Charleston in South Carolina:Schönheit und Schuld

Charleston ist eine der prachtvollsten Städte der USA, einst war sie auch die reichste. Dafür ließ die weiße Oberschicht ihre Sklaven schuften. Deren Nachfahren kommen heute als Touristen zurück. Eine Bilderreise.

Von Harald Hordych und Jörg Buschmann (Fotos)

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Charleston USA South Carolina

Quelle: Jörg Buschmann

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Einst war Charleston nicht nur wohlhabend, sondern richtig reich: Im 18. Jahrhundert galt es als die reichste Stadt Amerikas. Möglich gemacht hatte das der Sklavenhandel. 40 Prozent der aus Afrika gewaltsam nach Nordamerika verschifften Menschen landeten in Charleston. Von dort wurden sie auf die Plantagen gebracht, die den Besitzern hohe Einnahmen garantierten. Ausdruck des Reichtums ist auch der City Market mit seinen zahlreichen Geschäften, Restaurants und Kneipen. 1804 gegründet, gehört der Stadtmarkt zu den ältesten öffentlichen Plätzen der USA. Am westlichen Ende wurde 1841 die Markthalle mit Säulenportikus und wuchtiger Freitreppe errichtet. Im oberen prachtvollen Raum ist heute das Confederate Museum untergebracht, das Exponate zum Bürgerkrieg zeigt. Im Erdgeschoss stößt man auf die Nachfahren der Sklaven, hier werden die berühmten Gullah-Körbe verkauft.

Charleston USA South Carolina

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Zwischen der Küste und den zahlreichen vorgelagerten Inseln liegt weitläufiges Sumpfland, in dem vorwiegend Reis angebaut wurde. Diese Sümpfe mit ihrem stickigen Klima und den Moskitos machten den Weißen so zu schaffen, dass sie die Sklaven auf den Plantagen weitgehend allein ließen. Sie selbst zogen sich weit ins trockene Hinterland oder in prachtvolle Städte an der Küste wie Charleston zurück, wo eine Brise für Abkühlung sorgte. Die Sklaven aus Westafrika bewahrten dadurch Teile ihrer Heimatkultur und entwickelten eine eigene Sprache, die afrikanische und amerikanische Elemente gleichermaßen verwendete. Diese Gullah-Geetschee-Kultur hält sich auf einigen Inseln bis heute. Dazu gehören die aus Sweetgrass und Palmenblättern geflochtenen, zart und zugleich robust anmutenden Gullah-Körbe, die auf dem Stadtmarkt feilgeboten werden.

Charleston USA South Carolina

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Der City Market ist ein Anziehungspunkt für Urlauber, auch für diese Ladies auf Sonntagnachmittag-Spaziergang. In der historischen Innenstadt wohnen auch heute fast nur Weiße - aufgrund der hohen Preise.

Charleston USA South Carolina

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Die Nachfahren der Sklaven kommen als Touristen nach Charleston zurück. Auf Touren, die sich der Gullah-Geechee-Kultur widmen oder "Black History and Porgy and Bess Tours" heißen, fahren sie in Bussen durch die Prachtstraßen und zu Herrenhäusern, wie sie auf der McLeon-Plantage am Stadtrand zu bewundern sind. Die fotografieren sie genauso wie weiße Touristen. Der Stopp bei den bescheidenen Unterkünften der Sklaven sorgt allerdings für betretene Gesichter, für Traurigkeit bei den einen und Scham bei den anderen. Als der Bus an einer schmucklosen Wiese neben der Plantage vorbeifährt, genügt ein Satz des Reiseführers und alle Unterhaltung erstirbt: "Das ist der Friedhof der Schwarzen." Nichts ehrt das Andenken dieser Menschen, die den Reichtum Charlestons ermöglicht haben.

Charleston USA South Carolina Städtereise

Quelle: Jörg Buschmann

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Auf James Island nahe Charleston wird mit einem Grabstein einem berühmten Schwarzen gedacht - allerdings wohl eher der Roman- und Opernfigur als seinem leibhaftigen Vorbild: Hier ruht Samuel Goat Smalls. Der verkrüppelte Schwarze war unter dem Namen "Ziegenkarren-Sam" stadtbekannt und wohl auch berüchtigt, aber als Vorbild für "Porgy" wurde er weltberühmt. Er lebte an einer kleinen Straße im südlichen Teil des alten Charleston - wie auch der Autor des Romans "Porgy", DuBose Heyward. In den 1920er und 30er Jahren wohnten hier Weiße und Schwarze nach dem Niedergang Charlestons nebeneinander. Die Gegend war heruntergekommen und hatte einen schlechten Ruf. Heutzutage kann man sich das angesichts der restaurierten Häuser kaum vorstellen. Die Geschichte von Porgy und Bess von der Catfish Row diente George Gershwin als Vorlage für seine Oper (hier finden Sie die tragische Geschichte in drei Akten). Die Steine werden als Zeichen der Anteilnahme auf den Grabstein gelegt.

Charleston USA South Carolina Städtereise

Quelle: Jörg Buschmann

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Bei der Tour durch Charleston wird angesichts solcher Straßenzüge offensichtlich, wie sehr die Stadt von den 40 Sklavenmärkten profitierte, die es Mitte des 19. Jahrhunderts hier gab. 57 Prozent der Einwohner von South Carolina waren 1860, am Vorabend des Bürgerkriegs, schwarz-afrikanischer Abstammung. Und noch eine bemerkenswerte Zahl, die leicht übersehen wird: Lediglich drei Prozent der weißen Bevölkerung des Bundesstaates gehörten 95 Prozent der Sklaven. Ungeachtet dessen, hielt die Mehrheit der Weißen in den Südstaaten an der Sklaverei fest, obwohl die meisten dieser Weißen selbst keine Sklaven hatten.

Charleston Aiken-Rhett-Haus

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Charleston ist eine Stadt, in der Wohlstand gerne gezeigt wurde. Eindrucksvoll kann man das am Aiken-Rhett-Haus sehen. 1820 wurde das Wohnhaus errichtet und bald von einem der reichsten Händler Charlestons erworben. Dieser ließ es zu einem der schönsten Häuser dieser an schönen Häusern so reichen Stadt ausbauen. William Aiken junior, der erfolgreiche Geschäftsmann, Reisplantagen-Besitzer und Gouverneur von South Carolina, residierte darin standesgemäß. 14 versklavte Diener waren in den schmalen einstöckigen Häusern auf der Rückseite des Gebäudes untergebracht. Das Haus blieb auch nach Ende des Bürgerkriegs in Familienbesitz bis Mitte des 20. Jahrhunderts.

Charleston Aiken Rhett Haus

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Danach wurde das Aiken-Rhett-Haus ein Museum. Alle Möbel und Gegenstände, Lampen und Spiegel werden seither in dem Zustand belassen, in dem sie sich zur Zeit der Haushaltsauflösung befanden. Das verleiht diesem Ort einen morbiden Zauber, der den einstigen Reichtum besser erahnen lässt. Auch die Sklavenunterkünfte, die Küche und Stallungen sind zu besichtigen (www.historiccharleston.org).

Charleston USA South Carolina

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Das Charleston der roten Ziegelbauten, der weißen Holzverkleidungen, der auch am sonnigsten Tag immer brennenden Gaslaternen, das Charleston der Palmen und Zypressen, der leuchtend blühenden Azaleen, der alten, versteckten Friedhöfe und noblen Gaststätten, dieses zauberhafte und elegante Charleston hatte eine besondere Eigenart: Die Stadtpaläste wurden nach der Breite der Hausfront besteuert. Je schmaler, desto billiger. So kam es, dass die Straßenfront oftmals vergleichsweise bescheiden, die Seiten des Hauses dagegen ungeheuer prachtvoll und ausladend gestaltet wurden. So erschließt sich das Protzige der aufwändig ausgeschmückten Balkonreihen oft erst auf dem zweiten Blick.

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Charleston wurde 1670 gegründet. 20 Jahre später war es schon die fünftgrößte Stadt Amerikas. Hier beschossen am 12. April 1861 Soldaten der Konföderierten-Armee das von Unionstruppen gehaltene Fort Sumter. Der amerikanische Bürgerkrieg hatte begonnen.

Das Stadtbild, wie es sich heute präsentiert, geht zu großen Teilen auf das Ende des 19. Jahrhunderts zurück. 1886 zerstörte ein schweres Erdbeben viele Häuser. Dennoch gilt Charleston neben Savannah als die schönste Stadt des untergegangenen amerikanischen Südens. Wie kaum eine andere Stadt der USA ist sie von historischer Bausubstanz geprägt. Das milde Klima gibt der Stadt ein heitere Anmutung, in den Straßen gedeihen Bäumen und Sträucher und natürlich Palmen.

Kutschfahrt im Zentrum von Charleston

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Touristen-Kutschen, die durch die wunderschönen Straßen fahren, gehören zum Stadtbild von Charleston. Dass sich die Pracht unter den weitausladenden Ästen der Virginia-Eichen heutzutage noch bewundern lässt, hat einen sehr profanen Grund. Das verarmte Bürgertum war im 20. Jahrhundert zu finanzschwach, um die verfallenden Villen abzureißen und an ihrer Stelle ein modernes Charleston zu errichten. Die Paläste dieser Perle des Alten Südens mussten wohl oder übel stehenbleiben und wurden erst in den letzten Jahrzehnten Straße für Straße aufwändig renoviert.

Straße in Charleston

Quelle: Jörg Buschmann

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Doch nicht alle Stadtteile von Charleston sind eine Sehenswürdigkeit wie die teure Innenstadt. Je weiter nördlich, desto schlichter und schmuckloser zeigt sich die Architektur, desto mehr werden die Viertel von der schwarzen Bevölkerung dominiert. Doch die Sehnsucht der Weißen, ein Haus in Charleston zu besitzen, schiebt die Grenze zwischen Reich und Arm immer weiter nach Norden.

Alluette in ihrem Cafe in Charleston

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Zur Gullah-Kultur der früheren westafrikanischen Sklaven gehören Rezepte, die auf Reis, Gemüse, Huhn und Fisch basieren. Diese Gullah-Küche kann man in Alluette's Cafe kennenlernen. Moderne Kunst ziert die Wände, die kleinen Tische füllen sich zur Mittags- und Abendzeit schnell mit weißen wie schwarzen Besuchern.

Besitzerin Alluette (im Bild rechts) erklärt dann gerne, warum schwarze Menschen eine viel bessere Haut und ein längeres Leben hätten: Sie trinken einfach ihrer Ansicht nach weniger Alkohol und nehmen weniger fette Nahrung zu sich als Weiße. Das Restaurant ist die Fahrt in die nördlichen Bezirke des historischen Charleston wert, nicht nur der Gesundheit wegen (alluettescafe.com).

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Quelle: Jörg Buschmann

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Das klassische weiße Charleston spielt seine Stärken an den gediegenen Plätzen dieser Stadt aus, die den alten Süden feiert. Im Oak Steakhouse Restaurant gibt es Steaks, die ausgezeichnet schmecken - und auch ausgezeichnet wurden: Die Zeitschriften Travel + Leisure und The Daily Meal erklärte das Oak Steakhouse 2013 zu den besten Steakhouses Amerikas.

Für einen Absacker nach dem Mahl empfehlen sich die herrlichen alten Kneipen, die nur ein paar Häuser weiter liegen. Wer sehen möchte, wie einfallsreich junge Amerikaner den Klassiker Burger präsentieren, dem sei "Butcher and Bee" ans Herz gelegt. Das Lokal liegt versteckt am Ende der mit Galerien und Kneipen reichlich gesegneten King Street, vom leeren Parkplatz sollte man sich nicht abschrecken lassen.

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Quelle: Jörg Buschmann

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Wer zeitweilig vergessen haben sollte, dass Charleston am Meer liegt, setzt sich zum Abendessen ins "Fleet Landing" mit Blick auf den Hafen. Um nicht im Innenraum sehnsüchtig nach draußen schauen zu müssen, sollte man unbedingt reservieren. Nicht nur am Wochenende ist der Andrang groß.

Strand nahe Charleston

Quelle: Jörg Buschmann

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Auch von einer Städtereise muss man sich bisweilen erholen: Von Charleston aus lassen sich in kurzer Zeit Strände auf den nahegelegenen Inseln wie hier Folly Island erreichen. Die Sandstrände sind kilometerlang und auch in der Hauptsaison alles andere als überfüllt.

© Süddeutsche.de/ihe/kaeb/rus
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