Süddeutsche Zeitung

Tourismus:Urlaub erst wieder ab 2021?

Dass im Sommer Auslandsreisen stattfinden können, ist unwahrscheinlich. Aber im eigenen Land regen sich zaghafte Hoffnungen.

Von Jochen Temsch

Die ersten Reiseveranstalter bieten jetzt neue Arrangements an für den Sommerurlaub - für das Jahr 2021. Urlaubern bleibt auch gar nichts anderes übrig, als hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen, denn in diesem Jahr sieht es mit ihren Sommerplänen schlecht aus, zumindest wenn sie eine Auslandsreise vorhatten. Ein Drittel aller Deutschen hat den Urlaub aufgrund der Corona-Pandemie bereits verschoben oder storniert, wie aus einer aktuellen Umfrage des ARD-Deutschlandtrends hervorgeht. 28 Prozent der Menschen wollen vorerst an ihren Reisevorhaben festhalten.

Die für die ganze Welt ausgesprochene Reisewarnung des Auswärtigen Amtes gilt aktuell zwar nur bis einschließlich 3. Mai, doch rechnet derzeit niemand damit, dass sie an diesem Stichtag schon aufgehoben wird. Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß, sagte, im April könne niemand eine seriöse Einschätzung der Lage im Juli oder August vornehmen. Dann haben die Sommerferien bereits begonnen. Los gehen sie in Mecklenburg-Vorpommern am 22. Juni, als Letztes ist Baden-Württemberg am 30. Juli dran. Mediziner gehen nicht davon aus, dass Urlaubsländer wie Italien, Spanien oder Frankreich bis dahin die Lage so weit im Griff haben, dass Urlaubsreisen dorthin möglich sind.

Branchen-Experten, etwa beim Deutschen Reiseverband (DRV), rechnen allerdings damit, dass sich die Situation in Deutschland verbessert. Das heißt, dass zumindest Heimaturlaub im Sommer möglich sein könnte. Doch derzeit ist auch hierzulande noch keine Reisefreiheit in Sicht. Kontaktbeschränkungen und die Aufforderung, sich möglichst zu Hause aufzuhalten, verhindern sogar Verwandtenbesuche und Tagesausflüge - mindestens bis einschließlich 3. Mai. Alle Übernachtungsmöglichkeiten, egal ob Hotels, Pensionen oder Campingplätze, sind bis dahin für Touristen geschlossen.

Dabei haben sich die Urlauber zuletzt sowieso keine großen Hoffnungen auf weitreichende Lockerungen gemacht. "Neue Buchungen gibt es so gut wie nicht", sagt DRV-Sprecherin Kerstin Heinen. In einer Hochrechnung geht der Verband für den Zeitraum von Mitte März bis Ende April dieses Jahres von Umsatzeinbußen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro aus. Eine Katastrophe für die Branche. Vereinzelt hätten Veranstalter bereits damit begonnen, Rückzahlungen für Sommerreisen oder Gutscheine mit Boni für Umbuchungen anzubieten. Die Bundesregierung ist für die Gutscheinlösung, um die Fluglinien und Reiseveranstalter liquide zu halten. Verbraucherschützer sehen das kritisch. Derzeit liegt die Entscheidung darüber bei der EU. So oder so haben Reiseanbieter keine Einnahmen, aber hohe Ausgaben. Selbst die Tui, der weltgrößte Reisekonzern, muss sich deshalb von einem staatlichen Kredit in Höhe von 1,8 Milliarden Euro stützen lassen.

Bei der Tui hat man den Sommer trotzdem noch nicht abgeschrieben. Man sei bereits mit den Regierungen vieler Ferienländer im Gespräch, die alles täten, damit die Gäste bald zurückkehren könnten, sagt die Sprecherin der Tui Group, Anja Braun. "Sobald ein Urlaubsland grünes Licht gibt, sind wir in der Lage, Reisen dorthin anzubieten."

In Deutschlands beliebtestem Reiseland Bayern erwarten Tourismusexperten, dass sich die Besucherzahlen zumindest von Sommer an langsam wieder stabilisieren. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erwartet dann einen "ziemlichen Run" auf die Gastronomie und Hotellerie. Der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband ist jedoch skeptisch, wie eine mögliche Öffnung unter strengen Auflagen, etwa mit Sitzabständen in Restaurants und Kellnern hinter Schutzmasken, bewerkstelligt werden soll.

Aus den Nachbarländern kommen unterdessen zaghafte Signale. In Österreich sollen Gastronomie, Hotellerie und Freizeitwirtschaft von Mitte Mai an stufenweise hochfahren. In Südtirol bereiten sich Hoteliers mit reduzierten Bettenkapazitäten und weniger Belegschaft auf einen vorsichtigen Neubeginn vor, hängen dabei aber von den Entscheidungen der Zentralregierung in Rom ab, wann wieder Touristen ins Land gelassen werden. Am beliebtesten Auslandsziel der Deutschen, Mallorca, rechnet man frühestens im August mit einem "sehr moderaten" Saisonstart. In Frankreich wurden zunächst bis Mitte Juli große, touristisch wichtige Veranstaltungen gestrichen, zuletzt das Theaterfestival in Avignon.

Der Urlaub dürfte in jedem Fall anders aussehen als gewohnt. Aktuelle Vorschläge zu Sicherheits- und Hygienemaßnahmen sind beispielsweise die Abschaffung der Hotelbuffets, Zwei-Meter-Mindestabstand für Liegetücher an Stränden und Plexiglasboxen für Badegäste.

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SZ vom 18.04.2020/edi
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