Bus-Erlebnisse von Lesern:"Er warf mir die heißen Radmuttern vor die Füße"

Fahrer ohne Plan, tagelange Pause und ein Sitzplatz für einen Hahn: SZ-Leser berichten von kuriosen Erfahrungen im Bus.

Aus eigener freud- und leidvoller Erfahrung wissen wir, welche Abenteuer Reisende in Bussen weltweit erleben. Daher haben wir Sie, unsere Leser, um Ihre Bus-Anekdoten gebeten. Und sind froh, nicht mit dabei gewesen zu sein.

Tibet

1997, Jahre vor der Eisenbahnverbindung, fuhr man 36 Stunden mit dem Bus nach Lhasa. Die Außenspiegel waren mit Gebetsfahnen umwickelt und somit funktions- aber vielleicht nicht wirkungslos. Unser Bus hatte Betten, aus denen man bei jedem größeren Schlagloch an die Decke geschleudert wurde. Bald entwickelten alle Passagieren einen Reflex, selbst im Schlaf ruckartig die Arme hochzureißen und sich an der Decke abzustützen. Bei den Pinkelpausen auf offener Strecke herrschte strikte Trennung: Frauen rechts der Straße, Männer links. Auf der Rückfahrt war der Anlasser kaputt: Nach jeder Essenspause mussten ein paar Leute den Bus anschieben.

In diesem Bus habe ich meine Frau kennengelernt.

Uganda

Ich saß mit 26 Menschen in einem Kleintransporter, das Gepäck war mit Seilen auf dem Dach festgespannt. Ein Mann stand am Straßenrand, er hatte eine Bananenstaude geschultert und zwei Hühner kopfüber an seinem Gürtel hängen. Der Bus hielt, die Bananenstaude wurde aufs Dach gehievt, die gackernden Hühner unter meinem Sitz verstaut. Der Mann quetschte sich neben mich. Als ich ihn fragte, was er vorhabe, meinte er: "Ich bin zum Essen eingeladen und habe gesagt, dass ich was Frisches mitbringe."

Nepal

Wir wollten mit dem Bus von Pokhara zurück nach Kathmandu. Doch zunächst verließen die ankommenden Passagiere den Bus - mit ihren Ziegen, die offenbar im Gang gestanden hatten, jedenfalls lagen ihre Hinterlassenschaften noch dort. Wir fanden immerhin einen sauberen Stehplatz vorne beim Fahrer. Nach einiger Zeit bemerkten wir, dass etwas nicht stimmte. Der Fahrer zeigte auf zwei Druckanzeiger, anscheinend funktionierte nur ein Teil der Druckluftbremsen. Nun kam der dritte Mann des Buspersonals zum Einsatz: der Monteur.

Der Schaffner entzündete erst einmal draußen das übliche kleine Lagerfeuer und alle schauten dem Monteur bei der Arbeit zu. Als der Schaden behoben war, konnten wir uns sogar einen Sitzplatz sichern: zu dritt auf einer Bank für zwei. Als wir aber den Nepalesen neben uns baten, doch ein wenig näher ans Fenster zu rücken, gab er uns zu verstehen: Das sei nicht möglich, am Fenster sitze ja sein Hahn.

England

Man denkt, in London würden die schönen roten Doppeldeckerbusse, die Teil der britischen Touristenkultur sind, den Fahrgast zuverlässig ans Ziel bringen. Die Fahrt sollte eine halbe Stunde dauern, die genaue Strecke kannte ich nicht so genau. Doch bemerkte ich, dass einige Passagiere nach einiger Zeit ein wenig komisch schauten. Dann hielt der Bus plötzlich und der Fahrer öffnete die Türen, stieg aus - und fragte einen Passanten nach dem Weg! Ich war fassungslos und erwartete eine Entrüstung, wie ich sie aus Deutschland kenne, wenn etwas nicht funktioniert. Aber die Londoner zogen maximal eine Augenbraue hoch oder seufzten auf. Die Lösung kam in Gestalt eines freundlichen Herrn, der sich auf den Platz hinter den Busfahrer setzte und ihm den Weg seiner Linie zeigte.

Peru

Auf dem Rückweg von Machu Picchu nach Cusco nahmen wir den Bus. Völlig erschöpft vom Aufstieg, dösten wir, als sich die Fahrbahn vor uns plötzlich veränderte. Hier und da lagen Pflastersteine, dann immer mehr, der Busfahrer musste Schlangenlinien fahren. Neben den Steinen lagen große Grasbüschel, Pflanzen und ganze Baumstämme, die schon beiseite geschafft worden waren. Nun war allen klar, dass hier kein Bautransporter etwas bei der Fahrt verloren hatte. Der Busfahrer sprach nervös über Funk mit seinen Kollegen vor und hinter uns. Nun passierten wir brennende Autoreifen und mussten vor einem gefällten Baum halten, der die Straße versperrte - dahinter eine aufgebrachte Menschenmenge.

Die Buskolonne machte schnell kehrt und fuhr querfeldein über unbefestigte Straßen, auch hier brannten Autoreifen. Den Passagieren sagte man nichts. Wir fuhren in ein Dorf und landeten in einem Loch, in dem der Bus stecken blieb. Ich dachte, das war's. Alles erinnerte mich an die in Lima besuchte Ausstellung über den Terror des Leuchtenden Pfads. Als die Dorfbewohner aber bemerkten, dass wir Touristen waren, halfen sie uns mit Brettern aus dem Graben. Später erfuhren wir, dass die arme Landbevölkerung in dieser Nacht gegen die Regierung protestiert hatte.

Costa Rica

Ich war einige Stunden in einem Linienbus unterwegs zu einem Bergdorf im Nebelwald von Monteverde - und hatte das zweifelhafte Vergnügen, in einer viel zu engen Sitzreihe den Fensterplatz zu bekommen. Bei meinen langen Beinen blieb mir nichts anderes übrig, als sie einzuziehen. Meine Nachbarin, eine mir unbekannte Costa Ricanerin, stellte mir daraufhin einen ihrer Kartons auf die Knie. Es war dunkel und verflixt kalt draußen. Weil alle Fenster entweder offen oder undicht waren, war es drinnen genauso kalt.

Meine Nachbarin widerstand leider meinen Überredungsversuchen, den Platz zu tauschen. Am Gang hätte ich wenigstens eines meiner Beine ausstrecken können. Während der ganzen Fahrt dudelte aus den Lautsprecherboxen typisch lateinamerikanische Musik. Am Anfang hatte ich das noch genossen. Aber unter diesen Umständen, durchgeschüttelt von den vielen Schlaglöchern in der Schotterpiste, war ich bald nahe daran, verrückt zu werden.

Auf einmal meinte ich, leise ein mir bekanntes Gitarrenriff aus dem Radio zu hören. Ich lauschte angestrengt und wollte meinen Ohren nicht trauen: Aus den Boxen erklang das erste und einzige Mal während des gesamten dreiwöchigen Aufenthalts: U2 mit "Where the streets have no name". Nicht nur damals eine meiner Lieblingsbands - der Songtitel passte auch wie die Faust aufs Auge. Meine Stimmung hellte sich schlagartig auf, der Rest der Fahrt war viel leichter zu ertragen.

Ghana

Von Kumasi nach Cape Coast, geschäftiges Treiben in der Abfahrtszone. Vermittler stürzen sich auf die einzigen beiden europäischen Touristen, die sich nach einigem Hin und Her und Gerangel um die Koffer im Bus auf der hintersten Bank wiederfinden. Drinnen Gemurmel und mit Pompons geschmückte Gardinen. Eine stattliche Frau steht auf und stimmt ein Lied an.

Alle singen mit, erst leise, dann immer lauter. Gänsehaut. Dann eine Predigt, zwischendurch "Amen" aus allen Richtungen. Twi und Englisch im Wechsel, die zwei Urlauber hängen an ihren Lippen. Schließlich geht die Frau durch die Reihen und nimmt Geld entgegen. Etwa eine Spende für die Gemeinde? Auch der Tourist in der letzten Reihe zückt das Portemonnaie und gibt ihr etwas. Dann schallendes Gelächter: Will er denn keine Gegenleistung? Sie fischt ein Döschen mit Pulver aus ihrer Tasche: gut gegen Krebs und wenn der Bauch sich ausdehnt. Amen!

Enge Gassen in Rom? Nichts wie rein!

Israel

Ich war 12 Jahre alt, als ich mit meinen Eltern von Haifa im Norden nach Eilat ganz im Süden Israels mit dem Bus fuhr. Die Anspannung meiner Eltern konnte ich nicht nachvollziehen und freute mich auf die Fahrt, von der es hieß, sie solle etwa acht Stunden dauern. Ich fand es toll. Ich hatte kurz zuvor einen brandneuen Walkman geschenkt bekommen und R.E.M.'s "Automatic for the People" auf Dauerschleife durchlaufen lassen, während ich pausenlos zum Fenster hinausschaute. Bis heute muss ich an diese Fahrt denken, wenn ich einen Song von R.E.M. höre. Nach zwei platten Reifen, einem Buswechsel, fünf Pinkelpausen, drei Batteriewechseln (für den Walkman) und gefühlt 20 Militärkontrollen kamen wir nach elf Stunden an. Auf dem Weg durch die Wüste war ich der "Man on the Moon" - und meine Eltern erledigt!

