamper, das ist ihre Erfahrung, gehen kaum essen, kommen irgendwann nur noch sporadisch und beginnen, sich an Nichtigkeiten zu stören. Urlauber hingegen haben ein Budget für die Zeit, die sie am Urlaubsort verbringen, und das geben sie auch aus - in Lokalen, für Kleidung, für Ausflüge. Deshalb die Entscheidung: nur noch Urlauber. "Ich fühle mich der Region verpflichtet", sagt Herta Mayr-Marx.

Zur Mayr'schen Überzeugung gehört bis heute auch, dass es Animation für die Kinder nicht gibt. Schon als die Idee der Kinderbespaßung in den Siebzigern aus Holland herüberschwappte, habe man sich dagegen gewehrt, sie zu übernehmen, sagt Eduard Mayr. "Auch, wenn uns das Probleme mit dem ADAC eingebracht hat." Die Kinder seien daheim genug verplant, "die sollen wenigstens im Urlaub die Freiheit haben, zu machen, was sie wollen". Frei, sich ihre Freunde zu suchen, ihren Tagesrhythmus zu bestimmen, auch mal Aggressionen rauszulassen. Es freut die Mayrs, dass so viele Familien mit Kindern zu ihnen kommen; manche Gäste sind hier schon in der vierten Generation.

"Die Leute wollen Action"

Statt Animation gibt es am Hopfensee: ein "Spielhaus", das zwölf Stunden geöffnet ist und über zwei Stockwerke geht, mit Bolzplatz, Rutschen, Trampolin, einem Zockerraum für Jugendliche, der allerdings erst ab 18 Uhr öffnet. Einen Kindergarten, wenn Eltern mal alleine was unternehmen wollen. Einen Zwergerlraum, der mit einem Code gesichert ist, damit die Großen nicht reinkönnen. Einen Bastelraum, in dem Väter sitzen und mit ihren Söhnen und Töchtern T-Shirts bemalen, unter Anleitung. Früher seien die Männer angeln gegangen, sagt Eduard Mayr. Den Frauen musste als Erholung genügen, dass ihnen die Männer beim Kochen nicht im Weg herumstanden.

Dabei hat das Urlaubsverhalten der Camper sich ähnlich verändert wie das der Nichtcamper: Man fährt kürzer, dafür mehrmals im Jahr weg. Es gibt nicht mehr nur den einen großen Sommerurlaub, für den sich die Kumpels aus dem Ruhrpott früher direkt nach der Schicht hinters Steuer setzten. "Die Bleichen" nannte man sie im Ort. Heute ist der Platz nicht nur während der Sommerferien voll, er ist es eigentlich zu jeder Ferienzeit. Vom Wetter haben sich die Camper - auch dank der Mayr'schen Anbauten - zunehmend unabhängig gemacht. Die Wohnmobile sind ja beheizbar, und sie werden immer geräumiger. Acht Meter Länge, zwölf, 20 sogar, aber die ganz Großen moderiert die Chefin dann doch ab. Der Platz am Hopfensee kann nicht mitwachsen mit den Autos, auf der einen Seite ist die Ortschaft, auf der anderen grenzt er ans Naturschutzgebiet. Und zu beengt soll es für diejenigen, die da sind und in der Regel ein Jahr im Voraus gebucht haben, nun auch nicht werden. "Sonst nimmt man ja dem Nachbarn die Sicht."

Im Winter fahren die Kinder Ski auf dem Hügel nebenan und Schlittschuh auf dem Bolzplatz, der seit zwei Jahren mit Kunsteis überzogen wird. Früher haben sie ihn einfach mit Wasser übergossen. Mittlerweile sind die Winter zu warm. Einfach nur ausspannen, auch das reiche den Urlaubern längst nicht mehr, sagt Eduard Mayr. "Die Leute wollen Action." Können sie ja auch haben: die Berge, die Königsschlösser, die Wieskirche, Fahrradwege. Ist alles da. Und natürlich der See mit dem angrenzenden Naturschutzgebiet. Der "Schorer", ihre Mooswiese, die nur einmal im Jahr gemäht wird, sei im Mai besonders schön, sagt Herta Mayr-Marx. Um den Muttertag herum leuchtet sie blau und pink, dann blühen hier die Mehlprimeln und der Enzian. Wie früher.

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