Christchurch in Neuseeland:Phönix aus der Asche

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Die 2013 eröffnete Cardboard Cathedral erntet viel Bewunderung. (Foto: AFP)

"Everything gets a second life": Nach dem Erdbeben 2011 präsentiert sich Christchurch heute als kreativer Hotspot und urbanes Experimentierlabor Neuseelands.

Von Stefan Spath

185 Tote, 80 Prozent der Gebäude im Stadtzentrum eingestürzt oder abbruchreif, Boden, den die tektonischen Schockwellen verflüssigten - die Stadt Christchurch auf der Südinsel erlebte zur Mittagszeit des 22. Februar 2011 eines der zerstörerischsten Erdbeben seiner jüngeren Geschichte. Doch die Menschen der mit 360 000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Neuseelands haben die Ärmel hochgekrempelt und mit Erfindungsgeist das Erdbeben-Trauma hinter sich gelassen.

Heute prägt ein Nebeneinander von Ruinen und ultramoderner Architektur, von Brachflächen und Pop-up-Projekten, von Baugruben und neuen Wahrzeichen das Stadtbild. Aktivisten aus der Kulturszene waren die ersten, die den Bewohnern neuen Mut einimpften. Street-Art-Maler stehen gebliebenen Mauern. Mobile Minigärten, Kinderspielplätze aus recycelten Trümmerteilen und Food Caravans, die die kulinarische Infrastruktur ersetzten, lockten wieder Besucher in die City. Dreh- und Angelpunkt der Kulturaktivisten ist heute "The Commons".

Der alternative Open-Air-Treffpunkt auf dem Gelände des abgerissenen Crowne Plaza Hotels lässt schon in seinem Namen Gemeinschaftssinn anklingen. Hier kann man Konzerte besuchen, Krocket spielen, im Liegestuhl bei einem Caffè Latte entspannen oder die Kräuter- und Hopfenplantage betreuen. Als neuer Kreativmotor der Stadt profilierte sich das Kunstgewerbe. Der Rekindle Shop bringt die aus Holztrümmern des alten Christchurch gebauten Möbel, Schmuckstücke und Design-Gadgets unter die Leute. Viel davon wandert in Lokale wie die Revival Bar, wo etwa ausrangierte Koffer und Autoteile als Sitzgelegenheiten im Retro-Stil dienen. "Everything gets a second life", lautet die Devise.

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Längst hat die Tourismuswirtschaft das Beben in ihre Konzepte integriert. In der "Quake City"-Ausstellung bescheren Amateurvideos vom 22. Februar 2011 und Interviews mit Helfern den Besuchern Gänsehaut. Bis auf weiteres beherbergt das "Erdbebenmuseum" auch Wahrzeichen des alten Christchurch - etwa die beim Beben herabgefallene Kirchturmspitze der anglikanischen Kathedrale.

Oldtimer-Straßenbahn und Tourveranstalter inszenieren auf Rundfahrten die Wiederaufbausaga der Stadt. "Jeden Tag tut sich etwas Neues", sagt Fremdenführer Carl Bonniface. Viel Bewunderung erntet die 2013 eröffnete Cardboard Cathedral. Ihr tragendes und namensgebendes Element sind 60 speziell verstärkte Pappkartonröhren, die in 24 Meter Höhe in einen Stahlfirst münden. Das vom japanischen Star-Architekten Shigeru Ban entworfene Gotteshaus zeugt von der Kraft, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.

Neuseeland Nord- und Südinsel (Foto: SZ Grafik)

Der Wiederaufbau wird noch Jahre dauern - doch Schritt für Schritt kehrt die größte Stadt der Südinsel zur Normalität zurück. Das signalisieren auch die Events, die Christchurch wieder auf der internationalen Landkarte des Sports verorten. Zwei Monate nach dem Cricket World Cup ist Neuseeland dieser Tage Austragungsort der U20 Fußball-WM. Und vielleicht übertragen sich Aufbruchsgeist und Einfallsreichtum von Christchurch auf das deutsche Team, das zumindest seine Gruppenspiele in der "kreativsten Stadt" Neuseelands austragen darf.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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