Deutsche Bahn:"Alle sind überfordert"

Klaus Pooch arbeitete 30 Jahre lang bei der Bahn, lange Zeit als Schaffner - und ist froh, nicht mehr dabei zu sein.

Martin Zips

Damit die Reisenden in Zukunft mehr Ruhe haben, möchte Bahn-Chef Rüdiger Grube die Zug-Durchsagen auf Englisch reduzieren. Die Durchsagen waren zur Fußball-WM 2006 eingeführt worden. Klaus Pooch, 70, zuletzt Vorsitzender des mittlerweile mangels Mitgliedern aufgelösten Bahnangestellten-Vereins Fahrpersonal Wanne-Eickel 1893, arbeitete von 1971 bis 2000 bei der Bundesbahn, unter anderem als Schaffner.

SZ: Herr Pooch, ist das nicht traurig, dass die Bahn nun einige englische Durchsagen streicht?

Pooch: Nein, das ist überhaupt nicht traurig, das ist sogar gut. Ich wäre froh, wenn sie das ganze Englische weglassen würden. Je mehr Durchsagen kommen, umso weniger kann man sich während der Fahrt doch erholen. Als ich noch Schaffner war, musste ich auch manchmal mit Reisenden Englisch reden. Aber da wurde wenigstens nicht gleich der ganze Zug zum Zuhören verdammt. Ich frage mich nur, warum es immer noch "Service-Point" heißt, "Online-Ticket" oder "BahnCard". Das sollte man konsequenterweise auch streichen.

SZ: Wie war das denn 1971, als Sie erstmals als Schaffner gearbeitet haben?

Pooch: Da gab es nur Durchsagen am Bahnsteig, nicht im Zug. Und alle Durchsagen waren auf Deutsch. Bei der Kontrolle der Fahrkarten haben wir dann jedem einzelnen Passagier seine Fragen beantwortet und ihm seine Anschlusszüge mitgeteilt. Notfalls mit Händen und Füßen. Aber das geht ja heute nicht mehr.

SZ: Warum nicht?

Pooch: Die Leute reden meist nicht mehr miteinander. Fahrgäste sehen in Bahnmitarbeitern keine Menschen mehr, sondern eine Art Automaten. Obwohl der Zugbegleiter wirklich das letzte Glied in der Kette ist. Und dann erhält er das schlechteste Gehalt. Ich bin nicht mehr im Dienst. Ich kann offen reden. Aber machen wir Schluss. Mich regt das alles zu sehr auf.

SZ: Früher träumten die Kinder davon, Schaffner zu werden.

Pooch: Richtig. Da waren Schaffner noch Respektspersonen! Heute, wenn beispielsweise im ICE die Klimaanlage ausfällt, so werden die Schuldigen gleich im Zugbegleitdienst gesucht. Die Chefs drücken sich vor ihrer Verantwortung. Es zählt doch nur noch, ob ein Zug rechtzeitig los rollt. Stellen Sie sich mal an einen Fahrkartenschalter und hören sich die Verkaufsgespräche dort an.

SZ: Was hört man da?

Pooch: Alle sind überfordert! Die Bediensteten hinter dem Schalter, weil sie immer nur freundlich sein sollen - auch zu den komischsten Vögeln. Die Reisenden sind überfordert, weil sie das ganze Tarifsystem nicht mehr verstehen. Früher war die Fahrkarte ein kleiner Pappschnipsel mit eindeutigem Aufdruck, und wenn man ihn sich am Schalter besorgte, musste man auch nicht für die Beratung einen Aufpreis bezahlen. Aber diese Jungdynamiker in den Vorstandsetagen haben von der Eisenbahn keine Ahnung mehr, glaube ich.

SZ: Na, immerhin haben die jetzt ein paar englische Durchsagen gestrichen, um die Zugbegleiter zu entlasten.

Pooch: Wahrscheinlich müssen die Schaffner bald im Bordbistro die Rostbratwürste braten.

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