Deutsche Bahn:Kein Nachtzug nach Berlin - na und?

Münchner Hauptbahnhof bei Nacht, 2010

Münchner Hauptbahnhof bei Nacht - von Dezember an noch ruhiger.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Bahn schafft die Nachtzüge zwischen München und Berlin ab. Deshalb muss wirklich niemand traurig sein.

Von Jakob Schulz

Die Bahn verabschiedet sich von ihren Nachtzügen. Nein, nicht von allen auf einmal. Zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember trifft es die Strecke München-Berlin. Nach Paris oder Kopenhagen fahren nachts bereits keine Züge mehr. Über die Schienen werden im Mondlicht keine sehnsuchtsvollen Städtetouristen mehr rumpeln, sondern nur noch Waren in Güterzügen. Traurig? Schon, irgendwie. Mit dem Nachtzug verreisen ist schließlich ein wundervolles Erlebnis: Für alle, die sich über nächtliche Passkontrollen übellauniger Grenzer freuen. Die den Geruch von Dieselqualm lieben oder den von mit hochgiftigem Teeröl imprägnierten Eisenbahnschwellen.

Nachtzüge lohnen sich nicht mehr, argumentiert die Bahn, die nüchterne Kalkulatorin. Alte Züge müssten teuer erneuert werden, schon jetzt macht der Konzern auf vielen Strecken Millionen-Verluste. Das Aus für Nachtzüge ist nur folgerichtig.

Natürlich geht ein Stück Reisekultur verloren, wenn man sich beim nächtlichen Halt in der Prärie nicht mehr aus dem Abteilfenster lümmeln und eine Selbstgedrehte in die Nacht schnippen kann. Sofern sich die Fenster noch öffnen lassen. Allein: Wer angesichts des Nachtzug-Stopps nun selbst kreischt wie ungeölte Zugbremsen, verklärt die Wirklichkeit. Was soll schön daran sein, an einem grauen Morgen übermüdet und mit krachenden Rückenwirbeln auf einen öden Bahnsteig zu stolpern? Wo der Horrorkaffee vom Bahnhofskiosk weckt, aber schmerzhaft. Die Magie der Zugreise hat sich da unsichtbar gemacht. Oder aus dem Staub.

Nachtzüge sind überholt, spätestens seit Fernbusse fahren. Es gibt keinen Grund mehr, sich in die schmierigen Liegeschalen des City Night Line von Berlin nach München zu zwängen. Für dieses zweifelhafte Vergnügen zahlt der Gast regulär mehr als 150 Euro für zehn Stunden auf den Schienen (bei sehr früher Buchung etwas mehr als ein Drittel davon), inklusive stundenlangem Stillstand auf Abstellgleisen. Keine acht Stunden braucht der Nacht-Fernbus für die Fahrt zwischen Berlin und München, knapp 40 Euro werden dafür fällig. Wer Bus fährt, steigt später ein und oft früher wieder aus.

Natürlich fallen auch Nachtbusreisende nur selten in einen erholsamen Tiefschlaf. Und Busbahnhöfe sind ebenfalls nicht als Wellness-Oasen mit Barista-Paradies bekannt. Geschenkt.

Busfahren ist günstiger und schneller, an Bord gibt es zudem Gute-Nacht-Bier für unter zwei Euro. Und auch, wenn das Wlan eigentlich nie richtig funktioniert, ist es doch immerhin eines: kostenlos.

In einer früheren Fassung des Textes hieß es, ein Lufthansa-Flug sei auf gleicher Strecke oft günstiger als eine Reise per Nachtzug. Allerdings wurden irrtümlich Spar- und Normalpreise verglichen. Der Fehler wurde korrigiert. (Redaktion)

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