Süddeutsche Zeitung

Neue Tourismus-Regeln:Adieu Frühstücksbuffet

Honig in Glasschälchen, Brotlaibe in Servietten, und jeder greift von allen Seiten zu: Wenn Hotels bald wieder öffnen, dann ohne ein beliebtes Ritual.

Von Alexander Menden

Wer für 2020 jede Urlaubshoffnung aufgegeben hatte, freut sich nun, dass demnächst die Hotels wieder öffnen dürfen. Doch die sogenannte "neue Normalität" bedeutet, dass man sich auch bei Hotelaufenthalten vorerst von mancher Annehmlichkeit wird verabschieden müssen, die vor Corona selbstverständlich war. Einer der schmerzlichsten Verluste dürfte das Frühstücksbuffet sein, jenes Ritual des herzhaften Zugreifens gleich nach dem Aufstehen, bei dem sich, seien wir ehrlich, Distanzschlangen selbst bei reduzierter Auslastung kaum werden realisieren lassen.

Besagtes Ritual beginnt schon beim Betreten des Frühstücksraums: Kann man sich einen Fensterplatz sichern? Welche Zeitungen liegen aus? Klingt die Musik eher wie im Fahrstuhl oder mehr wie der Klangteppich bei einer Ayurveda-Massage? Dann die Sondierung: Gibt es gebackene Bohnen, Pampelmusensaft, kleine Kartoffelpuffer? Macht man sich den Kaffee selbst oder wird er im Kännchen gebracht? Wie hartgekocht sind die weichen Eier? Nirgendwo sonst sind Brotlaibe in Servietten eingeschlagen, damit niemand sie beim Scheibenabschneiden anfasst. Nirgendwo sonst würde man sich Marmelade, Honig und Nutella so geduldig, ja genüsslich in derart winzige Glasschälchen abfüllen. Und nur hier gibt es diese speziellen Toaster, die Weißbrot auf einer Art Förderband rösten.

Selbst die Globalisierung hat das Frühstücksbuffet nicht von Land zu Land austauschbar gemacht. Im Gegenteil, mit ihm sind untrennbar einige der schönsten ortsspezifischen Reiseerinnerungen verbunden: Die fraglos köstlichsten Pains aux raisins der Welt zum Beispiel, gestapelt auf einem Buffettisch mit rotweißkarierter Decke im französischen Bandol. Full Scottish Breakfast verzehrt in Edinburgh auf einem Teller mit dem Tartanmuster des Clans der MacLean. Duftige Reisbällchen, genossen in einem bahnhofshallengroßen Frühstücksraum im taiwanischen Kaohsiung. Die hellblauen Tischmülleimer mit Schwingdeckel in Bad Essen. All das wird nun vorerst Teil der nostalgischen Erinnerung an die Epoche vor der Pandemie bleiben.

Vor dem Neustart der Bundesliga beziehen jetzt die Fußballer schon wieder ihre Mannschaftshotels. Bekanntlich ist der Profifußball bei den Lockerungen von Corona-Umgangsregeln - zum Missfallen vieler - den meisten Normalsterblichen ein paar Schritte voraus. Doch eines müssen sich auch die Kicker verkneifen: Bei Hotelaufenthalten verbietet das Hygienekonzept der Deutschen Fußball Liga die Selbstbedienung an einem Frühstücksbuffet, sollte so eines überhaupt angeboten werden. "Essenausgabe durch eigenen Staff und/oder geringstmögliches Hotelpersonal; Essen wird auf einem Tisch abgestellt und von Spieler/Trainer/Betreuer abgeholt", lautet die zackige Anweisung. Dass das Coronavirus hier weiter seine Rolle als großer Gleichmacher spielen darf, mag alle anderen ein wenig über die vorläufige Abschaffung der schönsten Hotelmahlzeit des Tages hinwegtrösten.

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