Byron Bay in Australien:Die besten Tage

In Byron Bay im äußersten Osten Australiens geben sich Badeurlauber als lässige Hippies - wenn sie sich das leisten können.

Claudia Tieschky

Keine Ahnung mehr, wie der Junge hieß, und vielleicht war es ja auch gar nie wirklich um ihn gegangen. Obwohl Holly das behauptet. Dass sie seinetwegen damals zum ersten Mal hinauf nach Byron Bay gekommen sei, eine Flugstunde nördlich von Sydney, um ihn bei einem Open-Air-Konzert zu treffen.

Byron Bay Australien Surfer, Byron at Byron

Eine Flugstunde nördlich von Sydney liegt Byron Bay.

(Foto: Grafik: Byron at Byron)

Die Bay mit ihrem sanften, glänzenden Licht war da schon der Küstenstrich, an dem die Hippies surfen gingen und die Reichen auch; wo das Dasein sportlich ist und völlig diesseitig, obwohl New Age sehr zum Lifestyle gehört. Die total Spirituellen pflanzten zum Beispiel im Hinterland orangefarbene und lila Wimpel in den Urwald und riesige Kristall-Gesteine neben Buddha-Statuen aus Indonesien; sie beschilderten in ihrem Park den Weg der Erleuchtung als Lehrpfad.

Weil mit den Touristen inzwischen Geld zu verdienen ist, gibt es einen Apparat, der angeblich die Aura als Polaroid festhält. Holly ließ sich bei ihrem ersten Aufenthalt in Byron Bay die Haare abschneiden und blieb einfach da.

Lange her, die Haare sind wieder lockig und halblang, und aus Holly ist natürlich etwas Anständiges geworden. Sie arbeitet als Manager im Resort The Byron at Byron, das mit seinen puren Apartments einen sehr entspannten Stil pflegt. Nicole Kidman wohnte hier auch schon. Einmal kam sie in die Küche und lobte das Frühstück. "Yummy", sagte Kidman zu dem Koch.

Seither sind sie dort natürlich alle von ihr noch mehr hingerissen. Lyn und John Parche haben das Resort aufgebaut, nachdem sie zuvor ihr ganzes Arbeitsleben lang als Manager Luxushotels weltweit aufpoliert hatten. Sie ist eine zierliche, nicht zimperliche Rothaarige, er ein kräftiger Typ, dem man anmerkt, dass er jahrelang im Business-Anzug steckte.

Die beiden sind seit 1978 verheiratet, und man hat den Eindruck, dass sie aus dem Lebensgefühl der siebziger Jahre die Liberalität behalten haben. Anders gesagt: Es könnte sein, dass sie immer noch viel Spaß haben. Lyn behauptet, ein Hotel zu führen, das sei wie in einer Ehe: "Du kannst nicht zwei Bosse haben." Also sagt sie einfach, John sei der Boss: "Wir haben eine klare Rollenverteilung."

Die meiste Zeit des Tages ist Lyn irgendwo auf der Bildfläche zu sehen, mit dem Sydney Morning Herald und dem Handy auf einem der Korbsofas im Freien, und immer bereit, sich um irgendeine Kleinigkeit zu kümmern. "Wir lieben das", sagt sie, "wir sind altmodische Hoteliers." Multimilliardär Gerry Harvey von Harvey Norman Holdings hat sein Geld in das Byron at Byron gesteckt und beim Aufbau voll und ganz auf Lyn und John vertraut. In dem schönen Resort steckt ihre ganze Erfahrung und außerdem Lyns mütterliche Seite.

Über Holly sagt Lyn, dass sie aus einer ausgezeichneten Familie stammt. Holly sagt, zu Hause seien sie mehr Kinder gewesen als in der Schule. Sie sagt das mit voller Absicht so, als ginge es um Karnickel.

Sie redet gern mit dieser scharfzüngigen Ironie, die man vielleicht als Teenager entwickelt, wenn man wie sie in den niedlichen Cottage-Dörfern der Blue Mountains aufwächst, dem konservativ geprägten und auf ökologischen Lebensstil versessenen Rückzugsgebiet der Intellektuellen und Künstler westlich von Sydney.

In diesem von Naturschützern gehegten Canyongebiet mit seiner guten Luft gibt es Seilbahnen, die aus der Schweiz importiert sind, reichlich Antiquariate und kleine Bio-Restaurants, die - natürlich hausgemachte - Apple-Pies und Marmelade anbieten.

Das Lebensgefühl der Bay ist dort so weit entfernt wie die schottischen Besitzungen der Queen.

Die Rückkehr der stolzen Wale

Als Attraktion wird in den Gemeinden eine Woche lang europäisches Weihnachten gefeiert, im Juli, wenn es möglichst kalt ist. Die örtliche Blue Mountains Gazette, Auflage wochentags etwas mehr als 35.000 Stück, druckt an einem normalen Mittwoch auf drei der ersten Zeitungsseiten nichts als basisdemokratische Leserbriefe. Und Antworten von Lesern auf Leserbriefe: "Mit großem Interesse habe ich Ihren Brief gelesen, Mister Porter."

Apfelbauer sei ihr Vater, sagt Holly, was aus unerfindlichen Gründen ziemlich geflunkert klingt. Als Beweis führt sie große Pakete voll mit Apfelpfannkuchen von zu Hause ins Feld.

Im Byron at Byron führen Holzstege durch die Wildnis aus Bäumen und Farnen weg vom zentralen Restaurant- und Wellness-Bereich zu den weiter Richtung Meer gelegenen Apartments. Gestaltet hat sie der Architekt Ed Haysom.

