Nullrunde bei Bahnpreisen:Einmal ist keinmal

Imagepflege in höchster Not: Erstmals seit acht Jahren erhöht die Deutsche Bahn zum Winterbeginn nicht die Ticketpreise für den Fernverkehr. Viele Pluspunkte wird ihr das nicht einbringen.

Daniela Dau

Es gibt nicht viele Gewissheiten im Leben eines Bahnfahrers. Pünktliche Abfahrt und Ankunft gehören nicht dazu, genauso wenig wie kundenfreundliche Beratung am Servicedesk oder eine leicht zu durchschauende Preisstruktur.

Nur auf eines konnten sich Zugpassagiere verlassen: Wenn zum Winterbeginn der neue Fahrplan kommt, erhöht die Deutsche Bahn die Preise.

Der neue Fahrplan gilt in diesem Jahr vom 12. Dezember an - und siehe da. Erstmals seit 2002 lässt die Bahn alles beim Alten, zumindest bei den Kosten für Fernstrecken. Wurden bislang in schöner Regelmäßigkeit hohe Tarifabschlüsse oder gestiegene Energiepreise als Begründung für die leider notwendigen Aufschläge angeführt, hält man sich diesmal im Reich des Rüdiger Grube vornehm zurück.

Das muss die Deutsche Bahn auch, will sie ihr ramponiertes Image nicht noch weiter beschädigen. Zu gut in Erinnerung sind die ehrgeizigen Börsenpläne des früheren Bahnchefs Hartmut Mehdorn, Einsparungen und Servicekürzungen im Regional- und Nahverkehr, dazu technische Probleme und langwierige Wartungsphasen bei den ICE-Zügen - selbst dem geduldigsten Bahnnutzer schwoll da in der Vergangenheit die Zornesader an.

Zudem schien die Pannenserie nicht mehr abzureißen: Im Winter 2009/2010 legten Schneefälle (so etwas soll vorkommen in Mitteleuropa) ICE-Strecken teilweise tage- und wochenlang lahm. Tausende Bahngäste froren auf zugigen Bahnhöfen oder strandeten im Irgendwo.

Im Sommer dann das umgekehrte Bild: Gleich mehrfach verwandelten ausgefallene Klimaanlagen Zugwaggons in Saunakabinen, Fahrgäste kollabierten und mussten in Krankenhäuser gebracht werden. Die Klimaanlagen - sofern sie funktionierten - waren nicht auf die sommerliche Hitzewelle ausgelegt.

Das Image der Bahn als zuverlässiges, komfortables Verkehrsmittel ist nicht nur angekratzt, sondern beinahe vernichtet.

Aktuell ist die Bahn einer der Hauptakteure in den Auseinandersetzungen um das Großprojekt Stuttgart 21 und will, allen Protesten zum Trotz, den Bau weiter vorantreiben - eine Imageverbesserung ist auch dadurch nicht zu erwarten. Die Bahn ist ein ökologisch angesagtes Verkehrsmittel, das es sich selbst zu oft zu schwer gemacht hat.

Nun also die Nullrunde, ein Zeichen der Zuneigung zum Kunden. Das ist erst einmal zu loben.

Ein steigendes Ansehen bei den Reisenden wird ein einmaliges Aussetzen der Preiserhöhung aber langfristig nicht bewirken. Will die Bahn künftig höhere Fahrgastzahlen präsentieren und endlich von der leidigen Ausweichmöglichkeit für Pendler zu einer modernen und zuverlässigen Fortbewegungsalternative zum Straßenverkehr werden, müssen Qualität und Angebot stark verbessert werden - mit einer vernünftigen und einfachen Preisstruktur.

Doch die Vergangenheit lehrt: Das Unternehmen wird wohl bald in alte Verhaltensmuster zurückfallen. Schon in der übernächsten Woche werden neue Warnstreiks den stark genutzten Regionalverkehr zum Teil lahmlegen. Den Gewerkschaften geht es um einen Branchentarifvertrag auch mit den Privatbahnen, die bislang nicht die höheren Löhne der Deutschen Bahn zahlen.

Die Passagiere würde es wohl kaum überraschen, wenn ein solcher Branchentarifvertrag für eine weitere Preiserhöhung auch bei der Deutschen Bahn herhalten muss - dann eben im kommenden Jahr.

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