Ben Schlappig jettet Erster Klasse um die Welt, schläft in den teuersten Hotels, und Fans erkennen ihn, wenn er unterwegs ist. Der 25-jährige US-Amerikaner ist allerdings kein Rockstar, sondern Profi-Reisender - der Star einer elitären Szene. Diese weiß die Bonusprogramme der Reiseindustrie so zu nutzen, dass sie eine Art Perpetuum Mobile geschaffen hat: Auf ihren Flügen und Hotelübernachtungen sammeln diese Leute Statusmeilen und Bonuspunkte, die sie dann für die nächsten Flugreisen und Übernachtungen einlösen, mit denen sie wiederum Statusmeilen und Bonuspunkte sammeln.
"Es ist ein Netzwerk von IT-Genies, Statistik-Profis, Luftfahrt-Nerds und all den anderen Leuten, die nicht beim Highschool-Abschlussball waren", schreibt der Rolling Stone in einem Porträt über ihn. Schlappig und die anderen reizen das Kleingedruckte der Vielfliegerprogramme aus: Sie wissen, welche Flüge überbucht sind, und wo derjenige bezahlt wird, der einen späteren Flug nimmt. Sie wissen, wann es Schnäppchenpreise oder Sonderaktionen gibt und für welche Beschwerdemail die Airlines Entschädigungen zahlen. Sie hantieren mit einem Quartett unterschiedlicher Kreditkarten. Sie nennen es "das Hobby" - in dem kaum einer erfolgreich ist, der es nur nebenbei betreibt.
SZ: Was stellen Sie alles an, um für möglichst wenig Geld um die Welt zu fliegen?
Ben Schlappig: Bei mir dreht sich alles darum, Bonusmeilen zu verdienen. Dafür nutze ich vor allem zwei Dinge: das Fliegen selbst und Kreditkarten. Schon beim Beantragen einer Kreditkarte gibt es einen Eröffnungs-Bonus, außerdem kann man so von den alltäglichen Ausgaben profitieren. Bei manchen Karten bekommt man doppelt oder dreifach Punkte fürs Essengehen, Reisen, Tanken oder beim Zahlen in Supermärkten. So häufen sich die Punkte ziemlich schnell an.
Dann sichere ich mir Bonusmeilen, indem ich tatsächlich fliege. Manchmal buche ich "mileage runs" - das sind Langstrecken-Flüge, bei denen ich nur aus dem Grund einsteige, um möglichst viele Flugmeilen zu sammeln.
Sie setzen Bonusmeilen wie eine eigene Währung ein. Kann man die Vielfliegerprogramme mit einem Bankensystem vergleichen?
Auf jeden Fall! Die Leute verdienen und investieren Meilen und Punkte auf die gleiche Weise, wie sie es mit Geld tun würden. Und ähnlich wie bei einer Geldwährung ist der Wert der Punkte volatil. Manchmal geht der Kurs nach oben, etwa wenn eine Fluglinie mit neuen Partnern kooperiert. Manchmal geht der Kurs runter - zum Beispiel wenn die Zahl der Punkte angehoben wird, für die man einen Freiflug bekommt.
Erdacht als Marketing-Trick in den späten 70ern, haben Fluglinien und Kreditkartenanbieter mit ihren Bonusprogrammen ein mächtiges Instrument zur Kundenbindung geschaffen. Punkte sammeln, Schnäppchen sichern - eines der wirksamsten Konzepte der Werbepsychologie. Dieses System nutzen Meilensammler aus. Sie schlagen die Luftfahrtkonzerne mit ihren eigenen Waffen. Doch damit daraus ein Nullsummenspiel wird, braucht es viel Zeit, Durchblick und Sitzfleisch. "Das Hobby" ist keine Freizeitbeschäftigung, sondern ein Vollzeitjob.
Sie sagen, dass Sie den Airlines immer einen Schritt voraus sein werden. Warum sind Sie da so sicher?
Die Fluglinien verändern kontinuierlich ihre Bonusprogramme. Aber wenn man sich da richtig reinhängt und das System genau anschaut, kann man ein besseres Verständnis dafür entwickeln als die Airlines selbst. Trotzdem glaube ich nicht, dass die Unternehmen ihre Bonussysteme grundlegend überarbeiten. Schließlich sind Vielfliegerprogramme für die großen Airlines Gewinnbringer. Sie wollen doch nicht ein profitables Geschäft ruinieren.
An Ihnen und den anderen Hobbyisten verdienen Fluglinien aber nichts. Haben Sie kein schlechtes Gewissen?
Ich bin beim "Hobby" seit mehr als zehn Jahren dabei und es gab Zeiten, in denen ich das Ganze bis an die Grenzen ausgereizt habe. Mittlerweile ist alles, was ich mache, hundert Prozent legal.
Mein Ziel ist es, anderen Konsumenten zu erklären, wie sie den größten Mehrwert aus den Bonusprogrammen schöpfen und nicht, wie sie die Programme betrügen können. Meinen Blog "One mile at a time" sehe ich als Publicity für die Fluglinien und Hotels. Ich zeige schließlich, wie toll die Produkte sind und wie viel für die Konsumenten in den Bonusprogrammen steckt.
Gratis, das betont Schlappig, ist das Reisen auch für ihn nicht. Umso mehr ärgert es ihn, dass das im Rolling Stone behauptet wird. Er betont, dass er etwa Gebühren und Zusatzkosten begleichen müsse - und manchmal gehe die beste Bonusrechnung nicht auf. Dennoch zahlt Schlappig nicht drauf, im Gegenteil: Er kann gut von seinem Reisejob leben. Er finanziert sich über Werbeeinnahmen aus dem Blog, hat ein Beratungsunternehmen für das Optimieren von Reisen und wird als Redner für Events gebucht - von Airlines. Dabei helfen ihm sein Uniabschluss in Marketing und seine Vielflieger-Erfahrung.