Es gibt diese japanisch inspirierten Schiebetüren, mit denen Schlafzimmer, Bad, Wohnzimmer und Veranda voneinander abgetrennt oder zu einer großen Fläche geöffnet werden können. Minimale Auswirkungen auf das ökologische Gleichgewicht wurde als Bedingung daran geknüpft, dass das Byron at Byron 2004 überhaupt öffnen durfte. Einmal in der Woche kommt der Regenwald-Pfleger mit einem kleinen Elektrowagen und kümmert sich um die Urwaldgewächse.

Man hat es ja an Australiens Ostküste mit einem so großen, unideologischen Umwelt-Bewusstsein zu tun, dass Europa im Vergleich wie ein dunkler Kontinent wirkt. Nachts hört man nichts außer der Stille und den Vogelrufen des Urwalds. Vom Resort führt eine kleine Pforte direkt auf den hellen Strand.

Der sehnige Yoga-Trainer Sheldon fällt dadurch auf, dass in seinem Gesicht so etwas liegt wie Selbstironie. Auf seiner Visitenkarte steht "Spezialist für Lebensverlängerung". Sheldon setzt sich an diesem Vormittag zu Lyn, um etwas zu besprechen, aber sie kommen vom Thema ab und erzählen davon, wie die Wale immer zur Paarungszeit an der Bay vorbei nach Norden in die wärmeren Gewässer ziehen.

"Oben geht's zur Sache", sagt Sheldon fachmännisch. Beide sind sie fasziniert von der Rückkehr der Tiere, wenn sie ihren Nachwuchs vor sich herschwimmen lassen, als ging es darum, die Jungen stolz vorzuzeigen. Das beobachten die Bewohner der Bay dann mit dem Fernglas, und Lyn sagt, dass es sehr schön ist.

Im vorigen Sommer ließ sich Holly ihren Sehfehler aus den Augen lasern, damit sie ohne Brille und Linsen endlich richtig surfen lernen kann. Vorher hatte sie immer eine Erklärung für den merkwürdigen Umstand, dass sie es noch nicht kann.

In Byron Bay sind Verabredungen morgens um sechs zum Surfen am Strand üblich, bevor die Büros und Kanzleien im Ort öffnen. Und ein ganzer Tourismuszweig lebt davon, den Leuten das Surfen beizubringen, notfalls an einem Wochenende. Terry zum Beispiel, der seit 30 Jahren auf dem Brett ist, holt jeden Kunden mit dem weißen Kleinbus ab.

Alf der Außerirdische auf dem Brett

Er besitzt eine Surfschule, Kool Katz, und einen Haarschopf wie Alf der Außerirdische. Im Bus riecht es nach getrocknetem Salzwasser und Neopren-Anzügen.

Alf der Außerirdische hat trotz der Hitze ein kariertes Flanellhemd an und brüllt seiner Gruppe auf der Fahrt zum Strand ein paar Theorie-Lektionen zu. Er hält kurz da an, wo die richtig guten Surfer in der Sonne auf dem Brett sitzen und warten, dann fährt er weiter zu einer Flussmündung, in die das Meer gemächliche kleine Wellen treibt. Er ist nett zu den Anfängern, wahrscheinlich denkt er, dass sie sowieso arm dran sind - wie jeder, der nicht hier lebt.

So wie Thomas, der eine schmale Joggerfigur hat, Anfang vierzig ist und als Notfall-Chirurg im Outback arbeitet, wo man Fachleute wie ihn dringend sucht. Deswegen hat er mit enorm viel Arbeit noch viel mehr Geld verdient.

Er will sich jetzt in einem Krankenhaus in Sydney eine Stelle suchen, auch gegen weniger Lohn. Einen Porsche hat er schon, sagt er traurig. Ein Surfbrett passe leider nicht in das Auto.

Zur Gemeinde Byron Bay gehört der weiße Leuchtturm auf dem östlichsten Landstück des australischen Kontinents. Es gibt ein paar Straßen mit niedrigen Restaurants, Cafés, Geschäften. Dienstagabend spielen sie Livemusik in einem großen dunklen Laden, der einmal große Zeiten als Tanzlokal erlebt haben muss. Jetzt hocken hübsche Surfer auf den schwarzen Lautsprecherboxen, als würden sie auf die Welle warten, Jungs mit Mützen, Mädchen mit muskulösen Oberarmen, manche kommen aus England oder Westaustralien.

Auf der Bühne sitzt einer mit Gitarre, der Hary Healy heißt, und er spielt Brian Adams, "Summer of 69". Das reißt sie mit, wahrscheinlich, weil sie diese Tage hier gerade wirklich für das Beste überhaupt halten. Manche tragen auffälligen Silberschmuck und tanzen barfuß, und die Blonden hat die Sonne weißblond gemacht. Am Eingang steht ein Surfermädchen in Flipflops und mit einem kurzen, karierten Dufflecoat über den dünnen Beinen gegen den Nachtwind.

Sie sieht süß aus wie ein Küken. Was zählt es schon, wie lange sie sich an den Namen des Jungen erinnern wird, wegen dem sie hergekommen ist.

Informationen

Anreise: Hin- und Rückflug mit Etihad Airways von München oder Frankfurt nach Sydney, via Abu Dhabi, Economy Class ab 877 Euro; Weiterflug von Sydney nach Ballina/Byron, zum Beispiel mit Virgin Blue, hin und zurück ab zirka 190 AUD (110 Euro).

Unterkunft: Superior Suites im Byron at Byron für 385 AUD (223 Euro) pro Nacht (65 Quadratmeter, 1 Schlafzimmer); www.thebyronatbyron.com

Weitere Auskünfte: New South Wales Tourism, c/o News Plus Communications, Sonnenstraße 9, 80331 München, Tel.: 01908/29046, www.visitnsw.com.au, www.sydneyaustralia.com

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: