Designhotel Zürich:In alter Frische

Das Widder Hotel in Zürich war eines der ersten Designhotels. Seine jüngeren Kollegen lässt das Hausensemble mitten in der Stadt heute noch alt aussehen.

Katharina Matzig

Tilla Theus lacht, wenn man sie auf die Brille anspricht. "Ach, diese blöde Brille", sagt die Architektin. "Wie oft musste ich das silberne Modell nachkaufen, nie durfte ich wechseln."

Designhotel Widder Zürich, Widder Hotel
(Foto: Foto: Widder Hotel)

Inzwischen trägt die kleine, zierliche Schweizerin ein rotes Gestell auf der Nase, auch wenn sie sich sonst ganz klassisch vor allem auf schwarze Kleidung beschränkt. Doch immerhin ist das Projekt, für das sie wie eine Katzenmutter gekämpft hat, auch schon mehr als zehn Jahre alt.

Damals malte der Denkmalpfleger heimlich und aus Dankbarkeit während einer Nacht vor Abbau des Gerüstes das Bild einer Katze mit eben jener charakteristischen gradlinigen, metallglänzenden Brille. Noch heute schaut die Katze sichtlich zufrieden von der Hauswand aus luftiger Höhe auf den belebten Zürcher Rennweg und einen Brunnen, der Tag und Nacht quellfrisches Wasser spendet.

Es ist ein merkwürdiger Zufall, dass es ausgerechnet der Amazonenbrunnen ist, der dem Widder Hotel gegenüber steht. Die namentlich unbekannte Amazone rettete einst gemeinsam mit den Zürcher Frauen und Kindern die Stadt vor einer feindlichen Übernahme, als alle Männer in den Krieg gezogen waren.

Ebenso engagiert kämpfte Tilla Theus für den Erhalt der insgesamt acht mittelalterlichen Altstadthäuser, die zu einem Luxushotel umgebaut werden sollten.

Schlimm sah es damals um die historische Bausubstanz der allesamt mehr oder weniger verfallenen Gebäude aus. Die meisten stammen aus dem 13. Jahrhundert; im Haus "Pfeife" am Rennweg 5 wurden jedoch sogar Innenraumschichten eines römischen Gebäudes aus dem ersten bis zweiten Jahrhundert nach Christus freigelegt.

Die Hauptschwierigkeit jedoch lag darin, aus den acht einzelnen, in der Höhenabwicklung zudem differierenden Häusern ein einheitliches Raumgefüge zu bilden. Gelingen konnte das nur durch Tilla Theus' Ansatz, das Hotel komplett von innen heraus zu entwickeln.

Lesen Sie weiter, welche Funde dazu führten, dass die Umbauarbeiten für 18 Monate unterbrochen wurden.

In alter Frische

Fünf Untergeschosse sind so entstanden, ein Erdgeschoss und sechs Obergeschosse. So weit wie möglich wurde die tragende Gebäudekonstruktion beibehalten und die Hotelzimmer in den gassen- und hofseitigen Räumen angeordnet, während die Bäder und Korridore in Zwischenbereichen, in denen früher Alkoven, Gänge und Küchen waren, Platz fanden.

Glas, Chrom und archäologische Funde

Behutsam ist all das geschehen, so dass es heute so wirkt, als hätten die Häuser Jahrhunderte lang unter ihrer räumlichen Trennung gelitten. Nur für einen Aufzug aus Glas und Chrom und das umschließende Treppenhaus wurde ein Innenraum entkernt.

16 Baueingaben mit je 450 Plänen waren nötig, bis alle Umbauarbeiten realisiert werden konnten. Doch das ringt vermutlich nur Architekten Respekt ab. Die Bilder von abenteuerlichen Abfangkonstruktionen, die bis neun Meter unter den Grundwasserspiegel reichen und während der Bauzeit den Wassereinbruch in die Keller verhinderten, von Baugerätschaften und Konstruktionsteilen, die quer durch Fenster und Türrahmen geschoben wurden, von Stahlkorsetten, welche die instabilen Gebäude zusammenhielten, beeindrucken die Statiker.

