Cook-Inseln rein virtuell:Staunen vor dem Bildschirm

Statt sich auf den weiten Weg in die Südsee zu machen, nimmt der Autor die Abkürzung im Netz und surft nur über die Webseiten - er landet schnell im Reich der Kuriositäten.

Stefan Fischer

Kia Orana! Was für ein freundlicher, wohltönender Gruß. Um ihn zugerufen zu bekommen, muss man allerdings einiges auf sich nehmen: eine knapp 30-stündige Reise auf die Cook-Inseln. Oder aber man surft ein bisschen durchs Internet. Da findet sich schnell jemand, der "Kia Orana!" ruft, "Willkommen!".

Cook Islands

Man muss schon genau hinsehen, bis sich das Bild von einem Reiseziel klar herausschält. Die digitale Wahrnehmung allein kann die Sicht auf die Dinge ganz schön trüben.

(Foto: iStockphoto / Topher McGrillis / Bearbeitung: SZ)

Und nicht nur das: Blumenkränze werden einem geflochten, Kokosnüsse aufgeschlagen, Segel gehisst; schließlich tanzen in der Dunkelheit des Abends ein paar hübsche Frauen über die Website cookislands.travel. "Stay with us" und "play with us" heißen zwei Menüs auf der Internet-Seite, um virtuell voranzukommen auf der Inselgruppe im Pazifik. Abhängen auf den Cook-Inseln, Spaß haben mit den Bewohnern - nichts lieber als das.

Denn daheim ist es derzeit nicht auszuhalten. Jeder klirrend kalte Wintertag wäre willkommener als dieses grauneblige Regen-Wind-Irgendwas von einem Wetter.

Klar, man müsste nicht gleich auf die Cook-Inseln reisen, könnte auch auf die wesentlich näher gelegenen Kanaren, um in der Sonne zu liegen. Aber auch diese Möglichkeit scheidet aus, die Zahl der Urlaubstage ist endlich, das Arbeitsaufkommen indes schier unendlich. Bleibt nur die virtuell angeregte Phantasie, ein digitales Düsen ins Ferienparadies. Und das liegt dann eben auf den Cook-Inseln und nicht in Maspalomas.

Also hinein in die pazifische Brandung oder gleich hinunter an die Felsen des Riffs, noch vor dem Frühstück - bevor man einige Viertelstunden und ein halbes Dutzend virtueller Tauchgänge später tatsächlich nass wird im Münchner Nieselregen auf dem Weg ins Büro. Es gibt im Netz offenkundig mehr Urlaubsvideos von den Inseln, als diese Einwohner haben. Auf rund 18.600 wird die Zahl der Bewohner insgesamt geschätzt, steht bei Wikipedia.

Das ist die andere Möglichkeit, sich im Internet an die Cook-Inseln heranzupirschen: Indem man sich mit Fakten eindeckt. Nach den Inseln ist eine Zeitzone benannt, Cook Islands Time (CKT). Und obwohl die gesamte Bevölkerung in eine Kleinstadt passen würde, sprechen die Insulaner neben der Rarotongaischen Sprache, die das liebliche "Kia Orana" hervorgebracht hat, auch Pukapukanisch und Rakahanga-Manihiki. Sehr schnell landet man im Bereich der Kuriositäten.

Virtueller Neid

Vollkommen absurd ist die Lagebeschreibung der Inseln auf paradisecook.com/cook-inseln - die Seite taucht immerhin als fünfter Treffer auf, wenn man bei Google "Cook-Inseln" eingibt: "Es gibt Cook-Inseln zwischen Tahiti und Fidschi. Wenn ein wenig leichter zu sagen befindet es sich in einem unter Hawaii, der Linke von Tahiti, dem Recht der Fidschi Seite."

Grafik Cook-Inseln

"Es gibt Cook-Inseln zwischen Tahiti und Fidschi. Wenn ein wenig leichter zu sagen befindet es sich in einem unter Hawaii, der Linke von Tahiti, dem Recht der Fidschi Seite" - nicht alles, was man im Netz findet, ergibt Sinn.

(Foto: SZ-Grafik)

Kurios ist aber auch manches, was man in den Videos sieht und hört. Der Auftritt von Jake Numanga etwa, der angeblich, wann immer ein Flugzeug aus dem Ausland auf der Hauptinsel Rarotonga landet, die Ankömmlinge singend und banjospielend mit polynesischen Liedern begrüßt. Um das genießen zu können, muss man als surfender Feriengast in der richtigen Stimmung sein.

Gewiss, an den Bildern der Lagunen sieht man sich auch nach zwei Wochen nicht satt, im Gegensatz zum Anblick der Pfützen vor der eigenen Haustür. Und lieber begegnet man jeden Tag tanzenden Insulanern im Netz als den muffigen Nachbarn im Treppenhaus. In einen tatsächlichen Kontakt kommt man mit den Cook-Bewohnern allerdings nicht. Zwar wird selbst von dieser entlegenen Inselgruppe aus emsig getwittert, aber das meiste sind Werbebotschaften von der Tourismusbehörde, von Hotels und Reiseveranstaltern - "ein toller Tag, um auf den Markt zu gehen".

Tweets hingegen, in denen Bewohner des pazifischen Paradieses von ihren banalen Alltäglichkeiten erzählen (von aufregenden gar nicht zu reden), scheinen nicht zu existieren.

Eher schon kommunizieren die Cook-Insulaner über Facebook - allerdings ausschließlich untereinander. Viele Einwohner leben in Neuseeland und Australien, so halten ehemalige Schulfreunde miteinander Kontakt; oder auch nur über die Inselgruppe hinweg. Ein freundliches Anklopfen aus Europa wird ignoriert, eine charmante Frage hallt ungehört durchs Netz. Chatten mit einem Bewohner der Inseln als Ersatz für einen realen Schwatz beim Bier oder am Strand, das scheint in einem virtuellen Urlaub unmöglich zu sein.

Die eigenen Freunde immerhin kann man von den Cook-Inseln aus grüßen, indem man ihnen eine elektronische Postkarte mit pazifischen Motiven schickt. Das geht auch von zu Hause aus und steigert sofort den Urlaubsgenuss - denn der spiegelt sich schließlich immer auch ein wenig im Neid der Freunde und Kollegen. Auch von dieser Seite gibt es erst einmal keine Reaktionen.

Aber das liegt natürlich auf der Hand: Die Freunde wollen nicht zugeben, dass sie neidisch sind. Und dann wissen sie auch, dass mich ihre in nebeltrüber Stimmung verfassten Botschaften erst einmal nicht erreichen würden. Weil ich doch bestimmt gerade schnorcheln bin oder Kokosnüsse ernten. Wie recht sie haben.

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