Süddeutsche Zeitung

Camper-Sharing:Rollende Einraumwohnung

  • Über eine Art Airbnb für Campingautos können Privatleute ihre Busse, Vans und Wohnmobile vermieten, im Schnitt für 60 bis 80 Euro pro Nacht.
  • Plattformen, die so etwas anbieten, erleben einen enormen Boom. Auf dem deutschen Markt sind das Paul Camper, Shareacamper, Yescapa oder Campanda.

Von Hans Gasser

Ihre Besitzer verbinden mit ihnen meist schöne Erinnerungen, war man doch zusammen in Marokko, an der Algarve oder in Norwegen. Klar riss hier mal der Zahnriemen, und dort tropfte das Öl aus dem Motor, aber wer würde das seinem betagten Campingbus dauerhaft verdenken?

Die Liebe mancher Camper zu ihren Bussen, Vans und Wohnmobilen ist groß, aber so groß auch wieder nicht, als dass sie ihre rollenden Heime nicht immer öfter mal einem Fremden anvertrauen würden - gegen Bezahlung. Die Möglichkeit dazu bieten einige Internetplattformen, auf denen man seinen alten Gefährten mit Foto und Beschreibung einstellen kann, auf dass andere sich auch in ihn verlieben und ihn für 60, 70 oder gar 90 Euro pro Nacht buchen. Es ist eine Art Airbnb für Campingautos, und die Plattformen, die so etwas anbieten, erleben gerade einen enormen Boom. Auf dem deutschen Markt sind das Paul Camper, Shareacamper, Yescapa oder Campanda.

"Das Ding kostet viel Geld, steht aber den Großteil des Jahres ungenutzt vor der Haustür rum", sagt Dirk Fehse, Gründer des Berliner Start-ups Paul Camper. "Da macht es doch total Sinn, es zumindest einige Wochen im Jahr an andere zu vermieten." Aus dieser Erfahrung heraus hat Fehse 2013 sein Unternehmen gegründet, nachdem er seinen eigenen VW-Bus namens Paul bereits öfter über Kleinanzeigen vermietet hatte. "Die Nachfrage war sehr groß, und nach drei Jahren hatte ich ihn komplett refinanziert."

Fehse ist kein Romantiker, er hat ein BWL-Studium und mehrere Jahre in einer Unternehmensberatung im Rücken. Weil sein Start-up so gut läuft, hat er vor Kurzem drei Millionen Euro bei Investoren eingesammelt. Denen muss natürlich Wachstum und irgendwann mal Profit geboten werden. Rund 3000 Campingfahrzeuge hat Fehse zurzeit im Angebot, monatlich kämen 300 dazu. In Deutschland ist Paul Camper nach eigenen Angaben im Bereich der privaten Vermietung Marktführer, das nun eingesammelte Geld will Fehse vor allem dazu nutzen, um in ausländischen Märkten wie Österreich und den Niederlanden stärker Fuß zu fassen.

Campanda ist im Ausland bereits gut vertreten, allerdings setzt der Anbieter vor allem auf kommerzielle Wohnmobilvermieter, private Campingautos sind nur ein - wenn auch wachsender - Teilbereich im Portfolio. "In der Hauptsaison im Sommer haben die klassischen Vermieter nie genügend Campingmobile", sagt Chris Möller, Gründer und Geschäftsführer von Campanda. "Deshalb ist es gut, dass es die Privaten gibt, die lieber in der Nebensaison an die Ostsee fahren und im Sommer vermieten." Auf seiner Plattform kann er sehen, dass private Vermieter oft deutlich besser bewertet werden als gewerbliche. "Sie nehmen sich oft viel mehr Zeit, um dem Mieter alle Einzelheiten ihres Fahrzeuges zu zeigen und zu erklären." Hinzu kommt, dass für die Vermietung eines privaten Campers meist das ganze Zubehör im Preis inbegriffen ist, während die Kommerziellen oft für Klappstühle, Geschirr oder Fahrradträger Extrakosten berechnen. "Bei manch einem privaten Bus ist sogar die Gitarre und das Surfbrett noch dabei", so Möller.

Die Internetvermittler leben von einer Provision, die zwischen 15 und 25 Prozent des Mietpreises beträgt. Die privaten Mobile sind im Schnitt 20 bis 30 Prozent günstiger als die kommerziellen. Die Vermieter bekommen über die Website eine Anfrage eines Mieters und können nach Kontaktaufnahme oder persönlichem Treffen entscheiden, ob sie wirklich vermieten wollen.