Italien

Als 18-Jährige begleitete ich eine Jugendgruppe als Betreuerin auf ihrer Fahrt nach Rom. Für mich war es die zweite Reise in die Stadt auf den sieben Hügeln, für unseren Busfahrer wohl die erste nach Italien überhaupt. Während der ganzen Reise zwang er uns seinen undefinierbaren Musikgeschmack auf - er hörte Malle-Schlager und dazu in Dauerschleife "Amoi seg ma uns wieder" von Andreas Gabalier. Noch dazu hielt er sich vorbildlich an das Tempolimit und seine vorgegebene Fahrzeit, während uns andere Reisebusse auf der linken Spur überholten.

In Rom fuhr er dann, vom Navi geleitet, in die Straßen der Stadt. Dass für Busse nicht alle Wege durch Rom führen, merkte er bald: Er hatte uns in eine so enge Gasse mit parkenden Autos manövriert, dass diese von uns und zu Hilfe eilenden Passanten weggehoben werden mussten. Während der Busfahrer vor Panik schrie und einem Kollaps nahe war, nahmen wir das Manöver locker und ließen uns von der italienischen Unbeschwertheit anstecken.

Bolivien-Peru

Von La Paz aus wollten wir mit dem Fernbus an den Titicacasee. Mein reservierter Platz war belegt und ich musste vorne, praktisch als Beifahrer, auf einem Notsitz Platz nehmen. Das war eigentlich ein schöner Platz, mit Beinfreiheit und guter Aussicht. Vor mir auf dem Boden lagen Werkzeuge und Metallteile. Die Straße schlängelte sich, der Bus war nicht der allerneueste. Nach ein paar Stunden hielt der Fahrer an, stieg aus und hantierte an den Vorderrädern. Beim Wiedereinsteigen warf er mir eine Handvoll übergroße Radmuttern, die er offensichtlich gerade gewechselt hatte, vor die Füße. Ich kam zufällig mit dem Fuß an eine der Schrauben und zog mir eine Brandblase zu. Die Dinger waren glühend heiß und hatten praktisch keinerlei Gewinde mehr. Die frisch aufgezogenen Radmuttern sahen bestimmt nicht besser aus.

Peru

Die Fahrt von Puno nach Arequipa zum Ausgangsort für eine Tour in den Colca-Canyon führte durch eine gebirgige Landschaft über einen Pass auf knapp 5000 Metern. Die Busse waren so gebaut, dass der Fahrer in einer Kabine saß, deren Tür vom Fahrgastraum aus nicht zu öffnen war. Praktisch alle anderen außer uns waren indigener Abstammung und saßen oder standen mehrere Stunden in stoischer Ruhe auf ihrem Platz. Besonders beeindruckt haben mich die kleinen Kinder, die auf dem Schoß ihrer Mutter ohne zu quengeln, ohne ein Wort und eine wesentliche Regung diese lange Zeit ausharrten.

Nach dem Pass ging es in wilder Fahrt bergab. Wie ein Irrer schnitt der Busfahrer die Kurven, auf der einen Seite der Fels, auf der anderen der Abgrund. Selbst den Indios wurde es langsam mulmig - und das will etwas heißen! - und einige klopften und hämmerten an die Fahrertür. Ohne Erfolg, es wurde weiter gerast. Meine Frau, eher ein unerschrockener Typ, saß auf dem Fensterplatz, ich am Gang. Nach einiger Zeit war sie mit den Nerven fertig: Sie konnte den Blick in die mehrere hundert Meter tiefen Schluchten, an denen wir "auf Kante" entlang schossen, nicht mehr ertragen und kam immer näher zu mir, bis sie zum Schluss auf meinem Schoß saß.

Indien

Mit einer Freundin fuhr ich auch weite Strecken in klapprigen, überfüllten und sehr unbequemen Bussen. Auf einer Fahrt wurden wir bei jeder Bodenwelle von den brettharten Sitzen geschleudert und unfreiwillig zur Attraktion für die indischen Mitreisenden. Jeder Hüpfer ein Lacher - keine Ahnung, wie sie es schafften, stocksteif auf ihren Bänken sitzen zu bleiben, während wir blaue Flecken sammelten. Beim Blick aus dem Fenster dann die Überraschung: Überall turnten kleine lustige Äffchen!

