Süddeutsche Zeitung

Brasilien-Boykott:Verbrannte Erde

Reiseveranstaltern bleiben im Angesicht der verheerenden und von Brasiliens Regierung billigend in Kauf genommenen Waldbrände im Amazonasgebiet nur Appelle an die Vernunft. Der Tourismus dort lebt von einer intakten Natur.

Von Stefan Fischer

Der Tourismus hat zerstörerische Kräfte. Nicht selten bedroht er oder zerstört gar, was er als Basis für sein Geschäft dringend benötigt - eine intakte Natur zum Beispiel. Er verfügt aber auch über ein segensreiches Potenzial: In Afrika hilft er mancherorts dabei, die Natur zu bewahren - dann, wenn der Tourismus den Menschen am Urlaubsort mehr einbringt als etwa die Wilderei. Einen Elefanten kann man nur einmal erschießen, sein Elfenbein nur einmal verkaufen. Als Fotomotiv generiert er höhere Einnahmen, die gerechter verteilt werden - und das jahrzehntelang.

Weitaus schwieriger ist die Situation im Amazonasgebiet. Der Tourismus, zumal der nachhaltige, ist auch dort auf intakte Natur angewiesen. Er hat jedoch keinen nennenswerten Einfluss, da er eine finanziell lukrative Alternative zum Raubbau an der Natur nicht bieten kann. Das Geschäft mit Holz, Bodenschätzen und Sojaplantagen, für die der Urwald brandgerodet wird, ist ein Milliardenmarkt. Dagegen fallen ein paar Tausend Trekking-Touristen und Abenteuerreisende nicht ins Gewicht.

Insofern bleiben Reiseveranstaltern im Angesicht der verheerenden und von Brasiliens Regierung billigend in Kauf genommenen Waldbrände nur Appelle an die Vernunft. Wie schwach der Hebel ist, an dem die Tourismusindustrie in diesem Fall sitzt, zeigt der symbolische Boykott des Landes durch den Münchner Reiseanbieter Hauser Exkursionen. Man kann ihn sogar wohlfeil nennen, weil der Veranstalter noch nie gute Geschäfte in Brasilien gemacht hat, also auf wenig verzichtet.

Allerdings verfängt hier der Vorwurf nicht, durch einen Boykott würden vor allem jene geschädigt, die man unterstützen möchte - indigene Gruppen etwa. Ausnahmsweise ist der Verzicht auf das Angebot von in diesem Fall Brasilienreisen also einmal richtig: Unter allen geringen Möglichkeiten ist diesmal die beste, einen kleinen Beitrag zu leisten zum internationalen Druck auf die Regierung Bolsonaro - und auszuweichen auf Nachbarländer, die den Regenwald und seine Bewohner höher schätzen.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2019
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