Was aber passiert, wenn man mit dem quietschbunten, 20 Jahre alten Bulli plötzlich auf der Autobahn stehen bleibt oder beim Ausparken eine ordentliche Delle in die Kofferraumtür fährt? Fast alle Anbieter haben dafür eigene Versicherungen abgeschlossen, jene des Fahrzeugbesitzers ruht während der Vermietung. Das zahlt man als Kunde mit, je nach Fahrzeug sind es zehn bis 15 Euro pro Tag. Der Selbstbehalt ist mit 750 bis 1000 Euro ziemlich hoch, hinzu kommt auch noch eine Kaution in etwa dieser Höhe. Falls einer das Auto verschmutzt zurückgibt, wird davon die Reinigung bezahlt. Es passiere aber relativ wenig, sagt Dirk Fehse von Paul Camper, "obwohl mehr als die Hälfte unserer Kunden erstmals mit einem solchen Campingbus unterwegs ist". Eine wichtige Kundengruppe seien Eltern in Elternzeit, die mit einem gemieteten Camper durch Europa tingeln, so Fehse. Familien mit größeren Kindern mieteten sich eher ein Alkovenfahrzeug und junge Paare mit wenig Geld einen alten Ford oder VW-Bus.

Zunehmend beliebt ist es bei vielen Campern, etwa nach Sizilien oder Norwegen zu fliegen und dort einen bereits voll ausgestatteten Camper zu übernehmen, sich also die lange Anreise zu sparen, sagt Campanda-Chef Möller. Für private Camper bietet diesen Service etwa das in Frankreich gegründete Unternehmen Yescapa an, das in klassischen Urlaubsländern wie Spanien, Portugal und Italien agiert.

Den Anbietern kommt zugute, dass die Urlaubsform Camping boomt. Der Deutsche Campingverband zählte 2017 allein in Deutschland 31 Millionen Übernachtungen. In den vergangenen zehn Jahren ist der Markt um 42 Prozent gewachsen. Auch der Caravaning-Industrieverband (CIVD) verzeichnet seit sieben Jahren steigende Absatzzahlen, 2017 waren es 63 000 neu verkaufte Reisemobile und Wohnwagen in Deutschland, im ersten Halbjahr 2018 bereits rund 46 000. Das Camper-Sharing sieht Verbandssprecher Daniel Rätz grundsätzlich positiv: "Es bietet einen leichten Einstieg in diese Urlaubsform und könnte langfristig zu höheren Verkaufszahlen führen, da sich die Anschaffung durch die Vermietung eher lohnt."

Sie lohnt sich sogar so sehr, dass manche Menschen sich mehrere gebrauchte Camper zulegen, um sie dann auf den diversen Plattformen anzubieten. Die Grenze zwischen privat und kommerziell kann dadurch natürlich leicht verschwimmen. Fehse, der darauf bedacht ist, dass seine Firma Paul Camper ein cooles, privates Image behält, sieht das Problem. Einerseits müsse man wachsen, "denn wir sind noch lange nicht profitabel". Dennoch nehme man keine klassischen Autovermieter ins Programm. "Aber wenn jemand fünf Camper hat und sich Zeit für die Mieter nimmt, dann ist er willkommen."

Die Nachfrage sei jedenfalls größer als das Angebot, weshalb Fehse mit einem Bus-Innenausbauer aus Berlin eine Kooperation eingegangen ist, um einen idealen Paul-Camper-Bus zu entwickeln. "Uns rufen viele Leute an, und fragen, welchen Camper sie sich kaufen sollen." Auf Basis eines T5 mit Hochdach und "möglichst wenig technischem Schnickschnack" können Interessierte einen solchen Van kaufen, um ihn dann über die Plattform zu vermieten.

Werden also bald statt liebevoll restaurierter Busse lauter uniforme Autos vermietet, und wird es mit den ursprünglich sympathischen Sharing-Plattformen so kommen wie mit dem Wohnungskraken Airbnb? Davon, sagt Fehse, sei man noch weit entfernt.

Camper-Sharing-Portale: paulcamper.de, yescapa.de, campanda.de, shareacamper.de

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SZ vom 30.08.2018/mike
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