Meine Freundin legte schnell den iPod auf den Schoß, um mit der Kamera ein Foto zu schießen. Just in diesem Moment kam die nächste Bodenwelle und der iPod flog aus der Bustür (in Indien gibt es in Bussen selten Türen; falls doch, bleiben sie die ganze Fahrt offen). Das Foto vom Affen war geschossen, der iPod aber weg. Nach dem ersten Schock lachten wir Tränen über die Situation. Bis heute muss ich lächeln, wenn ich daran denke, dass ein indischer Affe mit Stöpseln im Ohr die Playlist "Love Music 2012" genießt.

Bolivien

Wahrscheinlich war es von vornherein keine gute Idee, den Bus von La Paz nach Rurrenabaque in den Dschungel zu nehmen, nachdem die Straßen aufgrund starker Regenfälle tagelang gesperrt und gerade erst wieder freigegeben worden waren. Die Fahrt sollte 17 Stunden dauern, mittags um 12 Uhr ging es los, am nächsten Morgen sollten wir ankommen. Eigentlich. Kurz nachdem es dunkel geworden war, blieb der Bus auf der Straße stehen - und zwar bis zum nächsten Morgen. Als es hell wurde, sahen wir, dass die Straße vor uns von einem Erdrutsch weggerissen worden war. Da mein Gepäck auf dem Dach festgeschnürt war und der Busfahrer sich weigerte, es herunterzuholen, harrte ich gemeinsam mit den anderen aus.

Nach einiger Zeit kamen erste Straßenarbeiter mit einem kleinen Schaufellader und begannen, einen neuen Weg in den Hang zu graben. Später gesellten sich noch ein größerer Schaufellader und ein Bagger hinzu, aber da eine komplette Kurve weggeschwemmt worden war und erst noch Bäume mit dem Schaufellader gefällt werden mussten, zog sich die ganze Angelegenheit. Irgendwann wurde klar, dass wir auch die nächste Nacht im Bus würden verbringen müssen.

Immerhin, am nächsten Morgen wurde fleißig weitergearbeitet und gegen zwölf Uhr war eine einspurige Fahrbahn in den Hang gegraben. Erste Fahrzeuge begannen, die Strecke zu passieren. Bereits nach dem vierten Auto rutschten aber schon wieder größere Mengen Erde von oben auf die neue "Straße". Nachdem die Haufen von den Arbeitern weggeräumt worden waren, floss der Verkehr - allerdings nur in die Gegenrichtung. Nachdem zweieinhalb Stunden später noch kein einziges Fahrzeug aus meiner Richtung den Streckenabschnitt passiert hatte und zu befürchten war, dass die provisorische Straße nicht ewig halten würde, machte sich Unmut breit und es kam zu einem kurzen Anflug von Anarchie.

Leute versuchten, den Gegenverkehr zu stoppen, indem sie sich davor stellten. Doch die Autos fuhren einfach weiter und schoben die Menschen zur Seite. Da begannen einige, Steine auf die Autos und in die offenen Fenster der Fahrer zu werfen. Zum Glück war in der Warteschlange ein Bus mit Wehrpflichtigen. Deren "Teniente" gab das Kommando, noch zehn Fahrzeuge aus der Gegenrichtung durchzulassen und dann den Weg zu blockieren. Ab da lief alles wie am Schnürchen. Nach nur einer weiteren Nacht und insgesamt 65 Stunden im Bus kam ich stinkend, aber glücklich in Rurrenabaque an!

Peru

Wir fuhren von Nazca nach Ica mit dem öffentlichen Bus. Der Helfer des Fahrers hing die ganze Zeit außen am Rückspiegel und warb weitere Mitreisende an, indem er lauthals das Ziel hinausschrie. Sein "icaicaicaica" klang wie Eselsgeschrei. Bald saßen wir mit 27 Leuten in einem VW Bus. In der Nähe musste ein Markt sein: Fast alle Fahrgäste hatten eine riesige gewachste Stofftasche mit blau-roten Streifen voller Kartoffeln dabei, die aufs Dach geschnallt wurde. Bei jedem Halt begann eine endlose Diskussion, bis die richtige Tasche gefunden und heruntergeholt worden war. Oft stiegen mehr als zehn Personen aus, um sich zu vergewissern, dass es zu keiner Verwechslung kam. Wir erreichten das Ziel mit erheblicher Verspätung.

Zur SZ-Startseite

Lesergeschichten aus dem Zug
:"Junge, willste noch nen Wodka?"

Typen, die ihre Entlassung aus dem Gefängnis feiern. Coole Muskelschränke, die kleine Jungs beschützen. Und blinde Passagiere unter dem Sitz. Begegnungen der seltsamen Art in der Bahn.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: