Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Die Bahn rät: Fliegen Sie!

Lesezeit: 1 min

Zugfahren ist eine umweltfreundliche Reise-Alternative? Mag sein. Das hindert die Deutsche Bahn nicht daran, für Flüge zu werben.

Von Stefan Fischer

Verspätungen und überfüllte Waggons, Zugausfälle, geänderte Wagenreihungen, dazu heruntergekommene Bahnhöfe und ausbleibende Durchsagen, kein Wlan, aber viele Funklöcher: Bahnfahren ist nicht immer ein Vergnügen. Wobei es die Bahn ihren Kunden nur sehr schwer recht machen kann. Denn wenn eigentlich alles gut klappt, ist es trotzdem den einen zu warm und den anderen zu kalt an Bord.

Die Bahn fährt also immer auch gegen ihr Image an. Das ist in den vergangenen Monaten spürbar besser geworden - ohne dass die Bahn Grundlegendes verändert hätte. Aber seit das Fliegen am Pranger steht, wird die Bahn endlich als das wahrgenommen, was sie immer schon war: als klimafreundlichere Alternative.

Die Mehrwertsteuersenkung und die damit einhergehende Vergünstigung der Fahrpreise tun ein Übriges, um die Bahn plötzlich cool erscheinen zu lassen.

Die Bahn könnte jetzt laut jubeln oder - was souveräner wäre - still genießen. Stattdessen aber fährt sie ihren neuen Ruf einfach über den Haufen. Und das, ohne eine einzige Lokomotive zu bewegen.

Was ein treffliches Beispiel dafür ist, welche Erleichterungen die Digitalisierung mit sich bringt. Die Bahn also hat einen Newsletter versandt an ihre Kunden. Und sie darin ermuntert, Flüge zu buchen!

Urlaubsschnäppchen auf dem "Inselparadies Kuba" oder "Mallorca, der Perle im Mittelmeer" preist die Bahn an und etliches mehr, was billig ist und zusätzlich noch Frühbucher-Rabatte einbringt.

Schon klar, mit dem Zug kommt man weder nach Kuba noch nach Mallorca. Selbst in der ersten Klasse nicht. Dabei würden sogar Freifahrten in der ersten Klasse herausspringen - wenn man nur fleißig Flugpauschalreisen über die Bahn bucht, dafür Bonuspunkte sammelt und sich als Prämie kostenlose Erste-Klasse-Tickets aushändigen lässt. Steht alles so in dem Newsletter, unter dem Motto: "Winterstiefel gegen Flip-Flops tauschen!"

Wer darin eine schlüssige Logik oder sogar ein tragfähiges Geschäftsmodell erkennt, der glaubt auch, dass man, wenn man nur genügend Bier trinkt, ganz hervorragend von dem vielen Pfand leben kann.

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Quelle:
SZ vom 23.01.2020
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