Süddeutsche Zeitung

Deutscher Flugverkehr:Gefahr durch Aschewolke vorerst gebannt

Nach stundenlangen Beeinträchtigungen konnte der deutsche Flugverkehr am Abend seinen Betrieb wieder aufnehmen. Für Montag wird noch mit "punktuellen Behinderungen" gerechnet.

Nur drei Wochen nach dem letzten Flugchaos hat Asche des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull wieder den Luftverkehr in Deutschland behindert. Beeinträchtigungen gab es am Wochenende auch in anderen Ländern Europas - darunter Frankreich, Spanien und Österreich - sowie auf den Transatlantikstrecken.

Nach Angaben der deutschen Flugsicherung waren am Abend aber alle deutschen Airports wieder geöffnet. Auch der Flughafen München habe seit 21:00 Uhr wieder seinen Betrieb aufgenommen.

In Deutschland waren am Sonntag Bayern und Baden-Württemberg von den Luftraum-Sperrungen betroffen. Dies stieß bei den beiden größten deutschen Airlines auf heftige Kritik. Gestrichene oder verspätete Flüge verärgerten auch viele Passagiere in anderen Bundesländern.

Für Montag sagten Meteorologen noch "punktuell" Behinderungen durch die Asche in mehreren Kilometern Höhe voraus. Ab Dienstag sei dann mit keinen Beeinträchtigungen mehr zu rechnen. "Der Regen über Süddeutschland hat die Aschekonzentration nach den uns vorliegenden Daten bereits teilweise ausgewaschen", sagte ein Meteorologe des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am frühen Montagmorgen.

Der Luftraum am zweitgrößten deutschen Flughafen in München war am Sonntag ab 15:00 Uhr gesperrt worden. Vor den Schaltern der Airlines drängten sich ratlose Passagiere in Warteschlangen von mehreren hundert Metern Länge.

In München wurden die Flüge nach Instrumenten und auf Sicht verboten. Am Abend wurden auch die Airports Memmingen und Augsburg wieder geöffnet. Der ebenfalls am Nachmittag geschlossene Flughafen Stuttgart nahm bereits um 18:00 Uhr seinen Betrieb wieder auf.

Die Lufthansa kritisierte ebenso wie ihr Konkurrent Air Berlin die deutschen Flugverbote als "falsch". "Es gibt keinen konkreten Hinweis auf eine Gefährdung", sagte ein Lufthansa-Sprecher. Erneut seien für die Entscheidung nur Computersimulationen herangezogen worden.

Die Schweiz, die eigene Messungen durchgeführt habe, lasse weiter den Flugverkehr zu. In Deutschland habe es dagegen keine Messflüge gegeben. "Wir haben keinerlei hinreichende Beweise vom Deutschen Wetterdienst, was da in der Luft ist", sagte auch ein Air-Berlin-Pressesprecher.

Die Vulkanasche aus Island sei über Spanien und Frankreich in einen Teil des süddeutschen Luftraums gezogen, erklärte die Flugsicherung aufgrund von Daten des Deutschen Wetterdienstes und von Vulkanasche-Spezialisten aus London.

In dem Luftraum gebe es daher eine hohe Konzentration an Vulkanasche. Die Partikel gelten zwar für Menschen nicht als schädlich, können in hoher Konzentration aber Triebwerke moderner Jets schädigen oder gar zum Ausfall bringen.

Frankfurt nicht direkt betroffen

Bereits Mitte April waren fast sechs Tage lang weite Teile des europäischen Luftraums gesperrt worden. Zehntausende Flugausfälle führten zu Schäden in Milliardenhöhe. In Deutschland setzten mehrere Airlines auf Sichtflüge, für die sie eine Sondergenehmigung erhielten. Die EU-Verkehrsminister beschlossen daraufhin ein Modell mit drei Gefährdungsstufen, um eine einheitliche Regelung zu haben.

Der größte deutsche Flughafen in Frankfurt war von der Asche nicht direkt betroffen. Allerdings fielen allein am Sonntag 31 von knapp 1400 Flügen aus, weil andere Flughäfen in Europa geschlossen waren.

"Potentiell kontaminiert"

Einige andere Lufträume in Deutschland waren am Sonntag nach Einstufung der Flugsicherung "potentiell kontaminiert". Dort waren Flüge aber weiter möglich. Nach einem vom Bundesverkehrsministerium festgelegten Plan müssen Airlines dann alle besonderen Vorkommnisse melden und Flugzeuge unverzüglich auf mögliche Schäden untersuchen.

Nach Einschätzung von Eurocontrol vom Mittag sollte es am Sonntag in Europa rund 24.500 Flüge geben, etwa 500 weniger als normal. Am Samstag waren rund 200 Flüge ausgefallen. Auf den Strecken über den Atlantik kam es zu mehrstündigen Verspätungen, weil die Maschinen die Aschewolke umfliegen mussten.

Der Flughafen von Luxemburg blieb bis 6:00 Uhr am Montagmorgen geschlossen. Erstmals wurden am Sonntag auch Teile des portugiesischen Luftraumes wegen der Asche geschlossen. Nach Angaben der nationalen Luftverkehrskontrollbehörde NAV sollte der Flughafen Francisco Sa Carneiro in Porto im Norden des Landes aller Voraussicht nach am Montag um 7:00 Uhr Ortszeit wieder geöffnet werden. Der von Lissabon um 13:00 Uhr Ortszeit. Am Sonntag waren auch alle Flughäfen auf den Azoren etwa 1500 Kilometer westlich vom europäischen Festland geschlossen worden, hieß es.

Betroffen von der Vulkanasche in der Luft waren laut Eurocontrol auch Flughäfen im Nordwesten Spaniens und im Norden Italiens. Vorübergehend seien die Flughäfen Mailand, Pisa und Florenz gesperrt. Österreich schloss die Flughäfen Innsbruck, Salzburg, Linz und Wien. Die Schweiz schloss sich der Sperrung zwar nicht an; dennoch fielen am Sonntag zahlreiche Flüge in Genf, Basel und Zürich aus.

Die Fluggesellschaft EasyJet strich sämtliche Flüge von und nach Genf, wie die Nachrichtenagentur SDA berichtete. Die Schweizer Luftaufsicht hatte am Samstagabend entschieden, dass der Luftraum über der Schweiz offen bleiben soll. Die Dichte der neuen Aschewolke des isländischen Vulkans stelle für Flugzeuge derzeit keine Gefahr dar, hieß es.

Unterdessen stoßen die Sichtflüge von Verkehrs-Jets während der Luftraumsperrung im April nach einem Bericht des Spiegel weiter auf Kritik. Flüge im kontrollierten Sichtflug seien riskanter gewesen als die Gefahr durch die Vulkanwolke, schreibt das Magazin unter Berufung auf Piloten.

Lufthansa-Sicherheitspilot Jürgen Steinberg hat demnach seine Zustimmung zu den Sichtflügen inzwischen bedauert. "Das darf sich nicht wiederholen. Heute würde meine Empfehlung in der gleichen Situation lauten: "Don't do it" (Tue es nicht)", schrieb er den Angaben zufolge. Die Lufthansa wies die Kritik als Privatmeinung zurück.

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