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Städtereise-Serie "Bild einer Stadt":Wie tickt eigentlich ... Brüssel?

Fantastisch verunglückt, hübsch vergammelt, charmant trist - Brüssel ist eine Stadt der Gegensätze. Dafür gibt es nur ein einziges Fettnäpfchen.

Von Thomas Kirchner

Eine Stadt zu bereisen, bedeutet nicht nur Sehenswürdigkeiten abzuklappern. Sondern einen Blick in ihre Seele zu werfen - und dabei schöne Orte kennenzulernen, die auch Einheimische lieben. Wir haben unsere SZ-Kollegen in nahen und fernen Metropolen gebeten, "ihre" Stadt anhand eines Fragebogens zu präsentieren. Diesmal erklärt Thomas Kirchner, warum gemeinsames Anstehen verbindet, weshalb der Brüsseler zum Tanzen ins Café geht und was er noch mehr liebt als Bier.

Was ist das Besondere an Brüssel?

In Brüssel gibt es immer beides: Schönes und Hässliches, fantastische Jugendstil-Architektur neben monumental verunglückten Zweckbauten, eine superhübsche Innenaltstadt, auf die ein paar Meter weiter vergammelte Sozialwohnungen folgen. Eben noch charmant-verspielte, an Paris erinnernde Steinfassaden, dann wieder Tristesse im Immigrantenviertel. Das muss man aushalten, dann kann man die Stadt nach und nach lesen und lieben lernen.

Und wie ticken die Einwohner?

Die Brüsseler lieben ihre Stadt, ihre Familie, ihr Auto, ihr Bier und das Essengehen. Danach kommt lange nichts.

Wie kommt man am besten mit ihnen in Kontakt?

Das ist nicht leicht. Die Eingesessenen sind recht immun gegen Annäherungsversuche der Heerscharen von "Expatriates", die die Stadt bevölkern. Am besten geht es, wie meist, in Vereinen oder im Fußballstadion. Gemeinsam leiden beim recht erfolglosen RSC Anderlecht, das verbindet. Und noch ein Tipp: gemeinsam anstehen für die fantastischen königlichen Gewächshäuser, die Normalsterbliche im Frühjahr betreten dürfen.

Wohin gehen Brüsseler ...

  • zum Frühstücken: Ins Café um die Ecke, wie in Frankreich, für einen Kaffee und ein Croissant.
  • zum Mittagessen: Das fällt oft aus, ein paar Fritten oder ein Sandwich reichen den meisten. Wenn doch gegessen wird, dann in Brasserien.
  • am Feierabend: In eines der vielen guten und manchmal recht teuren Restaurants. Hier regiert die fleischlastige französische Küche, aber es gibt auch leckere belgische Gerichte wie Waterzooi, einen flämischen Eintopf, oder die berühmten Moules-Frites, Miesmuscheln mit Pommes. Beides ist besonders gut in der Taverne du Passage in den Galeries Royales.
  • in der Nacht: Nicht in Clubs, davon gibt es nämlich kaum welche. Stattdessen trifft man sich in einem der "braunen Cafés", in denen manchmal DJs noch spät auflegen. Oder in einer der vielen Jazz-Kneipen.

Was finden die Menschen in Brüssel gar nicht komisch?

Die europäische Hauptstadt ist vieles und viele gewohnt. Man kann sich also nach Kräften daneben benehmen - solange man dem Brüsseler nicht seine Vorfahrt nimmt.

Und wofür werden sie den Urlauber aus Deutschland lieben?

Wegen der europäischen Institutionen ist Brüssel vollgestopft mit Deutschen. Da fallen teutonische Urlauber kaum auf, weder positiv noch negativ.

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