Kolumne "Ende der Reise":Total grünes Fliegen

Kolumne "Ende der Reise": Nachhaltigkeit ist ein weites Feld - und bietet in der Luftfahrtbranche offenbar reichlich Spielraum für Interpretationen, zum Beispiel in Form von Wein in Dosen.

Nachhaltigkeit ist ein weites Feld - und bietet in der Luftfahrtbranche offenbar reichlich Spielraum für Interpretationen, zum Beispiel in Form von Wein in Dosen.

(Foto: ©PhilippeVauresSantamaria)

Warum verkauft eine US-amerikanische Fluglinie jetzt Wein in Aludosen und hält das auch noch für nachhaltig? Versuch einer Rekonstruktion.

Glosse von Dominik Prantl

Also sprach einer der Obermuftis von Delta Air Lines zu Beginn der Sitzung: "Lasst uns groß denken." Es waren ja auch einige gekommen, zum "Delta-Goes-Green-Workshop": der Chief Customer Experience Officer etwa, die Vice President of Sustainability, der Master of Media and Public Relations oder so ähnlich. "Wie können wir nachhaltiger werden?", fragte der Obermufti noch. Alles dürfe auf den Tisch, es dürfe keine Tabus geben.

Ein Nachhaltigkeitsmensch - dessen Jobtitel noch länger wäre als dieser Einschub - hat daraufhin auf seinen Laptop geschaut und gesagt: "Wie wäre es, wenn wir zehn Prozent unseres Gewinns für Emissionskompensationen spenden; ein bisschen so, wie das die Allianz mit 'One Percent for the Planet' macht." Die Runde tuschelte, einer rief: "Allein 2019 wäre das eine fast 500-Millionen-Spende gewesen!", worauf die Begriffe "Corona-Krise!", "Träumer!", "Kommunist!" deutlich zu hören waren. Der Nachhaltigkeitsmensch redete aber weiter, "und dann könnten wir versuchen, auch alle anderen Mitglieder des Sky Teams von Aeroflot bis Xiamen Airlines davon zu überzeugen." Vielleicht könnte man sogar in Züge und Busse investieren.

Der Obermufti nickte wohlwollend. "Danke für den Input, aber wir brauchen am besten so etwas wie 2008 dieses Anstrichmittel Pre-Kote, das uns einen Umweltpreis einbrachte, aber vor allem auch Geld sparte." Also, hat einer von der sündhaft teuren Beratung aus Boston gesagt, man könne doch First-Class-Bettwäsche aus recycelten PET-Flaschen verwenden. "Ja, toll", pflichtete ein anderer ihm bei, "und die Kulturbeutel in einem Schwellenland herstellen lassen, per Hand!" "Bambusbesteck!", rief ein dritter, und der Boston-Berater sagte: "Und befreit den Wein vom Plastik!"

"What the ..." wollte der Nachhaltigkeitsmensch gerade wettern. Aber dann ist ihm eingefallen, dass er ja von Delta bezahlt wird und nicht von Greenpeace - und er hat still seinen Laptop zugeklappt. "Superbe!", sagte einer der Medien-Spezialisten, der immer recht frankophil wirken will, seitdem er mal ein Praktikum bei Air France gemacht hat.

Ja, genau so oder so ähnlich muss das gewesen sein, weshalb Deltas PR-Agentur kürzlich eine E-Mail verschickt hat, mit dem Hinweis, dass man die Bemühungen für eine nachhaltigere Zukunft des Flugverkehrs verstärke: mit in Mexiko handgefertigten Kulturbeuteln, Bambusbesteck in der First Class, aus Plastik recycelter Bettwäsche und - kein Witz - Spitzenweinen in Aludosen.

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