Bücher zum Mount-Everest-Jubiläum:Vor dem Sturm

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Das beste Buch zur Erstbesteigung des Mount Everest vor 60 Jahren durch Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgay handelt nicht von Rekorden und Bilanzen. Es erinnert an den Anfang.

Von Dominik Prantl

Weil ein Jubiläum immer der schönste Anlass ist, eine alte Geschichte neu zu erzählen, und weil die Geschichte des Mount Everest freilich nicht oft genug erzählt werden kann, bricht 60 Jahre nach der Erstbegehung des weltweit höchsten Gipfels eine wahre Everest-Bücherflut über den Markt herein.

Die Anzahl der Publikationen steht dabei in einem direkten Verhältnis zu den Massenwanderungen, die jährlich unter großem logistischen Aufwand an den Flanken des nepalesischen Eisriesen einsetzen.

Und wenn wieder einmal über ganze Kapitel hinweg neben Selbstversuchen die ersten, ältesten, schnellsten, blindesten und einbeinigsten Gipfelstürmer vorgestellt werden, stellt sich auch hier oftmals die Frage nach der Motivation, in diesem Fall jedoch jener von Verlag oder Autor. Prestigesucht? Bloßes Kommerzdenken? Dabei sein wollen am Everest-Büchertisch? Oder - mal was Neues - tatsächlich die Überzeugung, Menschen unterhalten zu können?

Glücklicherweise steht das Superlativgedöns nicht immer im Vordergrund. Der Alpinjournalist Walther Lücker tastet sich in "Der höchste Berg" beispielsweise mit Analysen und Porträts durch die vergangenen Jahrzehnte, versucht, Sinn und Wahnsinn des Höhenbergsteigens zu sezieren, indem er elf Alpinisten interviewt.

Leider tut er das mit den immer gleichen 15 Fragen, was auf Dauer einiges an Kondition unter der Leselampe erfordert. Letztlich gibt auch dieses Buch keine Antwort auf die Frage, weshalb der kollektive Höhenrausch seit der Everest-Premiere von Tenzing Norgay und Edmund Hillary am 29. Mai 1953 immer mehr Bergsteiger erfasst.

Am besten stellt die Veränderung des Höhenbergsteigens interessanterweise "Die Eroberung des Mount Everest" und damit ein Bildband dar, der keine Rekorde und Bilanzen auflistet. Wahrscheinlich weiß Herausgeber Huw Lewis-Jones als Historiker nur zu gut, dass jede Entwicklung allein über die Erinnerung an die Anfänge zu deuten ist.

In dem Werk hat er zum Teil bislang unveröffentlichtes Bildmaterial der Erstbegehung gesammelt, aufgenommen von George Lowe. Der kürzlich verstorbene Wegbegleiter und -bereiter von Hillary ist bislang meist nur als Fußnote aufgetaucht. Lewis-Jones bezeichnet Lowe als den "vergessenen Mann" des Everest. Auf den Gipfel durfte er nicht.

Mit seinen Bildern und Erzählungen schürt Lowe dafür die Sehnsucht all jener, die sich den Glauben an ein von Abenteuerlust, Freundschaft und einem guten Schuss Naivität getriebenes Bergsteigen bewahrt haben. Fast kitschig wirken heute seine großmütigen Aussagen: "Ed Hillary war der richtige Mann. Ich wäre nicht so diplomatisch gewesen, wie er es war."

Mount Everest
:Berg voller Rekorde und Tragödien

Der Mount Everest ist der höchste Berg der Welt und treibt viele zu Höchstleistungen an. Aber die Bezwingung eines Mythos aus Fels und Eis birgt viele Gefahren.

Seine Aufnahmen, auf denen einzelne Personen verloren durch Eisfelder steuern, bilden den Kontrast zu den heute in Magazinen abgedruckten Gore-Tex-Karawanen. Lowe ahnte angesichts des öffentlichen Rummels schon bald, dass der erste Streich nur der Anfang des globalen Taumels war. "Aber als wir ihn damals erstiegen, glaubten wir in aller Unschuld, diese Geschichte sei nun zu Ende", schreibt George Lowe.

Dass es anders kam, sah er auch als seine eigene Schuld: "Wir brachten Männer und Frauen dazu, an das Unmögliche zu glauben."

Unmöglich. Das wär's.

George Lowe, Huw Lewis-Jones: Die Eroberung des Mount Everest. Originalfotografien von der legendären Erstbesteigung. Knesebeck, München 2013, 240 Seiten, 29,95 Euro.

Walther Lücker: Der höchste Berg. Traum und Alptraum Everest. Piper 2013, 528 Seiten, 26,99 Euro

© SZ vom 29.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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