Süddeutsche Zeitung

Trend Chaletdörfer:Paläste in Hüttenform

Der Trend, sich in Luxusresorts abzuschotten, funktioniert auch in den Alpen: Die nur scheinbar schlichten Chaletdörfer werden immer öfter gebaut - Österreicher zieren sich da weniger als Deutsche.

Von Hans Gasser

Die Malediven und die Alpen haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Und doch hat Hubert Oberlader sich auf den Koralleninseln im Indischen Ozean ein Konzept abgeschaut, das auch daheim, vor der Kulisse der Leoganger Steinberge auf 1100 Meter über dem Meer, hervorragend funktioniert: Sein Chaletdorf Priesteregg besteht aus 16 Holzhütten, die nur äußerlich wie einfache Almhütten aussehen. Innendrin bieten sie jeden Luxus, vom Zirbenholzbett mit Baldachin über eine gemütliche Stube mit Kachelofen bis hin zur eigenen Sauna und einem Hot Tub.

Morgens schleichen sich die Zimmermädchen rein und decken den Frühstückstisch

"Ein Hotel haben wir uns damals nicht zugetraut, da gab es schon so viele bei uns", sagt Oberlader. "Aber als wir auf den Malediven in einem Resort mit eigenen kleinen Villen waren, wussten wir: Das ist es." Und es schlug ein. Denn die Gäste bekommen fürs Geld nicht nur die Hütte, sondern, ähnlich wie eben auf den Malediven, auch den kompletten Service eines Vier-Sterne-Hotels. Morgens schleichen sich die Zimmermädchen in jede Hütte und tragen das Frühstück auf und heizen auf Wunsch den Ofen ein, damit es romantisch knistert, wenn die Gäste erwachen. Abends kann man in das zum Almdorf gehörende Restaurant gehen oder sich das Menü ins Chalet liefern lassen.

Nach dem "Almdorf Seinerzeit" in Kärnten war Oberlader 2009 der erste, der dieses Luxuskonzept im alpinen Umfeld anbot. Mit Erfolg. Von 330 Öffnungstagen sei das Dorf an knapp 300 Tagen voll belegt. Und das trotz Preisen, die bei 225 Euro pro Person beginnen. Das Willy-Bogner-Chalet mit eigenem Pool kostet 635 pro Nase.

Das Konzept hat seitdem Schule gemacht. In Österreich und in letzter Zeit auch in Bayern wachsen die oft mit altem Stadelholz gebauten Chalets vielerorts aus dem Boden. Oft sind sie um einen kleinen Weiher gruppiert, gerne werden sie als Erweiterung und gewissermaßen als ausgelagerte Suiten eines bestehenden Hotels gebaut. So etwa beim Gut Steinbach in Reit im Winkl. Sieben Luxus-Chalets wurden dort auf dem Hotelareal im vergangenen August eröffnet.

Der Eigentümer Klaus-Dieter Graf von Moltke will damit dem "Trend zur Individualisierung" Genüge tun: "Hotels sind austauschbar. Es braucht heute andere Konzepte, um den Kundenwünschen gerecht zu werden." Die Auslastung sei sehr gut, sagt er und bemängelt, dass er zur Finanzierung des Projekts in Bayern keine Bank gefunden habe, jenseits der Grenze in Salzburg jedoch sofort. "In Österreich hat der Tourismus einen viel höheren Stellenwert", so Moltke.

In der Tat wurden einige geplante Chaletdorf-Projekte in Bayern wieder abgeblasen oder auf Eis gelegt: So scheiterte ein Bauvorhaben am Tegernsee trotz Genehmigung an fehlenden Investoren. Und der Plan des Hoteliers Dietmar Müller-Elmau, in der Nachbarschaft seines Schlosses elf große Chalets zu bauen, wurde nach heftigen Protesten von Naturschützern und Grünen bisher nicht verwirklicht. In Marktschellenberg fand ein ähnliches Projekt im Gemeinderat keine Mehrheit.

Die Österreicher sind da in der Tat weniger zimperlich, zwischen Salzburg und dem Tannheimer Tal werden laufend neue Chaletdörfer gebaut. "Viele Gäste suchen einen Gegenentwurf zum städtischen Alltag", sagt Ulrike Rauch-Keschmann, Sprecherin der Österreich-Werbung. Da eigne sich ein Almdorf gut. "Die Leute wollen in der Natur sein und sie wollen ihr eigenes Haus haben, mit allen Annehmlichkeiten eines guten Hotels." Mehrere Generationen einer Familie, Freundesgruppen oder Firmen-Führungskräfte könnten so ein paar Tage in exklusiver Atmosphäre zusammenkommen.

Kritik an dieser Art von Hotel gibt es vor allem wegen des relativ hohen Flächenverbrauchs. "Im Vergleich zu einem einzelnen Hotelgebäude nehmen viele kleine Chalets eine große Fläche in Anspruch und verbauen so die Natur, die sie eigentlich in den Vordergrund stellen wollen", sagt Katharina Conradin, die Präsidentin der Alpenschutzkommission Cipra. Zwar gebe es auch gut gebaute Chaletdörfer, aber oftmals werde eine Art Kunstwelt erzeugt, die gar nicht in die Region passe. Sie ziehe deshalb das Konzept des "Albergo Diffuso" vor, bei dem Gästezimmer in verschiedenen Gebäuden eines gewachsenen Dorfes mit einer Rezeption und einem Restaurant verknüpft werden.

Wenn es denn ein Chaletdorf sein müsse, so Conradin, dann sollten die Gemeinden darauf achten, dass nicht reine Zweitwohnungen daraus gemacht werden. Denn oftmals würden die einzelnen Chalets an Investoren verkauft und von einem Betreiber vermietet. Klappt das nicht, stehen sie bis auf ein paar Wochen im Jahr leer, mit äußerst negativen Folgen: Die teure Infrastruktur für Wasser, Abwasser und Strom muss gebaut und erhalten werden. Gleichzeitig bekommt die Gemeinde wenig Steuereinnahmen, und einheimische Handwerker, Metzger und Bäcker können nicht gut überleben.

So gesehen ist Hubert Oberlader mit der hohen Auslastung seines Chaletdorfs Priesteregg nichts vorzuwerfen. Als Unternehmer hat er noch ein Argument: "Die Wertschöpfung ist mit unseren nur 40 Gästen so hoch wie sonst bei 120 Gästen in einem Mittelklassehotel."

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SZ vom 19.04.2018/ihe
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