Coronavirus in Marokko:"Alle schreien rum und keiner weiß was"

Gestrichene Flüge auf einer Anzeigetafel am Flughafen Berlin-Tegel

Marokko hat die Ein- und Ausreise in zahreiche Länder gestoppt. Auch nach Deutschland geht seit Sonntag kein Flieger mehr.

(Foto: dpa)

Marokko hat ohne Vorwarnung seine Grenzen geschlossen, am Flughafen von Marrakesch herrscht Chaos. Viele Deutsche sitzen dort fest und fühlen sich alleingelassen.

Von Christina Kunkel

Manche Nachrichten in der Whatsapp-Gruppe "Gestrandete Deutsche" klingen verzweifelt: "Waren gerade drei Stunden am Flughafen ... hier ist pures Chaos... Alle schreien rum und keiner weiß was." Doch es gibt auch immer wieder Hoffnung. Jemand schreibt: "Aus Ceuta fahren noch Fähren nach Europa", ein anderer "Wir versuchen es morgen über Doha." Es ist eine spontane Schicksalsgemeinschaft, die sich in den vergangenen Tagen über den Messenger-Dienst vernetzt hat. Deutsche, die in Marokko festsitzen - und die nicht wissen, wann sie das Land verlassen können.

Eine von ihnen ist die 18-jährige Yannah Winkler. Sie ist seit zwei Monaten in Marokko, arbeitet dort als Freiwillige. Jetzt sitzt sie zusammen mit vier weiteren Deutschen, die sie am Flughafen kennengelernt hat, in einem Airbnb in Marrakesch und hofft auf Hilfe. Denn die marokkanische Regierung hat wegen des Coronavirus völlig ohne Vorwarnung die Grenzen geschlossen, Flug- und Fährverbindung in zahlreiche Länder gekappt. Die letzten Flüge nach Deutschland gingen am Samstag. Auch Yannah Winkler war mehrfach am Flughafen, stand fünf Stunden Schlange, um ihren Flug umzubuchen, der eigentlich erst Mitte April gehen sollte. Vergeblich. Auch die Mitarbeiter der Airlines sind mit der Situation überfordert. Wer die Hotline der Lufthansa wählt, schafft es meist nur in die Warteschleife. Einen eigenen Schalter hat die deutsche Airline in Marrakesch nicht.

Verzweifelte Menschen, widersprüchliche Aussagen, Angst um die eigene Gesundheit - auch Astrid Müller bangte zwei Tage um ihre Ausreise. Die Art Direktorin Digital der SZ erzählt am Sonntag kurz nach ihrer Landung am Münchner Flughafen: "Du hast diese diffuse Angst, hier nicht mehr wegzukommen, dazu keine verlässlichen Informationen." In Marrakesch klammerten sich die Menschen am Flughafen an jede noch so kleine Nachricht, berichtet Müller. Weil es keine offiziellen Ansagen der Behörden gibt, waberten ständig neue Falschnachrichten durch das Flughafengebäude. Es sei ein "Gefühl des absoluten Kontrollverlusts." Astrid Müller hatte am Ende Glück, über ein Drittland, das noch nicht vom Ausreisestopp betroffen war, nach Deutschland fliegen zu können.

Nach offiziellen Angaben gibt es in Marokko zwar erst 28 Corona-Fälle, doch diese Zahl ist nicht besonders glaubwürdig. Weil die Regierung nur sehr spärlich informiert, gibt es immer mehr Gerüchte. "Wir vermuten, die Dunkelziffer bei den Infizierten ist sehr hoch", so Yannah Winkler. Sie berichtet von zwei Deutschen, die vor ein paar Tagen zusammen mit einem bestätigten Corona-Infizierten im Flieger nach Casablanca saßen - und die jetzt Angst haben, in Marokko, wo die medizinische Versorgung nicht sehr gut ist, zum Patienten zu werden.

Krisenvorsorgeliste "Elefand" des Auswärtigen Amtes

Das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft waren zunächst keine große Hilfe für die Gestrandeten. Auch dort hat man offenbar das strikte Ein- und Ausreiseverbot nicht kommen sehen, eine Notfallnummer der Botschaft in Rabat bringt keinen persönlichen Ansprechpartner. Stattdessen bekommt der Anrufer eine SMS mit dem Hinweis, dass Flüge von Marokko nach Deutschland voraussichtlich bis zum 31. März ausgesetzt sind - und man gegebenenfalls Flugmöglichkeiten über Drittstaaten prüfen soll. In dringenden Fällen (Krankheit oder Medikamentenengpass) könne man eine SMS an die Notfallnummer schicken. Was dann passiert, weiß jedoch keiner. Was jedem Reisenden zu empfehlen ist: Sich zumindest in die Krisenvorsorgeliste "Elefand" des Auswärtigen Amtes einzutragen, um von den Behörden kontaktiert werden zu können. Bis Mittwoch haben Yannah Winkler und ihre vier neuen Bekannten das Airbnb in Marrakesch gebucht. Die Stimmung sei angespannt, aber noch hoffen sie, dass die deutschen und marokkanischen Behörden sich schnell darauf einigen, sie mit Sammelflügen ausreisen zu lassen. So lange klammern sie sich an jede positive Nachricht aus ihrer Whatsapp-Gruppe: "Wir sind jetzt auf spanischem Land," schreibt jemand am Samstagabend.

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