Während die römischen, gotischen oder biedermeierlichen Funde für solche Aufregung bei Denkmalpflegern und Archäologen sorgten, dass sie den Bau für 18 Monate stilllegten. Vor allem jedoch begeistert das Widder Hotel, das 1995 eröffnet wurde, die Gäste damals noch so wie heute. Was vielleicht tatsächlich daran liegt, dass an Stelle der Vorherrschaft der Organisation die Herrschaft des Ererbten getreten ist, wie der Architekturkritiker Benedikt Loderer einst über das Haus schrieb.

Einmal pro Jahr besucht Tilla Theus heute noch ihre frühere Baustelle und schult die Mitarbeiter. Schließlich sollen auch sie etwas sagen können über das Hotel, selbst wenn die Architektin, die auch den Neubau für die Fifa in Zürich fertiggestellt hat, sich darum bemüht hat, die Geschichte der acht Häuser im Augustinerquartier in der Innenstadt im Inneren wie im Äußeren ablesbar zu machen.

Hautnah nachvollziehbar wird das bei einem Spaziergang durch das Hausgeflecht, bei dem man viele Stufen überwinden muss. An vielen Stellen wurden Außenfassaden zu Innenfassaden. Doch die alten Fensterformate, die Tilla Theus wie Bilder in den Wänden erhalten hat, der eigene Stein oder das eigene Holz, mit dem jedes Haus gestaltet wurde, zeigen immer noch die historischen Grenzen.

Jedes Zimmer ein Original

Jedes der 49 Zimmer hat zudem eine eigene Einrichtung. Schließlich, so Tilla Theus, sei ja auch jeder Raum anders. Das Haus ist vielen Designhotels, die seit Eröffnung des Widder Hotels entstanden sind, weit überlegen. Eine Badewanne neben dem Bett ist zwar chic, aber ebenso unkomfortabel wie zu kleine Schränke, und nicht jeder lässt sich beim Zähneputzen gern über die Schulter schauen. Less is more hat zwar der Architekt Ludwig Mies van der Rohe gesagt und damit schon zu Beginn dieses Jahrhunderts den Minimalisten die architektonische Weihe erteilt.

Doch es gilt auch less is a bore - weniger ist langweilig, wenn sich die Designhotels mit ihrem in gedeckten Tönen gehaltenen, reduzierten Mobiliar überall auf der Welt zum Verwechseln ähneln. Im Widder kann dem Gast das nicht passieren: Seine Geschichte macht das Hotel ebenso unverwechselbar wie seine Architektur, die jedes Zimmer in ein Original verwandelt.

Dass die Klassiker, der Lounge Chair von Charles Eames etwa oder Möbel von Le Corbusier sowie Tilla Theus' Affinität zum opulenten Jugendstil und der barocken Moderne vergleichsweise alt aussehen, ist ihre Qualität. Ob jedoch all die Design-Interieurs, die eher dem Zeitgeist als der Bequemlichkeit der Gäste geschuldet sind, in Würde altern können, das müssen sie erst noch beweisen.

Informationen "Lieblingszimmer" heißt ein Arrangement mit zwei Übernachtungen am Wochenende mit Frühstück und 3-Gänge-Menü im Widder-Restaurant. Sein Zimmer (12 bis 50 Quadratmeter), teils mit Wandmalereien aus dem 17. Jahrhundert (Zimmer 931, 921, 311, 308), teils mit altem (211) oder neuem Stuck (312), mit historischer Nussbaumvertäfelung (117) oder originalem Biedermeier-Mobiliar und Wandofen (920) sucht man vor Ort aus. Preis für zwei Personen im DZ ca. 997 Euro. Widder Hotel, Rennweg 7, 8001 Zürich, Telefon: 0041/44 22 42 526, www.widderhotel.ch

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